«Sesselfurzer» im Scheingefecht

«Sesselfurzer» im Scheingefecht

Kaum war die Meldung über die Ticker gerauscht, dass der libysche Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi getötet worden sei, war auch schon die Themenänderung beim Hamburger Spät-Talker Reinhold Beckmann bekannt gegeben worden. Da bestand offenbar ein sehr kurzer Draht zu den einschlägigen Libyen-Experten. Am dunkelbraunen Tisch haben sich eingefunden: ein libyscher Arzt, ein revolutionsbegeisterter Autor, ein Scholl-Latour-Ersatz und zwei Reporter.

Der Autor Jürgen Todenhöfer ist so etwas wie der optimistische Arabien-Erklärbär der Republik, bei Beckmann nimmt er diese Rolle fehlerfrei ein. Er ist dabei auch derjenige, der am häufigsten darauf verweist, dass er in den vergangenen Monaten dies oder jenes in Libyen getan habe. Das Ganze mit einer schwer erträglichen Zucker-Milch-und-Honig-Stimme, wie man sie nur von Callcenter-Agenten kennt, die einem einen Sofortkredit aufschwatzen wollen. Sein offensivster Beitrag zur Debatte: Er beschimpft Ulrich Kienzle als Sesselfurzer.

Das hat seinen Grund, denn Ulrich Kienzle ist der Pessimist der Runde, knorrig und direkt. «Wir müssen uns von der Utopie verabschieden, dass da jetzt eine lupenreine Demokratie entsteht», ist so ein typischer Kienzle-Satz an diesem späten Abend. Und für den Romantiker Todenhöfer hat er natürlich auch einige Giftpfeile dabei. «Jetzt sind sie wieder mal libyscher als die Libyer», piesackt er den Weltenbummler mit einer gehörigen Portion Peter Scholl-Latour in der sonoren Stimme.

Auf der Seite Todenhöfers ist einer, der sich unverhohlen über den Tod Gaddafis freut, der libysche Arzt Mohamed Khalil. Er scheint noch ganz freudetrunken und will am liebsten keine pessimistischen Einlassungen über die Zukunft seines Landes  an sich heranlassen. Und so passiert das, was in Talkshows passiert, in denen Meinungen im Vorhinein klar sind: Es sind händeringend Differenzierer gefragt, um neben lautstarken Passagen auch Erkenntnisgewinn zu liefern.

Und das ist die große Chance der Journalistin Souad Mekhennet, die einen fulminanten Auftritt in der Männerrunde hat. Resolut, aber nicht unbelehrbar geht sie mit den eingespielten Meinungen der sogenannten Experten ins Gericht und übernimmt dabei die Aufgabe, die eigentlich Beckmann und seinem Team zugefallen wäre. Sie ordnet ein, zeigt mögliche Wege und Auswirkungen für Libyen auf und behält dabei stets die Fakten der Mitdiskutanten im Blick. Und das, obwohl sie einen enttäuschenden Tag hatte: «Da wurde eine große Chance vertan», sagt sie zu einem möglichen Prozess gegen den ehemaligen Machthaber Gaddafi.

Die ebenfalls besonnenen Einlassungen ihres Kollegen Stefan Buchen bleiben dagegen eher blass und zudem von der Todenhöferschen Krankheit, der «Ich-war-vor-Ort-und-habe-mit-allen-gesprocheninitis» infiziert. Wäre die Journalistin Mekhennet nicht eingeladen worden, Beckmann hätte ein Desaster mit der schnell einberufenen Runde erlebt. So bleibt die Erkenntnis, dass eine schnell zusammengetrommelte Gästeliste nicht unbedingt nur sehenswerte Überraschungen bereit hält.

Bestes Zitat: «Das ist eine Meinung von einem deutschen Sesselfurzer.» (Jürgen Todenhöfer mag Ulrich Kienzle. Sehr.)

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«Beckmann» – «Sesselfurzer» im Scheingefecht

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Tags: Beckmann, Jürgen Todenhöfer, Muammar al-Gaddafi, Peter Scholl-Latour, Ulrich Kienzle

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