Silvia Stolzenburg – Die Launen des Teufels

WEIMAR. (fgw) Mittelalter-Romane und -Filme erfreuen sich nach wie gro­ßer Beliebtheit. Aber diese lie­fern zumeist nur weich­ge­zeich­nete Fantasy-Fiktion. Ein erfreu­lich ande­res Bild bie­tet ein bereits im Herbst 2010 erschie­ne­nes Buch, das der erste Teil einer Trilogie rund um den Bau des Ulmer Münsters ist.

stolzenburg launen Silvia Stolzenburg   Die Launen des Teufels“Die Launen des Teufels” – so lau­tet der Titel von Silvia Stolzenburgs Roman. Was man zunächst nicht ver­mu­tet hätte, die­ses Buch kann durch­aus als eine sehr kir­chen­kri­ti­sche Abhandlung ange­se­hen wer­den: Welcher gut­ka­tho­li­scher Mönch (eines soge­nann­ten Bettelordens) ist eigent­lich schlim­mer? Der sich der Völlerei erge­bende, der Jungfrauen ver­ge­wal­ti­gende oder der eifernde Hexenjäger? Wobei jeder der hier ange­spro­che­nen Typen ganz “gott­ge­ge­ben” mate­ri­el­len Luxus für sich selbst als selbst­ver­ständ­lich ansieht…

Diese Frage nach dem Grad mora­li­scher Verderbtheit des katho­li­schen Klerus (nicht nur im Mittelalter) drängt sich bei der Lektüre von Silvia Stolzenburgs Roman immer wie­der auf. Die Autorin wird aber auch direkt. So heißt es in einem Dialog zwi­schen Anabel und ihrer Freundin über den Abt: “Der wird sein Keuschheitsgelübde genauso ernst neh­men wie den Schwur, in Armut zu leben.” (S.18)

Zwei his­to­ri­sche Ereignisse bil­den den Hintergrund für das Geschehen um die Mitte des 14. Jahrhunderts: Der Baubeginn des Ulmer Münsters und das euro­pa­weite Grassieren der Pest. Mit dem him­mels­stür­men­den “Gotteshaus” wol­len rei­che Bürger und Kleriker ein Denkmal ihrer Macht set­zen, eher not­dürf­tig als Ehrung “Gottes” ver­brämt. Vielmehr geht es um pro­fi­ta­ble Bau-Geschäfte und um die per­sön­li­che Macht in der Stadt. Doch mit einem hatte man nicht gerech­net: Der “Schwarze Tod”, die Pest, hat auch Ulm und Umgebung erreicht und macht vie­lem und vie­len einen Strich durch die Rechnung.

Im Mittelpunkt des Romans steht die Liebesgeschichte von Anabel und Bertram. Anabels Vater ist Glockengießer, hab­gie­rig und herz­los. Seines eige­nen Vorteils wegen schreckt er weder vor Intrige und Mord zurück. So zwingt er seine Tochter Anabel ohne jeg­li­chen Skrupel ins Bett des Abtes der Barfüßer-Abtei; beide Männer eint das Streben um die Führung in der Stadt. Doch Anabel liebt Bertram, den Lehrling ihres Vaters…

Die Pest rafft schließ­lich den lüs­ter­nen Abt dahin, sein Nachfolger ist ein bigot­ter Frauenhasser, der vol­ler Eiferns die gebil­de­te­ten weib­li­chen Krankenpfleger als Hexen denun­ziert und per “Gottesurteil” ums Leben bringt. Die auf­kom­mende Inquisition schim­mert hier schon durch.

Nein, so zart auch die Liebe zwi­schen Anabel und Bertram keimt und wächst, so sehr die bei­den jun­gen Menschen sich auch nicht von den Umständen ihre Liebe zer­stö­ren las­sen, so wenig zeich­net die Autorin ein Idyll des mit­tel­al­ter­li­chen Lebens.

Gewalt gegen Frauen und das Gesinde sind für die Herrschenden die­ser Zeit das nor­malste der Zeit, die christ­li­che Nächstenliebe nur schöne gedruckte Worte in einer Welt des Analphabetentums, der Unbildung und des all­ge­gen­wär­ti­gen Schmutzes. Da machen weder Mönche, noch Patrizier oder der hohe Adel eine Ausnahme. Gerade Unbildung und Schmutz füh­ren im von den Mönchen geführ­ten Spital zu beson­ders hoher Sterblichkeit. So läßt die Autorin den Leiter des Spitals sagen: “´Diese Frauen bezah­len für die Sünde unse­rer Vorväter´, lei­erte er die beliebte Erklärung des Kindbettfiebers her­un­ter.” (S.95) Und als Urheber der Pest wird nicht man­gelnde Hygiene aus­ge­macht, son­dern wahl­weise der Teufel oder die Juden. Wobei da Anabels Vater ganz bewußt aus eige­nen Profitgründen zum Pogrom auf­sta­chelt…

Ob die Liebesgeschichte von Anabel und Bertram einen guten Ausgang nimmt, wel­che Verwicklungen und Prüfungen die bei­den noch zu beste­hen haben, das mag jeder selbst lesen.

Ja, so soll­ten Bücher über längst ver­gan­gene Zeiten beschaf­fen sein: Wahrhaftig und den­noch poe­tisch. Dieser Roman ist authen­ti­scher (und auf­klä­ren­der) als alle Mittelalterspektakel hier­zu­lande zusam­men. Nicht zuletzt wird deut­lich, daß per­sön­li­che Freiheit, daß Menschen- und Frauenrechte, daß Bildung und Mitmenschlichkeit und daß soziale Fürsorge keine Früchte der christ­li­chen Kirchen sind!

Silvia Stolzenburg: Die Launen des Teufels. Roman. Hardcover mit Schutzumschlag. 466 S. Edition Aglaia im Bookspot-Verlag. München 2010. 16,95 Euro. ISBN 978-3-937357-41-6

[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]


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