Oft kommt es im Leben anders, als man denkt, und manchmal kann keiner voraussehen, wohin einen der Weg führen wird. Eine Binsenweisheit scheinbar, aber eine, die sich immer wieder bewahrheitet. So auch in der Biographie von Uwe Schuster, der in dem Buch „BOX! Du hast nur diese eine Chance“ (erschienen im Heyne Verlag) aus seinem Leben erzählt.
von Ilka Lohmann
Der Anfang war eine vielversprechende Boxer-Karriere in der DDR, doch dieser Traum zerplatzte, weil Schuster die extremen Trainingsbedingungen, die seinen körperlichen und physiologischen Konditionen nicht zuträglich waren, nicht ertragen konnte. Er schaffte hier den Ausstieg, ehe sein Körper größeren Schaden genommen hatte.
Dann die Rückkehr in die Vaterstadt Halberstadt, die Lehre als Maschinenbauer und ausgiebiges Kommunardenleben, schließlich die Verpflichtung bei der NVA, die mit einer unehrenhaften Entlassung endete – der Liebe wegen.
Schuster berichtet nun von einem nicht ganz gewöhnlichen Leben in der Mangelwirtschaft des real existierenden Sozialismus. Immer wieder Schwierigkeiten mit der Wohnung, Schimmelbefall und Atemwegserkrankungen. Eheschließung, Ehescheidung. Doch nebenher auch viel Kreativität.
Schließlich, Ende der 1990er Jahre, sind zwar die Wirren der Wende gerade so überstanden, aber die familiären Probleme beginnen gerade erst. Um einen Ausweg zu finden, schließt Schuster an seine eigene Jugend an – das Boxen. Zuerst trainiert er nur den eigenen Sohn, später eröffnet er in Halle ein Profi-Boxcamp.
Die Lektüre dieser Lebensgeschichte ist sehr spannend. Das Buch erzählt einfach und schnörkellos. Im Plauderton kommt es daher und nimmt den Leser mit, der unter anderem Einblicke bekommt in die Sportlerausbildung in der DDR und hinter die Kulissen des Profiboxens schauen darf. Ein Blick allerdings, der viele Illusionen zerstören kann. Denn Schuster, dem der Journalist Philipp Kohlhöfer bei diesem literarischen Unterfangen zur Seite stand, berichtet offen und ungeschönt und nimmt kein Blatt vor den Mund. Auch nicht, wenn es um eigene persönliche Angelegenheiten geht.
Ehrlich erzählt er, wie seine erste Ehe scheiterte und wie sein Sohn auf die sprichwörtliche schiefe Bahn von Drogenkonsum und Jugendkriminalität geriet. Unter anderem erzählt Schuster, wie er und seine erste Frau in DDR-Jahren ihr spärliches Einkommen aufbesserten, in dem sie in Eigenproduktion Kunsthandwerk herstellten und damit auf Märkten vertreten waren.
Dieser Erfindungsreichtum ließ Schuster nicht im Stich. Immer wieder gelang es ihm in seinem Leben, sich auf neue Situationen einzustellen und das Beste daraus zu machen. Und er selbst sagt an einer Stelle, daß es nicht schlimm sei hinzufallen, selbst wenn es wieder und wieder geschehe… Wichtig sei nur, immer wieder aufzustehen. Das sind keine Lehren Worte, sondern Lebenserfahrungen.
Schusters und Kohlhöfers Buch ist nicht zuletzt auch ein Stück Zeitgeschichte. Wenngleich der große Sprung nach dem Ende der Wendezeit ein wenig irritiert, weil die Geschichte scheinbar nahtlos im Jahr 1999 ankommt.
„BOX! Du hast nur diese eine Chance” ist keine große Literatur, erhebt aber auch nicht den Anspruch, dergleichen zu sein. Es ist die nicht ganz so einfache Lebensgeschichte eines nur auf den ersten Blick einfachen Mannes. Eine lohnenswerte Lektüre.
[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]