[Erstveröffentlichung: 4. September 2009]
Es verstand sich von selbst, dass ich nach Katayun Amirpurs’s Biographie der Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi nun auch die Autobiographie las; lesen musste. Und mit den gleichen Verständnisschwierigkeiten zu kämpfen hatte.
Mir fällt es unglaublich schwer, im Islam – also in der Religion – einen Ausweg aus der gesellschaftlichen Krise des Iran zu erkennen. Nachzuvollziehen, dass ein demokratischer Umbau des Landes auf Grundlage des Islam möglich sein könnte.
Natürlich ist es schwer, von Außen, als Mitteleuropäer, als Atheist diese Gedanken nachzuvollziehen. Ich kann nur versuchen, Ebadi zu verstehen und ihren Ideen zu folgen, diese aber definitiv nicht als die meinen anerkennen. Möglich, dass das der einzig gangbare Weg ist, der zu Änderungen in Iran führen kann; möglich aber auch, dass er nur dazu führt, aus der derzeitigen Diktatur eine „weichgespülte“ Diktatur zu machen. Solange der Wächterrat existiert und mit dieser für einen Demokraten unverständlichen Machtfülle ausgestattet ist, kann meiner Meinung nach keine – wie auch immer geartete – demokratische Ordnung in Iran errichtet werden. Doch das ist meine Meinung. Shirin Ebadi ist da anderer.
Sie geht davon aus, dass das System Iran auch von innen her, aus einer Neuinterpretation des Islam her, verändert werden kann und muss. So wie diese tapfere Frau im Kleinen für die Frauen- und Menschenrechte eintritt – und damit den übermächtig scheinenden Mächtigen in Iran entgegen – so muss man davon überzeugt sein, dass diese Überzeugung nicht nur „daher geredet“, sondern fundiert sein muss. Denn es ist das Lebenselixier einer starken, tapferen und gläubigen Muslimin.
Deshalb kann ich diese Überzeugung nicht verurteilen (obwohl ich sonst damit schnell bei der Hand bin, wenn es um Religionen geht); vielleicht ist diese Änderung des Systems innerhalb des Systems tatsächlich der „dritte Weg“, den das Land gehen muss. Auch wenn mich Zweifel befallen, denke ich an das Ende der DDR. Auch hier gab es Menschen, die überzeugt davon waren, das dieses verrottete und eingelaufene System von innen heraus zu reformieren wäre. Wir alle wissen, was aus diesen Ideen wurde…
Und vielleicht wünsche ich mir deshalb auch, dass Shirin Ebadi Recht mit ihren Überzeugungen hat. Denn richtig ist, dass Iran keine Zwangsbeglückung des Westens benötigt und erträgt. Dies Volk hat bewiesen, dass es zu Demokratie fähig ist. Und der „Westen“ hat bewiesen, dass er einen Abfall eines gern als Kolonie betrachteten Landes von den eigenen, den westlichen Werten, nicht erträgt. Ich erinnere nur an Mossadegh…
Doch nun tatsächlich ein paar Zeilen zum Buch. Diese Autobiographie zeigt eine bescheidene Frau, die den Friedensnobelpreis nie als nur an sie verliehen betrachtet hat. Sondern als Symbol verstand für all die, die gegen das diktatorische Mullah-Regime die Stimme erhoben und noch immer erheben. Und es sind oft die leisen, die kaum hörbaren Stimmen Einzelner, die ein System verändern. Die Anwältin Ebadi schreibt in der Autobiographie über einige der Fälle, in denen sie die Unterdrückten, Verfolgten; die Opfer vor Gericht vertrat. Und selbst wenn sie die Prozesse oft genug verloren hat, so hat sie erreicht, dass die Diktatur zwar nicht weniger repressiv wurde; aber die Menschen ein Bewusstsein der Ungerechtigkeit entwickelten, der sie täglich ausgesetzt wurden und werden.
Ich mache mir keine Illusionen, dass ich mich ganz [in mein Privatleben] zurückziehen könnte, denn das würde bedeuten, dass der Iran sich geändert hat und Menschen wie ich nicht länger gebraucht würden, um die Iraner vor ihrer Regierung zu schützen. Sollte ich diesen Tag noch erleben, werde ich mich zurücklehnen und aus der Abgeschiedenheit meines Gartens heraus den Bemühungen der nächsten Generation Beifall spenden. (Seite 292)
Ich wünsch Shirin Ebadi ein langes Leben im blühenden Garten.
Vor vielen Jahren gab es ein Lied, das auf jedem politischen Liederabend gespielt und gesungen wurde: „das weiche Wasser bricht den Stein“.
Shirin Ebadi ist einer von den ungezählten Tropfen, die nötig sind, um einen als stabil angesehenen Staat ins Wanken zu bringen. Sie ist – selbst wenn sie sich zum Teil von den Studentenunruhen vor zehn Jahren distanziert – ein Teil der heutigen grünen Bewegung
Nic