„Sieh die Welt mal spielerischer“

Einmal habe ich mit Karla im Zug gesessen, wie so oft im vergangenen Jahr. Mein Arbeitstag war anstrengend.

Diese Ausstellung war wirklich blöd. Ich mochte die Bilder nicht, ich konnte da auch nichts drin sehen. Aber ihr geht ja mit uns auch nie in Ausstellungen“, sagt sie ärgerlich.

Man muss nicht zu allem was zu sagen haben, Karla.

Wie hieß der denn?

Sie nannte mir einen Namen. Ich kannte ihn nicht und gab ihn in die Suchmaschine ein. „Ach ich finde die Bilder ganz schön, so bunt.“

“ Die haben gesagt, er war „Moralist.  Mama?“

Ja.

„Ab wann ist ein Moralist ein Moralist?“

Im Nebenabteil sitzt eine Frau , etwas älter als ich. Sie beobachtet mit hellwachem Blick. Ich laviere, suche nach Worten, umschreibe.

„Gut, das habe ich verstanden“, sagt Karla genervt. „Aber  kann Kunst von einem Moralisten Kunst sein?“

Ich bin müde, die Gedanken lassen sich nicht zentrieren.  Was stellt das Kind auch für Fragen.

„Gibt da verschiedene Ansichten. Ich persönlich glaube, Kunst muss frei sein, aber in der DDR in der ich aufgewachsen bin, wie du weißt, gab es viele Skulpturen, Bilder die in Auftrag gegeben wurden, die den Menschen erziehen sollten. Ich fand die trotzdem schön. Das ging mir mit den Büchern oft anders.  Aber frag lieber Papa, Karla, der hat studiert.“

Karla greift zu „Hallo Mister Gott hier spricht  Anna“, sie bekam es unlängst als Wichtelgeschenk. „Dein Wichtel ist vermutlich erwachsen und intelligent, hatte ich freudig ausgerufen, als sie das Geschenk auspackte. „Was für ein wunderbares Buch!“

Der Zug fuhr los. Mama?

Ja.

Was heißt : eine Rose ist eine Rose ist eine Rose?

Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich das Geschenk des Wichtels immer noch so bejubeln würde.

Innerlich stöhne ich auf.

Das heißt, dass der Baum da draußen, also, den kannst du schön finden und ich finde ihn nicht schön, aber dem Baum ist das egal. Er ist unabhängig davon wie wir ihn finden. Bitte Karla , ich bin müde. Ich bin müde! Ich verhaspele mich, komme ins Stocken.

Karla schlägt das Buch zu, kramt in ihrer Tasche und holt das Mathebuch raus. Sie macht nie Hausaufgaben im Zug. Eigentlich.

Mama? Ich ergebe mich. Gnade!!! Bitte!

Ja.

Ich kann die Winkelberechnung nicht.

Ich auch nicht, aber das will ich nicht zugeben, schaue stattdessen angestrengt aus dem Fenster. Frag Papa nachher“, sage ich, der kann Mathe.

Das ist mir zu spät.

Karla bitte…..

„Mama?“, also wenn der Winkel…“ Habt ihr nicht vielleicht etwas in Bio auf?“, frage ich verzweifelt.“

„Soll ich dir helfen, Karla?“ Die Frau von nebenan, später erfahre ich, sie heißt Simone, sieht Karla fröhlich an.  Sie ist wach, präsent, ganz anwesend. Karla lässt kurz einen scannenden Blick über sie gleiten. „Ja, das wäre nett.“

Simone kommt herüber, beugt sich mit Karla über das Mathebuch. Es ist nicht so schwer wie ich dachte, am Ende der halben Stunde habe auch ich es verstanden. Wir sind in Dammtor, noch drei Minuten bis zum Zielbahnhof. Karla packt das Mathebuch ein, ich trage ihr die Mütze hinterher .“ Der Zug ist aber heute ungewöhnlich pünktlich“, Karla sagt es gewichtig und  erzählt von sämtlichen Verspätungen und Pannen des Jahres. Ich schreibe derweil einen Zettel: „Das ist meine Emailadresse, wenn sie wollen melden sie sich, ich würde mich gern revanchieren.“

„Machst du eigentlich etwas besonderes in der Stadt?“ Karla lächelt verschmitzt.

“ Kann man so sagen, glaube ich.“  Und was machen sie in Hamburg?

Nur durchfahren, ich habe meine Schwester in Kiel kurz abgepasst als sie auf dem Weg nach Norwegen war. Aber der Zug hatte Verspätung. Es blieb leider nur eine Stunde bis sie auf der Colorline eincheckte.

„Danke“, sagt Karla. Sie waren meine Rettung, meine Mutter kann kein Mathe. Simone winkt, faltet den Zettel auseinander.

Erst später lesen“, sage ich .

Wir haben uns dann an einem der letzten Tage des Jahres noch einmal  in Hamburg. getroffen. Sie kam mit ihrer Tochter den ganzen weiten Weg aus Münster. Der Zug hatte Verspätung. Zum Glück blieb noch Zeit für einen Kaffee .Es wurde ein besonderer Abend mit einem wunderbarem weisen, fröhlichen, musikalischen Feuerwerk, guten Gesprächen und Fröhlichkeit. Ich hoffe , dass dieser Abend ein Auftakt gewesen ist .

Dem Spiel mehr Platz in meinem Leben einräumen. Dem Leben in all seinen Strukturen auch eine spielerische Seite abzugewinnen, meinem Menschsein Tiefe, Spontanität, Offenheit und Aufmerksamkeit zu verleihen  ist mein Wunsch an mich im Jahr 2019.  Ein Dank geht noch besonders an  F. ohne die dieser Abend so nicht Zustande gekommen wäre.

Habt einen wunderbaren Start in das Jahr 2019.


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