Simon Trpceski@Fowler-EMI Classics (Medium)
Interview mit dem Pianisten Simon Trpceski
Herr Trpceski, spielen Sie zum ersten Mal in Straßburg?
Nein, ich bin schon zum zweiten Mal hier, das erste Mal spielte ich ein Klavierkonzert von Saint-Saens, was ja eine enorme Herausforderung darstellte, in Frankreich einen französischen Komponisten zu interpretieren.
Sie haben das Orchester nun zum zweiten Mal erlebt, können Sie zwischen den Konzerten Unterschiede feststellen?
Das letzte Konzert von Saint-Saens hatte das Orchester wunderbar gespielt – aber diesen Klang sollte das Orchester selbstverständlich auch beherrschen. Mit Tschaikowsky ist das schwieriger, denn es ist ein bekanntes Konzert und der Dirigent muss sehr darauf achten, eine Geschichte daraus zu machen. Jakub Hrůša hat wunderbare Klangfarben erzeugt. Er hat mit dem Orchester viel gearbeitet und sie haben vieles dadurch erreicht. In der Kombination zwischen Hrůša und mir wollten wir vor allem die Nuancen hörbar machen. Das Orchester hatte einen wunderbaren, warmen Klang, spielte sehr professionell und hat vor allem viele gute solistische Einzelleistungen gezeigt. Wir hatten nur 2 gemeinsame Proben und ich spiele gerne mit einem Orchester ganz im Sinne von einer Zusammenarbeit wie bei einer Kammermusik. Ich kann zum OPS sagen, dass das Orchester zu den besten in Frankreich gehört. An deren Spitze steht das Orchestre national de France, aber danach teilen sich das OPS und auch das Orchester von Bordeaux meiner Meinung nach die Plätze.
Die Qualität eines Orchesters hängt ja enorm von der Kommunikation der Musiker untereinander ab und natürlich auch zu deren Dirigenten. Die Kommunikation innerhalb der Musiker hilft dem Dirigenten enorm. Ich habe mit vielen internationalen Orchestern auf der ganzen Welt gespielt und ich weiß, dass die französischen Orchester einen sehr hohen Standard erreichen können. Die anspruchsvollsten Orchester findet man meiner Meinung nach jedoch in England. Ich erinnere mich aber auch daran, dass ich nach einem Konzert mit Lorin Maazel bei einem Gespräch seine Meinung hörte, nach der er die Philharmonie in Baden-Baden für dasjenige Orchester hält, das am schnellsten reagiert. Ich selbst habe noch einige große Orchester, mit denen ich noch nie gespielt habe, wie zum Beispiel jene in Leipzig, in Berlin, Dresden und die Wiener Philharmoniker.
Auf Ihrer homepage kann man ganz oben, quasi als Übertitel einen Sinnspruch lesen: Per aspera ad astra, was soviel heißt wie „durch Mühsal gelangt man zu den Sternen“. Ich habe das noch bei keinem Künstler gelesen, was hat das für Sie für eine Bedeutung?
Das ist eigentlich mein Lebensmotto. Dieses lateinische Zitat hat mein Vater ausgesucht und mir näher gebracht. Sie müssen wissen, Mazedonien, das Land aus dem ich komme, hat keine lange Tradition was die klassische Musik angeht. Das erste Orchester wurde erst im Jahre 1944 gegründet, wir sind mit dieser Tradition weit hinter den andern Staaten. Ich wuchs in einer sehr turbulenten Zeit auf. Nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens kam das Land in ein Übergangsstadium, in dem es sich leider heute noch befindet. Das Land war politisch abgeschottet, was extrem schwer war. Ich selbst komme aus einer armen Familie, meine Eltern aus Dörfern aus dem Südosten und Südwesten des Landes. Sie haben sich sehr angestrengt, um in die Hauptstadt nach Skopje zu kommen und wir hatten wirklich eine lange Zeit große Schwierigkeiten ohne jegliche finanzielle Unterstützung mit wirklich wenig Geld. Einige Freunde der Familie jedoch vertrauten meinem Vater, der ihnen von mir erzählte und der an mich glaubte. Sie unterstützten einige meiner Reisen zu den Wettbewerben ins Ausland finanziell. Was Pavarotti einmal gesagt hat, traf auf uns genauso zu: Wir hatten in unserer Familie ganz wenig, aber niemand hatte mehr als wir! Wir sind drei Geschwister und wir lebten intensiv mit unserer Familie und in der Gemeinschaft. Von meiner Familie erhielt ich Wärme und Unterstützung. Ich bin der jüngste, sozusagen das „Baby“ in der Familie.
