SHERLOCK, Series 1

SHERLOCK, Series 1Es wird endlich Zeit, dass ich die Serie bespreche, die die aktuelle Sherlock-Holmes-Besprechungsreihe hier im Blog überhaupt ausgelöst hat: Steven Moffat und Mark Gatiss versetzen Holmes und Watson ins moderne London und Benedict Cumberbatch und Martin Freeman jagen als Sherlock und John nun Mörder im Taxi statt im Hansom Cab – und heraus kommt eine der besten Serien, die wir in letzter Zeit von der BBC bekommen haben.
Nach dem Erfolg der ersten drei Folgen wurden weitere Sherlock-Episoden für nächstes Jahr bestellt, wir dürfen das hier also nun als Staffel 1 bezeichnen.

Regisseur: Paul McGuigan, Euros Lyn
Drehbuch: Steven Moffat, Mark Gatiss, Stephen Thompson
Darsteller: Benedict Cumberbatch, Martin Freeman, Rupert Graves, Mark Gatiss, Una Stubbs, Zoe Telford
Format: 3 x 90 min
Erscheinungsjahr: 2010

STORY
Dr John Watson (Martin Freeman), Militärarzt und gerade wegen einer Schussverletzung aus Afghanistan zurückgekehrt, zieht zusammen mit Sherlock Holmes (Benedict Cumberbatch) in eine Wohnung – dem einzigen beratenden Detektiv der Welt. Zusammen lösen sie Fälle, mit denen die Polizei überfordert ist – und die alle in eine Richtung deuten: Moriarty.

REVIEW
Sherlock Holmes in die aktuelle Gegenwart verlegen ist nichts Neues, das hatten wir auch schon bei den Rathbone/Bruce-Filmen – aber noch nie wurde das so gekonnt gemacht wie hier in Sherlock. Ich war durchaus skeptisch, inwiefern Holmes in der heutigen Zeit von umfassender Forensikund ausgefeilteren Methoden funktioniert, aber Moffat und Gatiss lösen all diese Probleme bestens -SHERLOCK, Series 1 Sherlock nutzt die neuen Möglichkeiten, aber seine Schlussfolgerungen gehen darüber hinaus. Es wird viel eher neue Technik zelebriert, und Sherlock ist ganz darauf angewiesen: er holt sich alle Informationen die er braucht über sein Smartphone, kommuniziert vorzugsweise per SMS und natürlich nutzt er Computer zur Analyse von Stoffen. Auch seine Webseite und Johns Blog spielen eine wichtige Rolle, was ein wenig interaktive Unterhaltung für die Zuschauer bedeutet, da diese auch als Tie-In-Webseiten anzusehen sind (Aber Achtung, Spoiler!!)

Sehr schön ist auch, dass man nicht einfach die Charaktere genommen und sie in völlig neue, moderne Geschichten gesetzt hat, sondern dass Moffat und Gatiss hier quasi den ganzen Canon modernisieren: die Fälle sind nach Vorlagen von Conan Doyle modelliert (am deutlichsten bei A Study in Pink), und die ganze Serie ist durchzogen von Anspielungen auf diverse Fälle oder Ereignisse aus den Originalgeschichten (die höchste Anspielungsdichte hat hier wohl The Great Game). SHERLOCK, Series 1Diese Modernisierungen funktionieren hervorragend und sind so geschickt verarbeitet, dass sie auch keine Spannung vorwegnehmen, weil man meist erst nach der Auflösung merkt, dass das ja genauso wie bei Conan Doyle ist1.

Was Sherlock auch über andere Serien stellt, ist der von Paul McGuigan etablierte Regiestil. McGuigan ist eigentlich Kinoregisseur, und so hat einen sehr filmischen Look, der der Serie Klasse verleiht. Dazu kommen innovative visuelle Spielereien, die dabei helfen, Sherlocks einzigartige Gedankengänge zu verbildlichen und verhindern, dass bei dem häufigenGebrauch von SMS die Aufnahme von Handybildschirmen repetitiv werden – also bekommen wir Texteinblendungen, blitzschnelle Collagen oder dazwischengeschnittene Close-ups.

