Sharing Economy: Der totale Kapitalismus

Dass das Internet herkömmliche Geschäftsmodelle ruiniert, haben nicht nur Zeitungs- und Buchverlage, die Musik- oder die Filmindustrie leidvoll erfahren müssen – jetzt sind auch ganz andere Bereiche dran, etwa das Taxigewerbe. Durch Internetplattformen wie Wundercar oder Uber können Privatleute ihre Dienste zur Verfügung stellen – ganz ohne Gewerbeschein, Ausbildung, Versicherung oder gar Sozialabgaben. Naive Menschen, zu denen beispielsweise auch der US-Soziologe und Ökonom Jeremy Rifkin gehört, freuen sich schon lange, dass durch diese schöne neue Sharing Economy samt Collaborative Consumption der Kapitalismus in die Defensive gedrängt würde. Denn wenn sich die Leute durch ihr ganzes Geteile und Gemeinsam-benutze faktisch auf eine neue Wirtschaftsform einigen würden, in der immer günstiger herzustellende Güter eben einfach geteilt bzw. gemeinsam genutzt würden, sei doch ganz klar, dass die herkömmlichen kapitalistischen Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren und man sich zwangsläufig etwas anderes überlegen müsse. Schön wärs!

Ich kann mich erinnern, dass Rifkin um das Jahr 2000 herum bereits in seinem Buch Access davon geträumt hat, dass wir in wenigen Jahren zwar über alles mögliche verfügen und dadurch einen bisher nie gekannten Lebensstandard erreichen würden, der Besitz an sich aber gar nicht mehr wichtig sei: Wichtig sei nur der Zugang (Access) zu dem, was man gerade brauche, wem es gehört, etwa die Wohnung in der man wohnt, oder das Auto mit dem man fährt, sei nicht mehr wichtig. Das sei einerseits unglaublich praktisch, weil jeder bekommt, was er braucht, andererseits schone es die Umwelt, weil halt nicht mehr jeder alles für den gelegentlichen Gebrauch besitzen und vorhalten müsse, sondern es halt einfach ausleiht, wenn es gebraucht wird. Und es gibt eine ganze Menge Leute, die immer noch glauben wollen, dass tatsächlich alles so einfach wäre – im Internet geht es ja auch: Kaufempfehlungen, Ratgeber, Lebenshilfe, wissenschaftliche Publikationen aller Art, die neusten Nachrichten, Filme, Musik, Bücher – kann man alles auf den heimischen Bildschirm holen, ganz einfach und meistens völlig kostenlos (mal abgesehen von den Kosten für den Internetzugang).

In der FAZ gab es schon vor einiger Zeit einen sehr guten Artikel dazu: Unter der Überschrift Der Terror des Teilens beschreibt Harald Staun, wie irre die Idee der Just-in-time-Verfügbarkeit von allem ist und was für verheerende Effekte sie hat. Auch ein Fahrdienst wie Uber gibt es nicht, weil Menschen, die ein Auto besitzen, in ihrer Freizeit anderen gern einen Gefallen tun möchten, sondern weil findige Geschäftsleute ein neues Modell entdeckt haben, wie sie mit der Naivität ihrer Mitmenschen Geld verdienen können. Mit der ständigen Erreichbarkeit per Internet können Konzerne die Miete fürs Büro sparen, weil die Leute auch zu Hause am Rechner arbeiten und der Kundenservice wird einfach in ein Kunden-helfen-anderen-Kunden-Forum ausgelagert – sollen die Leute ihren Service doch selbst machen – menschenfreundlich engagiert, aber unbezahlt. Erstaunlich viele Menschen machen das auch mit, wer will denn immer nur ans Geld denken. Das Problem ist, dass es ohne Geld halt nicht geht in dieser Welt, auch wenn es sich in einigen Bereichen nicht so anfühlt. Aber spätestens, wenn man den Internet-Anschluss nicht mehr bezahlen kann, wird man feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, einen Internet-Anbieter zu finden, der einfach mit einem teilen will. Stauns Fazit: Die Sharing Economy ist nichts anderes als die totale Dienstleistungsgesellschaft. „Das war schon immer der Trick des Kapitalismus: Uns zu verkaufen, was es vorher umsonst gab. Jetzt hat er die neueste Marktlücke entdeckt: den Kommunismus.“

Anders formuliert: Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Solange diejenigen, die in dieser Welt das meiste besitzen, nicht bereit sind, ihre riesigen Vermögen mit den unzähligen Habenichtsen auf der Welt zu teilen, ist die ganze Sharing Economy nur ein Schuss ins eigene Knie, mit dem sich die weniger Privilegierten ihre beschissene Lage irgendwie erträglich gestalten wollen – und sie dabei immer unerträglicher machen, weil sie letztlich immer im Dienst sind.



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