Wie kamen Sie zur Musik?
Erstens durch meine Familie. Ich begann mit 4 Jahren Akkordeon zu spielen. Das Akkordeon ist bei uns ein traditionelles Instrument, mit dem viel Volksmusik gemacht wird. Die Volksmusik hat bei uns einen sehr hohen Stellenwert. Aber Akkordeon wurde damals in der Musikschule nicht unterrichtet. Als ich dann in die Musikschule kam, da entschloss ich mich Klavier zu spielen, da es ja auch eine Klaviatur hat, die ich ja schon kannte – zwar nur für die rechte Hand, links ist das beim Akkordeon doch anders – aber es hatte zumindest eine Tastatur. Und zweitens erhielt ich Unterricht von einem russischen Ehepaar, den Romanovs. Sie kamen gleich nach dem Bruch von Moskau nach Skopje und unterrichteten hier. Ich hatte Glück, denn ich lernte extrem schnell. Natürlich habe ich auch hart gearbeitet und viel geübt, aber es hat mir immer Spaß gemacht. Als Kind hat man einen Traum – meiner war die Musik. Ich liebte Musik. Damals gab es kein Internet wie heute. Ich blätterte in den Zeitschriften und ich betrachtete die großen Konzertsäle und fragte mich: Werde ich einmal die Chance haben, dort zu spielen? Mein erstes großes Konzert spielte ich, als ich 15 war, mit den Mazedonischen Philharmonikern. Es war die Rhapsodie in blue von Gershwin und ich dachte mir – mach es jetzt, wie es Bernstein einmal gesagt hat: Geh raus und zeig es ihnen! Und als ich zu meinen ersten Wettbewerben fuhr, nach Italien und in die Schweiz, war ich sehr neugierig, vor allem darauf, wie die Jury bewertet und was von mir erwartet wurde. Ich war nie aufgeregt oder gestresst wegen der Wettbewerbe, sondern vielmehr immer interessiert, wo ich mit meinem Können stand und was die anderen konnten. Natürlich habe ich auch einige Dinge erfahren, die nicht wirklich schön sind, was Wettbewerbe anlangt, aber es war mir im Grunde auch nicht wichtig zu gewinnen. Schon allein, dass ich dabei sein durfte, machte mir eine große Freude und erfüllte mich mit Stolz. Wissen Sie, ich erzähle Ihnen eine kleine Geschichte, die in Zusammenhang mit dem Konzert hier in Straßburg steht. Am Datum des Konzerttages hier in Straßburg, jährte sich zum 10. Mal der Jahrestag des Wettbewerbes in London, bei dem ich „entdeckt“ wurde. Ich musste gestern daran denken. Ich gewann bei diesem Wettbewerb nicht, sondern ich wurde Zweiter, aber das war mir völlig egal. Für mich war ein Traum in Erfüllung gegangen. Ich durfte in London spielen, mit dem London Philharmonic Orchestra in der Royal Festival Hall – was hätte ich sonst noch erwarten können! Mir war es völlig egal, welchen Platz ich dabei erreicht hatte. Für mich kam es einem Wunder gleich. Aber ich habe erhalten, was ich verdient habe. Bei diesem Konzert hörte mich eine Frau von der Konzertagentur IMG Artists und sie kam danach zu mir um mich zu fragen, ob ich mit ihr zusammenarbeiten wollte. Und so kam ein Schritt zum anderen. Nach einem Jahr hörten Leute von EMI Classics ein Konzert von mir in der Wigmore Hall in London und nahmen mich unter Vertrag.
