Sie wollen nicht aufgeben

10.04.2013Hintergrund erstellt von Helmut N. Gabel

Inhaftierte Sufi-Derwische protestieren seit über 80 Tagen mit einem Hungerstreik gegen die unrechtmäßige Verlegung einiger Derwisch Brüder in Einzelhaft

Sie wollen nicht aufgeben

Kasra Nouri und Saleh Moradi gehören zum Nematollah Gonabadi Derwisch Orden im Iran. Außerdem sind sie Mitglieder einer weit verzweigten Familie aus Sarvestan, einer Gegend um Schiras .

Die Mitglieder dieses Ordens folgen einer Lebensphilosophie, die dem Regime im Iran zuwider ist. Anstatt, wie die Staatsräson es verlangt, Hass zu schüren und gegen Feinde verschiedenster Art zu agitieren, wie es die Vertreter des Regimes regelmäßig tun, praktizieren Derwische Toleranz und Nächstenliebe. In den letzten Jahrzehnten haben Derwische des Ordens Schulen, Krankenhäuser und Altenheime mit großzügigen Spenden und aktivem Einsatz aufgebaut. Sie erhielten viel Zuspruch aus der Gesellschaft dafür und vor allem junge Leute schlossen sich den Derwischen an, weil sie die Ideologie und Praxis der Regime Geistlichen als widerwärtig und Ablehnens wert empfanden.

Kasra Nouri und Saleh Moradi liegen geschwächt und abgemagert in ihren Zellen im Adel Abad Gefängnis von Schiraz. Sie wollen nicht aufgeben. Sie werden gezwungenermaßen über Infusionen am Leben erhalten. Die beiden Derwische fordern seit Mitte Januar 2013 die Rückverlegung ihrer Derwisch Brüder im Teheraner Evin Gefängnis aus der Einzelhaft in den Gruppentrakt.

Geheimdienstmitarbeiter haben zwischendurch versucht unter Drohungen und Anwendung von Gewalt die Streikenden zur Aufgabe zu zwingen. Vor einer Woche wurden sie vor eine Kamera gezerrt und gezwungen Brot zu essen, um die weltweiten Meldungen zu ihrem Hungerstreik als Falschmeldung bezeichnen zu können. Enge Familienmitglieder der beiden berichten, dass sie ihren Hungerstreik fortsetzen und dass die beiden auch nicht Appellen von Freunden, Weggefährten oder Verwandten folgen wollen den Streik zu brechen, bis nicht ihre Forderungen erfüllt sind.
Gespräche der Mutter von Kasra Nouri und der Ehefrau von Saleh Moradi mit dem Staatsanwalt vor Ort (Ali Alghasi Mehr) erwiesen sich als fruchtlos, denn er lehnte jeden Einfluss und jede Verantwortung für den Fall ab.
Gleichzeitig trat Ali Mazzafari, der Direktor des Adel Abad Gefängnisses, zurück mit dem Hinweis, er wolle die Ungerechtigkeiten gegen seine beiden Hungerstreikenden Insassen nicht länger mittragen. Mazzafari verabschiedete sich von den beiden indem er sie umarmte und sich bei ihnen entschuldigte.

Ende März nahm auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesrepublik Markus Löning in einer Pressemitteilung Stellung zu der Situation der Derwische im Iran und den im Hungerstreik befindlichen Kasra Nouri und Saleh Moradi.

Doch das scheint die Verantwortlichen kalt zu lassen.

Was steckt hinter den Verfolgungen der Derwische im Iran?

Das Regime begann den Einfluss der Derwische auf die Gesellschaft zu fürchten und startete noch zum Ende der Präsidentschaft von Khatami eine Verleugnungs- und Beschuldigungskampagne gegen diese Gruppe. Diese Kampagne wurde stärker vorangetrieben während Ahmadinedschads Amtszeit. Es war lange Zeit nicht erkennbar, wer genau aus dem komplex aufgebauten Staatsapparat der sogenannten Islamischen Republik hinter den Angriffen stand. Als aber Millionen von Protestierenden nach der inszenierten Wiederwahl Mahmoud Ahmadinedschads 2009 an den Ketten des Regimes rüttelten, definierte die Nomenklatura des revolutionären Velayat-e-faghi Systems einige Feinde. Diese Feinde werden angeblich vom Ausland gesteuert, um die bärtigen "Rechtschaffenen" von der Macht im Iran zu stürzen. Darunter zählen politische Oppositionelle, viele Journalisten, Blogger, Menschenrechtsaktivisten und andere Denker.

Der Oberste Führer Ali Khamenei selbst reiste im Herbst 2009 in die heilige Stadt Qom und zählte religiöse Feinde der Staatsideologie auf: Baha'i, Sunniten, konvertierte Christen und falsche Mystiker. Die Staatsideologie im Iran basiert auf religiösen Vorstellungen, manche Experten sprechen von einem korrumpierten schiitischen Islam. Zusätzlich versteht sich der Oberste Führer als Stellvertreter Gottes auf Erden. Nachfolgend hat eine vom Ministerium für Islamische Führung organisierte Ausstellung über Satanismus diese Feinde großformatig als unter dem Einfluss des Satans stehend dargestellt. Diese Darstellungen in Verbindung mit über 100 Büchern, die gegen Sufis hetzen, lösten Kampagnen aus, die zu Zerstörungen von Gebets- und Versammlungshäusern führten. Verschiedene fundamentalistisch gesinnte Mullahs und Anhänger Khameneis wie Panahian, Biranvand, Shabazi und andere führten diese Kampagnen an. Darüber haben wir hier schon oft berichtet.

Manche sprechen es offen aus, andere hinter vorgehaltener Hand: der Strippenzieher hinter diesen Angriffen sei Modschtaba Khamenei, der sich selbst als Nachfolger seines Vaters sieht.

Doch stets setzten sich die Derwische zur Wehr. Sie versammeln sich, singen, skandieren, halten Hände, schreiben Briefe und Appelle und gewinnen so immer mehr Sympathien bei der geschundenen Bevölkerung dafür, dass sie nicht alles über sich ergehen lassen. Dafür nehmen sie auch den Verlust ihres Lebens in Kauf.

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