Sich selbst adelnder Adel

Braucht die Politik mehr Adel, fragt Alexander Joachim Graf von Schönburg-Glauchau in Deutschlands größtem Revolver- und Blaublüterblatt. Natürlich seien Adlige nicht von Natur aus die besseren Politiker, besänftigt er. Aber... ! Nach der Beschwichtigung ein Aaaber mit langgezogenem A, eine Wende, damit eine Bestätigung des Gegenteils - ein rhetorisches Stilmittel, das man ja hinlänglich kennt. Aaaber, meint Schönburg also, der Adel stehe für Tugenden - für Aufrichtigkeit, für Geradlinigkeit, für Rückgrat.

Es darf nicht verwundern, wenn ein Spross aus verarmenden Adel, der Graf Alexander ja ist, ein letztes Hohelied auf den Adel anstimmt. Er, Bruder der Gloria von Thurn und Taxis (Die Dame, die aristokratisch höflich einst feststellte, dass "Neger gerne schnackseln".), schrieb vor geraumer Zeit ein Buch über stilvolles Verarmen - ein Buch, das als Spöttelei auf jeden Sozialhilfebezieher gemeint sein könnte; denn wenn sich da ein adliger Dandy nonchalant über die langsam einschleichende Armut seiner Familie und seines Standes ergießt, dabei deutlich macht, wie schlecht es um ihn schon bestellt ist, weil er sich nur einen Urlaub im Jahr zulegen kann, dann darf man das getrost als dekadentes Parlando abtun - zumal er im gleichen Atemzug von Kurzaufenthalten in London und Paris berichtete, die er sich dann und wann einrichtet.

Aufrichtigkeit, GeradliniSich selbst adelnder Adelgkeit und Rückgrat! Angestoßen wird diese gesamte Debatte vom Gott des heutigen Adels, von Karl Theodor von und zu Gottesberg - und wie man neulich bei Plasberg sehen konnte: da bekommt ein ganzer Stand Auftrieb, da fühlt man sich wieder bestätigt, doch Primus zu sein - nicht inter pares freilich, man steht für sich. Graf Alexander erwähnt ja, dass es auch nichtsnutzige Adelige gibt, spricht aber im selben Satz von den Herren Weizsäcker und Dohnanyi, die den besseren Fall des Adligen darstellten - wie das gerade bei letzterem gemeint ist, kann leider nicht festgestellt werden; vielleicht ist er ja ein über viele Ecken angeheirateter Onkel des journalistischen Grafen, der gelobt sein will. Trotz allem, es gibt sie, die lotterhaften Adligen, läßt uns Alexander von Schönburg wissen - warum er allerdings nicht löblich über den Adel scSich selbst adelnder Adelhrieb, als die vormalige Koryphäe des deutschen Adels in aller Munde war - die, die vor Guttenberg die Tagespresse bestimmte, erklärt er nicht. Damals, als Ferfried Prinz von Hohenzollern noch auf gelifteten Plastikweibchen rumzuckelte: wo sang er damals seine Hymne auf den Adel? Wo war er, als Ferfried, dieser neumodisch lüsterne Erzherzog Luziwuzi seinen offenen Hosenstall zu einem öffentlichen Hosenstall, zu einer res publica quasi machte? Luziwuzi, dies sei noch erklärend nachgeschoben, hieß eigentlich Ludwig Viktor und war Bruder des feschen Franzel, Kaiser Franz Josephs I. von Österreich. Er war ein ausgesprochen geiles Knäblein, fast so wie Ferfried - bloß in schwul. Er feierte homosexuelle Sausen und verweigerte seinen männlichen Saunagästen das Handtuch oder eine frisch bereitgelegte Unterhose für danach, um gegen deren Willen gar herrscherlich an den baumelnden Gemächtern zu pusseln - aber das war ja auch nur ein inzestuöser Habsburger; der deutsche Adel war von jeher anders: preußischer, gedrillter.

