WEIMAR. (fgw). Seit Ende Mai liegt nun der zweite Band von Silvia Stolzenburgs Mittelalter-Trilogie rund um den Bau des Ulmer Münsters vor. Diese Fortsetzung mit dem Titel “Das Erbe der Gräfin” spielt in der nächsten Generation. Helden des ersten Bandes waren zwei Liebespaare, das eine aus dem Milieu der Steinmetzen, das andere aus dem Adel stammend. Das Handwerkerpaar zieht, aus Ulm geflohen, in Strasbourg die Frucht der heimlichen Liebe zwischen der Frau des Landesherrn und einem Ritter wie ihren eigenen Sohn auf. In Band 2 macht dieser, nachdem er von seiner Herkunft erfahren hat, sich nach einem Streit mit seinen Zieheltern nach Ulm auf.
Einerseits hält eine Carpe-Diem-Mentalität Einzug, die in vielen Bereichen zur Verweltlichung führt; andererseits steigert sich die Gottesfurcht der verängstigten Menschen beinahe ins Ekstatische – eine Tatsache, die dazu führt, dass sich der gothische Kathedralenbau zu neuen Höhen aufschwingt. (…)
Die Kirche wird zu einem Ort der Anschauung, die Menschen sollen sehen, um zu glauben, und von Ehrfurcht ergriffen werden – nach dem Horror der Pestepidemie mehr denn je zuvor. Die Bedeutungslosigkeit des Menschen wird hervorgehoben, während ihm gleichzeitig die Freuden des Himmels vor Augen geführt werden und das Paradies kunstfertig inszeniert wird. (…) Aber nicht nur Gottesfurcht und Frömmigkeit treiben die Erbauer der Kathedralen an; nein, die Bauten werden auch zu einem Ausdruck bürgerlicher Macht, bürgerlichen Selbstbewusstseins und der wirtschaftlichen Potenz einer Stadt.”
Vor diesem Hintergrund macht sich nun Wulf Steinmetz, der 18jährige Ziehsohn des liebendes Handwerkerpaares aus dem ersten Band, auf den Weg nach Ulm und auf die Suche nach seinen ihm unbekannten Eltern, die nie auf Nachrichten seiner Ziehmutter reagiert hatten.
In Ulm will er am Bau des Münsters mitarbeiten und wird vom Baumeister auch eingestellt. Hier verliebt er sich auf Anhieb in dessen Tochter Brigitta. Und diese nach einigem Zögern auch in ihn. Doch Ortwin, ein hinterhältiger Gehilfe des Baumeisters, giert ebenfalls nach Brigitta. Nicht aus Liebe, sondern seiner Geldgier und Karriere wegen. Der Meister verspricht Ortwin auch die Hand seiner Tochter, die mit ihren gerade 14 Jahren in damaligen Zeiten ehemündig war. Doch wegen eines neuerlichen Pestausbruches kommt es nicht zur Zwangsvermählung. Brigitta gelingt es zu fliehen.
Ehe Wulf und Brigitta nach vielen Irrungen und Wirrungen endlich doch ein Paar werden können, gibt es für Wulf noch viele andere Abenteuer zu bestehen. Durch einen unglücklichen Zufall, eine Intrige des Mörders Ortwin, kommt er mit seinem Vater, dem Ritter Wulf von Katzenstein, zusammen. Beide lernen einander kennen und schätzen, der Vater anerkennt seinen illegimen Sproß als Sohn an, will ihn zum Ritter erziehen und sorgt für eine entsprechende Ausbildung des leidenschaftlichen Steinmetzen.
Es gibt noch ein zweites Liebespaar in dieser Geschichte: Der alte Wulf war nach dem Tode seiner Geliebten einsam und ohne Liebe geblieben, trotz standesgemäßer Ehe mit einer jungen Frau. Allerdings blieben sich beide Partner fremd und der alte Wulf stieß seine junge Frau bei ihren Annäherungsversuchen meist weg – er konnte seine alte und große Liebe nicht vergessen. Des Ritters Frau sieht zunächst im jungen Wulf eine Gefahr für ihre eventuellen Kinder. Doch durch das Glück von Vater und Sohn kann der Vater Wulf nun auch Liebe zu der jungen Frau entwickeln. Beide werden schnell ein glückliches Paar voller erotischer Leidenschaft. Gerade diese Passagen sind sehr anrührend und dennoch realistisch geschrieben.
Doch der junge Wolf fühlt sich nicht zum Ritter geboren. Seine Liebe zur verschwundenen Brigitta ist stärker als der Aufstieg in die Adelskaste. Sowohl Brigitta als auch Wulf haben sich auf die Suche nach dem jeweils anderen gemacht. Bis sie sich glücklich wiederfinden, hat vor allem Brigitta schlimme Erlebnisse zu überstehen, denn auch der brutale, lüsterne Ortwin macht sich auf die Suche nach ihr. Es gelingt ihm, sie in seine Gewalt zu bringen. Aber noch zur rechten Zeit ist Wulf zur Stelle.
Nach dem glücklichen Ausgang beider Suche macht sich der junge Wulf von Katzenstein zusammen mit seiner Frau und beider Sohn auf den Weg nach Mailand, wo Brigittas Vater inzwischen als Baumeister tätig ist. Obwohl er sich zu seinem Rittertum bekennt, bleibt der selbstbewußte und talentierte junge Wulf Steinmetz.
Der dritte Band dieser Trilogie ist für den Winter 2011/12 angekündigt. Man darf auf diesen schon jetzt gespannt sein…
Silvia Stolzenburg: Das Erbe der Gräfin. Roman. Edition Aglaia im Bookspot Verlag. München 2011. geb. m. Schutzumschl. 448 S. 16,95 Euro. ISBN 978-3-937357-45-4
[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]