SHERLOCK, Series 1

Dass die Staffel nur drei Episoden hat, erscheint erst einmal sehr wenig, aber dafür haben die ja auch Spielfilmlänge und sind durchgehend qualitativ hochwertig: A Study in Pink zeigt uns das Treffen und erste Abenteuer von Sherlock und John in flottem Tempo und mit viel Witz, The Blind Banker fällt  dagegen ein bisschen ab, bleibt aber höchst unterhaltsam und The Great Game liefert schließlich ein episches Finale, bei dem man kaum zum Luftholen kommt.

Natürlich lebt die Serie aber auch vom Zusammenspiel der beiden Hauptcharaktere, letztlich ist ja doch jede Holmes-Adaption nur so gut wie ihr Holmes/Watson-Team. Und das passt hier auch bestens: Benedict Cumberbatch gibt einen wunderbaren Sherlock; brillant, kalt und charismatisch, aber ziemlich hilflos in zwischenmenschlichen Fragen, während Martin Freeman einen äußerst sympathischen und liebenswerten John spielt, der aber auch keineswegs unschuldig ist -SHERLOCK, Series 1 und natürlich meilenweit entfernt von der Nigel-Bruce-Dödel-Watson-Tradition. Die Chemie zwischen den Beiden stimmt, und man ist schon glücklich, wenn man einfach ihnen zuschaun darf. Cumberbatchs Darstellung hat übrigens auch durchaus Ähnlichkeiten mit der von Jeremy Brett – ob das daran liegt, dass er sich von Brett inspirieren hat lassen, oder ob das einfach die naheliegendste Art ist, Holmes gut zu spielen, weiß ich natürlich nicht, aber toll ist das allemal.

Auch der Rest der Cast überzeugt: Rupert Graves ist ein wunderbarer DI Lestrade, der weiß, was er an Sherlock hat, aber sich trotzdem nicht von ihm unterbuttern lässt, Una Stubbs spielt eine herzige Mrs Hudson und Zoe Telford gibt als Sarah eine sympathische Freundin für John ab. Daneben muss ich noch Mark Gatiss erwähnen, den ich in Sherlock einfach liebe, und dessen Interpretation seiner Rolle jetzt meine Lieblingsversion dieses Charakters ist2.

SHERLOCK, Series 1Einen interessanten Vergleich bietet der auf der DVD enthaltene ursprüngliche Pilotfilm, der eine Stunde dauert und bei dem Coky Giedroyc Regie führte. Dieser Pilot ist unterhaltsam und gut, und wenn man Sherlock so fortgesetzt hätte, wäre es eine solide Serie geworden – aber alle Änderungen zur fertigen Version machen deren Genialität aus. Da sieht man, wie wichtig die innovative Regie von McGuigan ist, wie Cumberbatch seine Darstellung verfeinert hat, wie fantastisch die zusätzlichen Szenen funktionieren.3

Gut, das ist langsam genug geschmachtet – ich hab noch viele Dinge nicht erwähnt, aber ich glaube, es wurde deutlich, dass ich diese Serie liebe und jedem nur dringlichst empfehlen kann. Man fragt sich unwillkürlich, wo Gatiss und vor allem Moffat diese Brillanz versteckt hatten, als sie für die fünfte Staffel Doctor Who geschrieben haben – aber solange sie weiter so wunderbare Sherlock-Folgen schreiben, bin ich glücklich.

  1. Zumindest geht das mir so – bei Leuten, die besser im Krimihandlungen-Aufschlüsseln sind als ich und sich weniger in Handlungen verlieren, mag das anders sein. Ich dagegen guck A Study in Pink, hab erst kurz davor A Study in Scarlett wieder gelesen und mir geht trotzdem erst am Schluss ein Licht auf – Ah, ja, natürlich, wie sollte es anders sein.
  2. ich bin mal aus Spoilergründen absichtlich kryptisch
  3. Da vergibt man auch, dass es im Pilotfilm irgendwie stimmiger ist, wie Sherlock auf den Mörder kommt

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