Vergessen sei übrigens auch nicht der Vorgänger des Vorgängers, Ernst August Prinz von Hannover mit Titel, ein äußerst charmanter, aufrichtiger, geradliniger Mann mit Rückgrat und Regenschirm. Hätte sich damals eine öffentliche Diskussion darüber entfacht, ob man einen Adel, dessen einzige Geradlinigkeit darin besteht, geradlinig an Expo-Pavillione zu pissen und dessen einzige Aufrichtigkeit es ist, nach fürstlich vollbrachten Besäufnis aufrecht zu stehen: was hätten sie doch not amused Sich selbst adelnder Adelgeunkt! Wir sind aber doch nicht alle so!, hätten sie gewinselt. Aber nun, da ein Messias blauen Blutes die Szenerie betreten hat, der das Spiel mit dem Blendwerk gar herzoglich beherrscht, da wollen sie eine Diskussion anstoßen; da rufen sie: Wir sind fast alle so gut und fein wie er! Jetzt kriechen selbst jene adligen Sprösslinge ans Tageslicht, die von sich behaupten, heute schwer bürgerlich in Ordnung zu sein - sind sie ja, aber adliger Herkunft sind sie eben auch; und ihre Erziehung und ihre Bildung und ihre feine Familiengeschichte nebst Stammbaum und ihr Zusammengehörigkeitsgefühl wollen sie lautstark betonen. Ein bisschen Profit rausschlagen aus der Renaissance der Aristokratie. Von Guttenberg profitieren - aber zu Prinz Foffi jede Verbindung leugnen! Der Adel, er ist einfach das bessere Bürgertum! Nichts mehr Müßiggang, nichts mehr Luziwuzi oder Foffi: heute ist der Adel weniger Privileg als Verpflichtung zur harten Arbeit, weniger Bequemlichkeit als absoluter Leistungswille - noblesse oblige!

Guttenberg ist da nur das Paradebeispiel für viele andere Aristokraten, er ist nur der Primus - inter pares! Jetzt darf man inter pares hintendrein schieben, jetzt ist man ja unter sich. Graf Alexander deutet die Freundlichkeit mit "einfachsten Menschen" zu sprechen, zu einer Tugend, die zwar auch untadelige Unadelige besitzen können: mit aristokratischer Erziehung gelingt dergleichen aber sicherer. Dass der einfachste Mensch überhaupt als Begriff stattfindet, zumal in einer Diskussion, die mehr Standesdünkel offenbart als objektive Betrachtung überhaupt jemals möglich erscheint; eine Diskussion, die eine staubige Klasse wieder renovieren will: das sagt eigentlich schon alles aus! Wenn der Adel sich so herausputzt, wenn er Ideale als zwar universell und damit auf Unadelige übertragbar, aber vorzugsweise als aristokratisches Selbstverständnis verkauft, dann geht es nicht um Integration des Adels, dann beweist er nur seine Integrationsunwilligkeit, um bei den Begrifflichkeiten des politischen Alltags zu bleiben.

Der neue Erlöser der Noblesse, er ist einer der reichsten Männer im Lande; er betreibt ein Unternehmen, so berichtete das Magazin Zapp zu jener Zeit, als Guttenberg ins große politische Geschäft einstieg, welches seinen Reichtum verwaltet - und Alexander von Schönburg endet mit der Sentenz, dass es völlig genüge, wie Guttenberg zu sein! Es genügt also, ein eigenes Geldverwaltungsbüro zu besitzen! So sein wie er: Steuererleichterungen für Milliardenunternehmen fordern und Sozialstaatsstraffung vorschlagen, wie er das in einem seiner seltenen offenen Momente einem Magazin mitteilte. Der Vorreiter neuer Adelsverantwortung, die diesmal ja freiwillig vom Volk angenommen werden soll, er ist wahrlich integriert, kein verschrobener Spinner mit blauem Blut. Integrationspolitik betreiben hieße heute allerdings auch: die über Jahrhunderte erlangten Pfründe einer privilegierten Schicht in Staatsbesitz überführen, denn laut Grundgesetz verpflichtet nicht Adel, sondern Eigentum...


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