"Shitstorm" ist Anglizismus des Jahres 2011

Sprach-Blogger von Spektrum der Wissenschaft kürt wichtigsten Wort-Import
Sprachforscher und Öffentlichkeit sind sich einig: Das Wort "Shitstorm" war im Jahr 2011 der wichtigste Neuimport in die deutsche Sprache. Eine Jury unter dem Vorsitz des Anglistik-Professors Anatol Stefanowitsch von der Universität Hamburg wählte den Begriff aus insgesamt 20 Nominierungen wie "Occupy", "Stresstest" oder "Cyberkrieg". Auch in der gleichzeitigen Publikumsbefragung hatte "Shitstorm" die Nase vorn: Es vereinte 20 Prozent der über 3000 abgegebenen Stimmen auf sich.
Aus: Spektrum der Wissenschaft, scilogs
Ein Shitstorm ist eine plötzlich auftretende, sachfremde, häufig beleidigende und unkontrollierbare Reaktion einer breiteren Netzöffentlichkeit jenseits einer üblichen oder erwartbaren Diskussion", erklärt Jurymitglied Susanne Flach, Sprachwissenschaftlerin an der Freien Universität Berlin. Empörung über vermeintliche oder tatsächliche Verfehlungen von Politikern oder Unternehmern verbreitet sich dabei rasend schnell über Twitterbeiträge, Facebookmeldungen und andere Internet-Kanäle, sodass das Thema binnen kurzer Zeit sehr viele Menschen erreicht.
Das Wort habe alle Eigenschaften eines guten Lehnworts, begründet Stefanowitsch das Urteil der Jury. "Shitstorm" bezeichnet eine neue Art der Beteiligung an öffentlichen Vorgängen, die durch das Internet erst möglich wurde und für die es deshalb vorher auch kein Wort gab. Das Wort fügt sich außerdem problemlos in die Lautstruktur und Grammatik des Deutschen ein. Ein deutsches Wort mit der gleichen Funktion dagegen nicht in Sicht." Der Begriff sei zwar derb, aber durchaus gesellschaftsfähig.
Der Wettbewerb "Anglizismus des Jahres" hat seinen Ursprung auf SciLogs.de, dem größten deutschsprachigen Blogportal zur Wissenschaft. Stefanowitsch publiziert auf dem vom Verlag Spektrum der Wissenschaft betriebenen Portal seinen „Sprachlog“-Blog. Seit 2010 kürt der Sprachwissenschaftler jedes Jahr ein englisches Lehnwort, das die deutsche Sprache in besonders interessanter Weise bereichert. "Das Wort muss dabei nicht brandneu sein, aber es muss im betreffenden Jahr erstmals im breiteren Sprachgebrauch aufgetreten sein", so Stefanowitsch. Der Wettbewerb soll das Bewusstsein dafür schärfen, dass die Entlehnung von Wörtern aus fremden Sprachen ein natürlicher Prozess ist und dass Lehnwörter einen positiven Beitrag zur Entwicklung des deutschen Wortschatzes leisten.
"Das Deutsche wird nicht etwa von überflüssigen Lehnwörtern überflutet, wie es die Sprachpuristen oft behaupten. Stattdessen ist die Entlehnung von Wörtern ein aktiver Prozess, bei dem die deutsche Sprachgemeinschaft gezielt Wörter für neue Technologien und kulturellen Praktiken aus dem Englischen und anderen Sprachen übernimmt und in die deutsche Lautstruktur und Grammatik integriert“, so Stefanowitsch. Der Wettbewerb fand 2010 zum ersten Mal statt, damals wurde das Wort leaken ("geheime Informationen gezielt und zum Wohl der Allgemeinheit anonym veröffentlichen") von der Jury und vom Publikum einstimmig auf den ersten Platz gewählt. Die Wörterwahl fand nicht nur in Deutschland Beachtung: Auch der britische "Guardian" berichtete.
Weitere Informationen:
http://www.spektrumverlag.de
http://www.anglizismusdesjahres.de
[email protected]
Kontakt:
Prof. Dr. Anatol Stefanowitsch Anglistische Sprachwissenschaft, Universität Hamburg,
0170 665 63 55,[email protected].
Im Netz: http://www.scilogs.de/sprachlog
Die Jury:
Susanne Flach, M.A.
Anglistin mit Schwerpunkt Sprachwandel, Freie Universität Berlin,
[email protected].
Im Netz: http://www.extraflach.de/blog
Kristin Kopf, M.A.
Germanistin mit Schwerpunkt Sprachwandel, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,
[email protected]
Im Netz: http://www.schplock.de
Michael Mann, M.A.
Germanist mit Schwerpunkt Computerlexikographie,Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg,
[email protected].
Im Netz: http://www.lexikographieblog.wordpress.com
Dr. Jan Wohlgemuth
Allgemeiner Sprachwissenschaftler mit Schwerpunkt Lehnworttypologie, Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie, Leipzig,
[email protected].
Im Netz: http://www.linguisten.de

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