WEIMAR. (fgw) Jeder Mensch hat das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und auf sexuelle Selbstbestimmung. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vor einem Jahr, am 11. Januar 2011, (1 BvR 3295/07) erneut bestätigt. Das Transsexuellengesetz (TSG) aus dem Jahre 1980 ist mit diesem Urteil in wesentlichen Punkten für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt und außer Kraft gesetzt worden. DIE LINKE im Deutschen Bundestag hat daher im vorigen Jahr einen Beschlußantrag zu diesem Thema eingebracht: „Sexuelle Menschenrechte für Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle gewährleisten – Transsexuellengesetz aufheben“
In der Begründung ihres Antrages (Drucksache 17/5916) schreibt die Linksfraktion u.a.: “Mit der Einführung des Transsexuellengesetzes (TSG) im Jahr 1980 erschienen Transsexuelle erstmals in den Rechtsnormen und wurden mit Rechten ausgestattet. Nach drei Jahrzehnten Erfahrung mit dem Transsexuellengesetz hat sich gezeigt, dass Transsexuelle in ihrem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit eingeschränkt werden und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung verletzt wird. Dem TSG liegt ein biologischer Geschlechterbegriff zugrunde, der den Bedürfnissen von transsexuellen Menschen nicht gerecht wird und die Probleme der Betroffenen nicht erfasst.”
So schränke das Namens- und Personenstandsrecht auch die Rechte von Intersexuellen und Transgendern ein. Nach Angaben der Bundesregierung leben in Deutschland etwa 8 000 bis 10 000 Menschen „mit schwerwiegenden Abweichungen der Geschlechtsentwicklung” (Bundestagsdrucksache 16/4786). Der Verein Intersexuelle Menschen e. V. spricht sogar von 80 000 bis 120 000 Menschen (vgl. CEDAW-Schattenbericht 2008; CEDAW: Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau).
Eine Änderung des Personenstandsrechts, die auch den Geschlechtseintrag „intersexuell” und „transgender” ermöglicht, schaffe für die Betroffenen neue Möglichkeiten. Eine Änderung des Personenstandsrechts sei im Sinne der Betroffenen dringend geboten, da ihre geschlechtliche Situation bislang rechtlich unberücksichtigt geblieben sei.
Transgender leiden insbesondere darunter, dass es gesellschaftlich kaum möglich und vorstellbar erscheint, zwischen den Geschlechtern zu leben. Sie wollen keine männliche oder weibliche Identität einnehmen, wie sie kulturell und insbesondere rechtlich vorgeschrieben wird. Viele lehnen auch die Gegenüberstellung von Homo- und Heterosexualität ab, weil sie ebenfalls nicht eine sexuelle Identität annehmen wollen bzw. nicht können. Transgender wollen zumeist keine geschlechtsangleichenden Maßnahmen vornehmen, darin unterscheiden sie sich von Transsexuellen. Unter dieser Problematik leiden vor allem Intersexuelle und Transgender. Eine Änderung des Personenstands- und des Vornamensrechts, die ihre geschlechtliche und sexuelle Identität anerkennt, würde ihre rechtliche Situation gravierend verbessern und anerkennen, dass die gesellschaftliche Zuschreibung von nur zwei Geschlechtern unangemessen ist.
DIE LINKE erklärt dazu: „Mit der zunehmenden Anerkennung von Intersexuellen und Transgendern in der Gesellschaft reift die Erkenntnis, dass auch ihrem Recht auf persönliche Entfaltung und sexuelle Selbstbestimmung Rechnung getragen werden muss. Ein Reformwerk, welches die Rechte von Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen in einem Konzept zu lösen vermag, ist seit langem überfällig. Es bedarf umfassender Anstrengungen im Sinne einer politischen Querschnittsstrategie in allen Bereichen und auf allen Ebenen, um Diskriminierungen wegen der sexuellen Identität und Orientierung gesellschaftlich zu ächten und eine gleichberechtigte Teilhabe der Betroffenen in allen Lebensbereichen sicherzustellen. Die vorgeschlagenen Verbesserungen sind daher nur als erster Schritt anzusehen, welcher die längst überfälligen Korrekturen des Rechts vollzieht. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die elementaren Menschenrechte von Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen. Es handelt sich um sexuelle Menschenrechte.”
[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]