Wie viele Konzerte spielen Sie im Jahr?
Nicht so viele, 50 oder 60 vielleicht. Aber da das volle Repertoire, das ich spielen kann. Ich mache also keine Tournee, auf der ich nur zwei oder drei Stücke spiele, sondern ich spiele hintereinander völlig andere Werke. Aber ich möchte nicht mehr machen. Ich möchte nicht mein ganzes Leben nur im Flugzeug, auf Flughäfen und in Hotels verbringen. Ich wurde aber nie von meiner Agentur unter Druck gesetzt und dafür bin ich sehr dankbar. Aber ich würde mich auch nie unter Druck setzen lassen. Ich muss ja auch mein Leben leben, um Inspiration zu bekommen. Wenn ich das Gefühl bekäme, dass sich die Maschinerie meiner bemächtigt, würde ich sofort damit aufhören. Ich habe keinen Geltungsdrang. Ich freue mich, wenn ich meine Freunde und meine Familie sehe – home sweet home – das stimmt bei mir völlig. Ich fliege morgen nach Hause und wir feiern am Wochenende in der Familie. Wir werden ein kleines Lamm grillen und viel Spaß haben! Ich habe eine wunderbare Zeit, aber ich versuche, so normal wie nur möglich zu bleiben, sozusagen erdverbunden zu bleiben. Das habe ich in meinen Genen, in meinem Blut. Ich hoffe, dass ich mich beruflich noch verbessern und weiter entwickeln kann, aber ich möchte das Leben so viel wie möglich genießen! 24 Stunden am Tag sind für mich eigentlich nicht genug. Es ist aber unglaublich wichtig, dass das Private und das Berufliche miteinander gut verbunden sind, für beide Seiten des Lebens!
Ich unterrichte ja auch an der Musikuniversität in Skopje. Ich bin der erste Künstler im Bereich der klassischen Musik aus Mazedonien, der international bekannt ist. Das ist für mich auch eine Art Mission. Auch wenn es schwieriger geworden ist, den Level zu halten, auf dem ich mich befinde. Aber mein Vater sagte mir auch: Wenn Du Deine Zeit gut einteilst, dann kannst Du alles machen. Ich betrachte mich als jemanden, der sehr privilegiert ist. Meine Schwester sagte zu mir: Simon, du bist der glücklichste Mensch auf diesem Planeten! Vielleicht bin ich das auch.
Gibt es noch einen Traum, den Sie haben?
Im August wird sich einer meiner großen Träume erfüllen. Da werde ich in Rio de Janeiro spielen. Ich hatte zwei große Träume, einmal in Paris zu spielen, das habe ich schon gemacht, und einmal in Rio zu spielen, das kommt jetzt. Es ist mein erster Aufenthalt in Brasilien und ich freue mich schon sehr darauf.
Haben Sie etwas, was Sie den Leserinnen und Lesern gerne direkt sagen möchten?
Ja, ich würde sie gerne dazu einladen, so viele klassische Konzerte wie möglich zu besuchen. Es ist ja medizinisch erwiesen, dass klassische Musik gesund ist! Wenn Leute einfach daran Freude haben und sich dabei richtig entspannen können, dann können sich für sie dabei Visionen für ihr Leben öffnen. Ich habe gehört, dass in Straßburg das Publikum etwas jünger als im Schnitt ist, was mich sehr freut! Es gibt so viele wunderbare Musik in den Konzertsälen. Manchesmal komponiere ich auch Popmusik – die von Klassik inspiriert ist – sowie Klassik ja oft auch von Volksmusik inspiriert war. Klassik muss nicht immer nur ernsthaft aufgefasst werden, es gibt ja auch jede Menge von Tanzmusik in klassischen Stücken. Wenn die Leute ins Konzert gehen und diese Musik hören, dann kann es sie dazu bringen, anders über ihr Leben nachzudenken, deswegen: Kommen Sie – und haben Sie Spaß an der Musik!
Ich danke Ihnen herzlich für das Interview und wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft!
Herzlichen Dank – und kommen Sie einmal nach Mazedonien!!!