Sie wird die Sonne nicht mehr sehn

Sonne in den B%C3%A4umen 150x150 Sie wird die Sonne nicht mehr sehnSie steht am Bahnsteig. Sieht ihr bisheriges Leben vorbeiziehn. Bedenkt noch einmal ihren beschlossenen Schritt. Dieses einen. Ganz besonderen. Nur für sich. Beobachtet wieder und wieder die ein- und ausfahrenden Züge. Hat keine Angst. Will nur nicht den einzigg richtigen Zeitpunkt verpassen. Alles soll genau so sein, wie sie es in Gedanken schon tausendmal durchgespielt hat.

Und dann geht sie ihn.

Den einen Schritt.

Genau in dem Moment, als der Zug einfährt.

Kein Gedanke mehr an niemanden. Nicht an die Menschen um sie herum. Nicht an die, die sich über ihren Entschluß wundern werden und sie – wieder – nicht verstehen.

Dann nur noch Dunkelheit, Stille und Frieden…

So oder zumindest so ähnlich stelle ich mir vor, was in der Frau am letzten Dienstag auf dem S-Bahnhof durch den Kopf ging, kurz bevor sie beschloß, sich das Leben zu nehmen…

Gerade, als um sie herum eine große Menge Menschen in Berlin unterwegs waren, auf dem Heimweg von einem anstrengenden Arbeitstag oder unterwegs zu einem wunderschönen Date mit einem ganz besonderen Menschen…

Gerade, als ich meine Schicht dort als Aufsicht hatte…

Gerade an einem Tag, an dem ich der Sicherheit kurz vorher versicherte, daß es ein besonders ruhiger Tag war…

Warum gerade dort? Warum gerade an diesem Tag, zu diesem Moment? Warum überhaupt?

Diese Fragen kann sie mir nicht mehr beantworten und auch nicht dem Fahrer, oder der Zeugin, die beide anschließend bei mir in der Aufsicht saßen und ziemlich fertig von dem Ereignis waren.

Bei mir kam das irgendwie erst ein paar Tage später.
Diese Fragen… diese dummen “Warum?”-Fragen… und die Vorwürfe… und die Schreckgespenster, die mich seit dem besuchen… und die Selbstzweifel…

Die Frage warum sie es getan hat, bzw. wie jemand so weit kommen kann habe ich am ehesten beantworten können: Das kann ganz leise und schleichend wachsen und dann ist da nur noch dieses Gefühl… ohne mich sind alle besser dran… das nächste Auto ist meins… merkt ja doch niemand… alle Sorgen sind dann weit, weit fort… ganz schnell…
Wer Susan gelesen hat und mich etwas kennt weiß, daß ich selbst an dieser Schwelle stand – und froh bin, nicht gesprungen zu sein! DAS hätte ich der Frau gerne erzählt…

Und trotzdem war ich wütend auf sie – bin es immer noch ab und zu…

Ihr Verhalten hat so viele Menschen geschockt und ich könnte mir durchaus vorstellen, daß es bei manch einem ein so bleibendes Erlebnis war, daß sie es wirklich nie, niemals vergessen werden.

Nach meinem Urlaub werde ich versuchen, wieder arbeiten zu gehen… Zur Zeit bin ich krank geschrieben und unterhalte mich auch regelmäßig mit einem Psychater, weil da immer noch dieses “Ich hätte etwas tun müssen!”-Gefühl in mir ist… und die Angst, beim nächsten einfahrenden Zug wird es wieder passieren… und diese erschreckenden Momente, wenn ich plötzlichen Geräuschen ausgesetzt bin und aufschreiend zusammenzucke… weil ich immer noch unkontrolliert anfange zu weinen…

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