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Ist es mangelnde Sensibilität, eine kalkulierte PR-Masche oder aufrichtige Anteilnahme? In ihrem Song „XO“ aus dem brandaktuellen Album „Beyoncé“ verwendet die US-amerikanische R’n'B- und Soul-Sängerin Beyoncé Audioaufnahmen von einer der wohl tragischsten Unfällen der bemannten Raumfahrt: Der Challenger-Katastrophe vom 28. Januar 1986, bei der alle sieben Crew-Mitglieder den Tod fanden. Beyoncé war damals knappe fünf Jahre alt.
Gleich am Beginn des Songs hört man: „Die Flugkontrolle schaut sich die Situation hier ganz sorgfältig an. Es ist offensichtlich eine größere Fehlfunktion.“ Wenige Sekunden danach – noch in der Aufstiegsphase – explodiert das Space Shuttle Challenger! Im Musikvideo zu „XO“ sieht man eine laut lachende Beyoncé mit Freunden auf einem Rummelplatz mit Hochschaubahn und miteinander kollidierenden Autoscootern. Gegenüber dem Nachrichtensender ABC teilte die Witwe von Challenger-Kommandanten Francis Richard „Dick“ Scobee mit: „Wir sind schwer erschüttert, dass ein Audioausschnitt von jenem Tag, an dem wir unsere heldenhafte Challenger-Crew verloren, für den Song ‚XO‘ verwendet wurde. Der in diesem Song aufgenommene Moment ist emotionell sehr schwierig für die Familien, Kollegen und Freunde der Crew. In unseren Erinnerungen konzentrieren wir uns stets darauf, wie unsere Geliebten gelebt haben und wie ihr Erbe heute weiterlebt, und nicht, wie wir sie verloren haben.“ Weitaus heftiger bringt es Keith Cowing von NASA Watch auf den Punkt: „Die Auswahl dieses historischen und ernsten Audioausschnitts ist bis auf das Extremste unangemessen. Es wäre, als würde man Walter Cronkites Mitteilung über den Tod von Präsident John F. Kennedy oder 911 Anrufe vom Anschlag auf das World Trade Center als Schockwirkung für einen Popsong verwenden!“
Diese harsche Kritik geht an Beyoncé nicht spurlos vorüber: „Mein Herz ist bei den Familien, die einen geliebten Menschen bei der Challenger-Katastrophe verloren haben. Der Song ‚XO‘ wurde mit der ernsthaftesten Absicht aufgenommen, jenen zu helfen, die einen geliebten Menschen verloren haben, und uns zu erinnern, dass unerwartete Dinge immer passieren können. Daher liebt und schätzt jeden Moment, den ihr mit jenen habt, die euch am meisten bedeuten. Die Songwriter haben den Audioausschnitt als Zeichen der Ehrerweisung für die selbstlose Arbeit der Challenger-Crew aufgenommen mit der Hoffnung, dass sie niemals vergessen werden.“
Die Abkürzung „XO“ bedeutet Umarmung und Küsse – vielleicht hätte das Team von Beyoncé diese Botschaft vor der Veröffentlichung mit den Hinterbliebenen der Challenger-Opfer Francis R. Scobee, Michael J. Smith, Ronald McNair, Ellison Onizuka, Judith Resnik, Greg Jarvis und Christa McAuliffe abklären sollen.
Recherche und geschrieben Heidi Grün