Sex und Macht - Anatomie eines kurzen Flirts

Sex und Macht - Anatomie eines kurzen Flirts

Drei Monate nur war Dominik Strauss-Kahn schuldig. schuldig gesprochen von einem Fernsehgericht, in dem bis auf die Taz einmal mehr alle großen deutschen Medien platzgenommen hatten. "Mächtige Männer haben eine hyperaktive Libido", analysierte der mächtige "Spiegel", warum der Franzose geradezu gezwungen war, sich das zufällig hereinplatzende Zimmermädchen gefügig zu machen. Unter dem Titel "Sex und Macht - Anatomie einer gefährlichen Beziehung" schilderte das ehemalige Sturmgeschütz der Demokratie, wie sich Redakteure in Hamburg die Welt vorstellen.
Auch der gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat Walter Steinmeier wusste genau, wovon er sprach: "Die Gewöhnung an Macht birgt ohne Zweifel Risiken. Sie kann Persönlichkeiten verändern. Macht kann blind machen und dafür sorgen, dass Einzelne, die lange in hohen Positionen sind, den Boden unter den Füßen und Maßstäbe verlieren, glauben, über dem Recht zu stehen." Wie Strauss-Kahn, das war klar. "Fast jede zweite Frau wird bei der Arbeit belästigt. Anzügliche Bemerkungen, ungläubige Vorgesetzte – auch "Welt Online"-Leserinnen haben Demütigendes erlebt", transferierte die "Welt" das Geschehen im fernen New York herunter auf die Erlebniswelt ihrer Leserinnen.
Es war nichts klar. Und damit alles. Landet ein mächtiger Mann im Gefängnis, muss er das Zimmermädchen sexuell belästigt haben. Lobeshymnen auf die Unabhängigkeit der Justiz wurden gesungen, die sich an ihn "herangetraut" habe. Nun suche der Mann nur noch Ausreden, er verfange sich in Widersprüchen, er sei folglich schuldig. Der Prozess hatte noch nicht begonnen, das Urteil war gefallen. "Politisch gilt der Franzose als erledigt", frohlockte n-tv,, von PPQ damals als "eine Art elektrisches Ferngericht" beschrieben.
Natürlich war auch Alice Schwarzer zugegen, die "Journalistin", die zuletzt mit imponierender versucht hatte, die Richter im Kachelmann-Prozess per Bild-Zeitung zu einer verurteilung zu treiben. Es sei ein Skandal, ereiferte sie sich nach kurzem Studium von allerlei Hörensagen, dass "Strauss-Kahns Frauengeschichten von Medien und Politik in Frankreich so lange totgeschwiegen worden seien". Schwarzer, die bis dahin noch nie einen Ton über Frauengeschichten Strauss-Kahns verloren hatte, wusste jetzt: "Männer wie Strauss-Kahn missbrauchen Macht". Schließlich hätten "zahlreiche Französinnen" direkt nach der Festnahme des IWF-Chefs "von früheren sexuellen Übergriffen berichtet".
Klappe zu, Affe tot, Delinquent erledigt. Dass die Geschichte des Zimmermädchens vom ersten Augenblick vor Ungereimtheiten strotzte und das ganze Verfahren nun nach nur drei Monaten erwartbarerweise anders ausgeht als die fliegenden Standgerichte der veröffentlichten Meinung gern glauben machen wollten, ändert gar nichts. "Sex und Macht" - die gefährlichen Beziehung, so ausgiebig obduziert und auserklärt sie war, so kurz war ihr Leuchten am Medienhimmel. Doch "wenn die Fahne fliegt, ist der Verstand in der Trompete", hat der österreichische Ethnologe Konrad Lorenz ja vor vielen Jahren schon bemerkt. Das wird beim nächsten Mal wieder gelten.


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