Sie nahmen ihm die Luft zum Atmen!

Von Wernerbremen

Ihr Lieben,

ich möchte Euch heute eine traurige Geschichte erzählen, die ursprünglich von einem unbekannten Autor stammt und von mir ein wenig überarbeitet wurde:

„Sie nahmen ihm die Luft zum Atmen“

„Das ganze Dorf war unterwegs. Schwer schwankte der Sarg, der von 6 jungen Männern getragen wurde. Fast alle Dorfbewohner und auch etliche Bewohner der umliegenden Orte waren zu der Beerdigung von Holger gekommen, um den Eltern und seinen Geschwistern ihr Beileid auszusprechen und Holger das letzte Geleit zu gehen.
Der lange Zug der Beerdigungsgäste, die den Sarg begleiteten, näherte sich langsam dem Friedhof. Unter den Trauergästen waren viele Menschen zu sehen, die schluchzten und sich immer wieder mit einem Taschentuch die Tränen aus den Augen wischten.

Was war geschehen? Holger, der Sohn des angesehenen Bürgermeisters hatte sich vor einen Zug geworfen und damit seinem Leben auf eine so furchtbare Weise ein Ende gesetzt.
Keiner verstand, warum Holger diesen Schritt gegangen war und alle waren der festen Überzeugung, dass er doch alles im Leben hatte, um glücklich zu leben.

Was war in seiner Kindheit und Jugend nur geschehen?


„Das darfst du nicht“, sagte der Vater. Gläubig blicke der kleine Holger zu ihm auf und ließ es sein.


„Dafür bist zu klein“, erklärte die Mutter. Respektvoll zog Holger sich zurück.


„Auch dies ist nicht gut“ erzog ihn der Vater.


„Und jenes nicht recht“, erzog ihn die Mutter.


„Wenn große Leute sprechen, haben Kinder nichts zu sagen“, ermahnte man ihn.
Also schwieg Holger bescheiden.


Stell Dich nicht so dumm an!“, rügte der ihn Lehrer.
Und Holger ließ das Fragen.


Holger ist so linkisch und gar nicht gesprächig“, langweilten sich die Mädchen.
Das munterte Holger gar nicht auf.


Sitz nicht im Hause herum!, rügte der Vater.


Was suchst Du auf der Straße?“, rügte die Mutter.


Holger scheint mir verklemmt zu sein“, meinte der Arzt.


Verschlossen!“, sagte sein Lehrherr.


Verträumt. Was soll aus ihm werden?
Ich kann Holger nicht brauchen“, urteilte sein Chef.


Holger vergrämt mir die Kundschaft. Er spricht kaum. Er hat keinen eigenen Kopf. Er fragt aber auch nichts. Holger ist ein seltsamer Kauz!


Organisch ist Holger gesund!“ urteilte der Arzt.


Und Holger war so ein hübsches Kind“, flüsterten die Nachbarn.


Alle kümmerten sich um ihn: die Familie, die Schule, nichts fehlte ihm.

Aber er wurde mit seinem Leben nicht fertig. Die Eltern sind zu bedauern!

Ihr Lieben,


Wir können etliche Tage darauf verzichten, etwas zu essen.

Wir können nur wenige Tage darauf verzichten, etwas zu trinken.
Wir können aber nur wenige Minuten darauf verzichten, zu atmen.

Atmen zu können – das ist für uns lebenswichtig.


Auch wenn wir die Luft nicht sehen, sondern nur im Lufthauch oder im Sturmgebraus wahrnehmen, so ist sie doch für uns lebensnotwendig.


Wer uns die Luft zum Atmen nimmt, nimmt uns gleichzeitig das Leben, der tötet uns.


Unsere heutige Geschichte möchte uns auf etwas ganz Wichtiges hinweisen:


Damit unsere Kinder und Enkelkinder zu starken Persönlichkeiten heranwachsen können, müssen wir ihnen erlauben, eigene Wege zu gehen, einen eigenen Willen zu entwickeln, eine eigene Meinung zu entfalten.


Wenn wir das nicht tun, wenn wir mit ihnen umgehen wie die Menschen in unserer heutigen Geschichte, dann geschieht das Gleiche wie bei der Luft:


Wer nicht duldet, dass die Kinder und Enkelkinder eigene Wege gehen, einen eigenen Willen entwickeln und eine eigene Meinung entfalten, nimmt den Kindern und Enkelkindern quasi die Lebensluft.


Im Deutschen kennen wir den Ausdruck „Jemanden mundtot machen“.

Jemandem zu verbieten, sich zu entfalten, sich entwickeln zu dürfen,
das kommt einem Mord gleich!


Das sollte uns klarmachen, wir wichtig es ist, dass unsere Kinder und Enkelkinder lernen, ihren eigenen Weg zu gehen, eigene Meinungen zu entwickeln und einen eigenen Willen zu bekunden.
Wenn sie das lernen, werden sie zu selbstständigen starken Persönlichkeiten heranreifen und damit geschätzt sein vor Menschen, die mit ihnen etwas tun wollen, das sie nicht wollen.


Diese kleine Geschichte ist aber auch wichtig für uns selbst:


Wenn wir glücklich und zufrieden durch unser Leben gehen wollen, müssen auch wir lernen, uns  frei zu machen von Einflüssen, die nicht gut sind für uns, dann müssen auch wir lernen, unsere eigene Meinung zu vertreten, auch wenn manche unserer Meinung nicht zustimmen können, und dann müssen wir lernen, tapfer Schritt für Schritt unseren eigenen Weg zu gehen, auch wenn das dem einen oder anderen nicht gefällt.


Ich wünsche Euch einen fröhlichen Sonntagnachmittag und grüße Euch herzlich aus Bremen.


Ich werde bei dem schönen Wetter gleich erst einmal eine kleine Radtour machen


Euer fröhlicher Werner

Quelle: Karin Heringshausen