Sieht aus wie ein normales Haus – ist aber ein modernes Plusenergiehaus

M1 Energieplus-Massivhaus, Foto: Andreas Kühl

M1 Energieplus-Massivhaus, Foto: Andreas Kühl

Über Plusenergiehäuser habe ich mich bisher nicht besonders positiv geäußert, obwohl das Thema eigentlich faszinierend ist für mich. Mich stört die Bilanzziehung über die Primärenergie, denn diese ist nur ein theoretischer Wert. Der Nutzer kann mit der Primärenergie nichts anfangen, er sieht nur die Endenergie bei der Stromrechnung oder bei der Rechnung des Brennstofflieferanten. Die Definition des Plusenergiehauses sagt dem Nutzer nicht aus, wie viel Heizenergie er benötigt.

Da ich aber offen bin und mich für diese Gebäude interessiere, habe ich mich gefreut die Baustelle eines Plusenergiehauses ansehen zu dürfen. Die Baustelle des M1 Energieplus-Massivhauses ist zum Glück nicht weit weg von mir und am Mittwoch war es endlich so weit.

Das Projekt M1 Energieplus-Massivhaus

Das Projekt M1  Energieplus-Massivhaus ist ein Gemeinschaftsprojekt des Baustoff-Herstellers Xella, des Massivbau-Unternehmens Elbe-Haus, der Haustechnik-Unternehmen Multitherm und Multiwatt, sowie der Planungsbüros Form Nord und WT Planungsgesellschaft mbH. Man will gemeinsam das Haus der Zukunft finden:

Ein Haus zu bauen, dass den Anforderungen der Zukunft entspricht und dabei vor allem anderen eine bezahlbare Lösung für durchschnittliche Bauherren bietet.

Herausgekommen ist ein Einfamilienhaus, das ohne utopische Technologien auskommt. Fast alle verbauten Baustoffe und Geräte sind heute schon auf dem Markt verfügbar. Lediglich der Mauerstein von Xella ist eine neue Entwicklung, die noch nicht erhältlich ist auf dem Markt. Ob es den Lithium-Ionen Batteriespeicher zu kaufen gibt, kann ich noch nicht sagen.

Dieses Haus ist damit von der Idee und der Ausführung schon mal völlig anders als das Effizienzhaus-Plus des Bundesministeriums, das so gar nichts mit einem herkömmlichen Haus zu tun hat und den Eindruck erweckt, wir müssten das Wohnen neu erfinden. Der Anspruch ein Haus zu bauen, das dem Bauherren einen langfristigen Wert bietet und wirtschaftlich interessant ist, auch über viele Jahre hinweg, wird nach meinem Eindruck erfüllt. Genaueres kann ich zur Wirtschaftlichkeit nicht sagen, soweit reicht mein Einblick nicht.

Herausgekommen ist dennoch ein Haus, das vom Effizienz-Standard besser abschneidet als ein KfW-Effizienzhaus 55 und zusammen mit dem vorgegebenen Stromverbrauch von 2.500 kWh im Jahr und der Anlagentechnik einen Primärenergiebedarf (oder Jahresenergieverbrauch) von weit unter 0 kWh/ Jahr hat.

Die Gebäudehülle

Wärmepumpe des Energieplus-Massivhauses, Foto: Andreas Kühl

Wärmepumpe des Energieplus-Massivhauses, Foto: Andreas Kühl

Das M1 Energieplus-Massivhaus ist das einzige Plusenergiehaus, das als Massivhaus ausgeführt wird, nach Angaben des Projektleiters Dieter Stricker, mich ich mich auf der Baustelle getroffen hatte. Alle anderen bisher realisierten und bekannten Gebäude, wurden als Fertighäuser realisiert. Für die Außenwände wurde ein neuer Stein von Ytong verwendet, der aus drei Schichten besteht. Die innere und äußere Lage sind Porenbeton und dazwischen befindet sich ein Kern aus hoch wärmedämmendem Ytong Multipor. Damit erreicht der Stein bei einer Wanddicke von 40 cm einen U-Wert von 0,15 W/(m²K). Auch die Bodenplatte kommt auf diesen guten U-Wert, zum Dach kann ich nicht viel sagen, außer dass die Dämmebene eine Stärke von 23 cm hat. Die Fenster erfüllen Passivhaus-Anforderungen mit 3-Scheiben-Wärmeschutzverglasung und einem U-Wert (Verglasung + Rahmen) von 0,6 W/(m²K).

Die Technik

Für die Beheizung des Gebäudes wird eine Außenluft Wärmepumpe ATEC der Firma Thermia eingesetzt, die im EG eine Fußbodenheizung und in den OG-Wohnräumen Wandflächenheizungen beheizen, bzw. im Sommer auch kühlen können. Zur Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung wird eine thermische Solaranlage mit Vakuumröhrenkollektoren und einem Kombi-Schichtspeicher eingesetzt. Thermische Solarenergie sind eher die Ausnahme bei Plusenergiehäusern, so meine bisherige Einschätzung,

PV-Module auf dem Dach des Energieplus-Massivhauses, Foto: Andreas Kühl

PV-Module auf dem Dach des Energieplus-Massivhauses, Foto: Andreas Kühl

Zur kontrollierten Wohnungslüftung wird eine Recco Box 300 von Aerex eingesetzt, also ein Standardprodukt, das auch in vielen anderen Häusern heute schon eingebaut wird.

Zum Herzstück der Technik, die für die positive Energiebilanz sorgen soll, gibt es nicht viele Informationen. Die Photovoltaik-Anlage besteht aus drei Teilen, da wäre die Dachanlage, die vertikalen Dünnschichtmodule an der Außenwand und die noch zu installierenden Module auf dem Carport. Damit kommt man insgesamt auf eine max. Leistung von 9 kWp.  Bis zu 48 kW können in den Batterien, im Haus (Lithium-Ionen Batterie war gefordert vom BMVBS) und im Elektroauto, gespeichert werden, weitere Angaben zum Speicher habe ich noch nicht. Der Speicher nimmt den Strom der PV-Anlage auf, gibt diesen an die Verbraucher im Haus ab, wie auch an das Elektroauto. Überschüsse in der Stromproduktion werden in das Netz eingespeist und bei Bedarf wird Strom aus dem Netz bezogen. Das  Elektroauto wird ebenfalls als mobiler Speicher genutzt.

Energiemanagement

Das Projekt wird nach dem Einzug der Testfamilie im Dezember ausführlich messtechnisch begleitet und dokumentiert.Dadurch wird man sehen, wie die theoretischen Berechnungen und Simulationen sich in die Praxis übertragen lassen. Ein Monitoring und ein Energiemanagement für die Bewohner ist nicht vorgesehen.

Bei Interesse werde ich weiter an diesem Projekt dranbleiben und, wenn möglich, von den gemessenen Daten und Erfahrungen berichten.

Sanierung

… ist hier nicht das Thema, es geht um einen Neubau. Aber interessant ist auch die Entwicklung in diesem Bereich. Der Blog Ecoquent-Positions hat hier kürzlich von einem interessanten Sanierungsprojekt berichtet, bei dem die Heizkosten auf ein Minimum reduziert werden konnten. Mehr solcher Berichte zeigen vielleicht, was mit der heutigen Technologie machbar ist.


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