Nachts ist es leise in Teheran ist einer der fünf Debütromane, die es auf die Shortlist des Bloggerpreises geschafft haben. Ebenfalls auf der Shortlist steht Ymir von Philip Krömer, das ich bereits vor einiger Zeit hier besprochen habe.
Shida Bazyar erzählt die Geschichte von Behsad, seiner Frau Nahid, der Tochter Laleh und dem Sohn Morad. Behsad ist Kommunist und verbindet mit dem Sturz des Shahs 1979 die Hoffnung auf eine Neuordnung der Gesellschaft.
„Wie fühlt sich das an, wenn man ignoriert, dass die Hälfte des Landes hungert, wenn man ignoriert, dass unser Land Öl verschenkt, damit ein einziger Mann im Luxus schwelgen kann, wenn man ignoriert, dass die Gefängnisse voll sind von Menschen, die mal deine Nachbarn waren.“
Natürlich wünscht er sich eine sozialistische Revolution. Doch es kommt anders. Statt dem Proletariat errichten die Mullahs um Ayatollah Chomeini ihre Diktatur im Iran. Behsad ist schließlich gezwungen, mit seiner Familie nach Deutschland zu fliehen. Jedes der vier Kapitel, die in einem zeitlichen Abstand von jeweils 10 Jahren spielen, erzählt eines der vier Familienmitglieder die Ereignisse aus seiner Sicht. Schließlich spricht noch die jüngste Tochter Tara im Epilog zu uns – zu einem wohl noch in der Zukunft liegenden Zeitpunkt.
Im dritten Kapitel, das aus Sicht der 16jährigen Laleh geschrieben ist, spiegelt wohl Bazyars eigenes Empfinden am stärksten wieder. Obwohl sie mit ihrer Familie seit vielen Jahren in der neuen Heimat angekommen sein sollte und gut integriert ist, wird ihr die Rolle der Ausländerin, der Iranerin, zugeschrieben. Das zeigt sich zum Beispiel, wenn sie in der Schule iranische Positionen einnehmen soll, obwohl ihr dieses Land doch eigentlich fremd ist.
„Ich schaue Maja an und denke, klar, dass sie sich die USA ausgesucht hat, das hätte ich auch gemacht, aber mich hat niemand gefragt, weil alle gesagt haben, Laleh soll Iran nehmen, weil alle denken, das wäre Logik.“
Dieser Teil der Geschichte behandelt ein Thema, das junge Menschen mit „Migrationshintergrund“ zu gut kennen – das Leben zwischen zwei Kulturen, die Zuschreibungen und die Schwierigkeit, sich zugehörig zu fühlen. Das Land ihrer Eltern lernt sie erst im Urlaub kennen und stellt fest – nachts ist es leise in Teheran.
Bazyar zeigt in ihrem Debüt, das an sich nicht autobiographisch ist, die Geschichte einer Generation von Iranern, die ihr Land verlassen mussten, weil sie für den Fortschritt waren. Sie hat ein wichtiges Buch geschrieben, das einen Iran zeigt, den heute kaum jemand mehr kennt. Wer an den Iran denkt, denkt auch an Mullahs. Dabei war der Iran vor der Revolution 1979 kein Gottesstaat und auch während der Revolution waren die Kräfte, die auf eine islamische Republik hinarbeiteten, nicht die einzige Oppositionspartei. Neben den Geistlichen bekämpften auch Kommunisten und die Mitte-Links-Bewegung Nationale Front den Shah. Aber auch darüber hinaus nimmt Bazyar aktuelle Aspekte auf, wie den Zwiespalt, in dem viele Einwanderer auch noch in der zweiten und dritten Generation leben. Ein durchaus gelungenes, beeindruckendes Debüt einer jungen Schriftstellerin, die etwas zu sagen hat.
Shida Bazyar
Nachts ist es leise in Teheran
Kiepenheuer & Witsch
Erschienen am: 18.02.2016
288 Seiten
EUR 19,99