Originaltitel: Hannibal
USA | seit 2013 | ca. 43 Min. | FSK: ab 18
Krimi, Horror, Thriller, Drama
Idee: Bryan Fuller
Drehbuch: Bryan Fuller u.a.
Besetzung: Hugh Dancy, Mads Mikkelsen, Laurence Fishburne, Caroline Dhavernas, Hettienne Park u.a.
DVD/Blu-Ray VÖ: 20.12.13/04.12.14
Links zur Serie:
IMDb | Wikipedia
Bilder © STUDIOCANAL
Worum geht’s?
Will Graham arbeitet als Special Agent für das FBI, da er die Gabe besitzt, durch außerordentliche Empathie die Vorgehensweise eines Mörders zu rekonstruieren, wenn er dessen Tatort sieht. Da Graham jedoch psychisch labil ist, was sich durch seine FBI-Arbeit nur noch verschlimmert, stellt ihm der Abteilungsleiter den renommierten Psychiater Dr. Hannibal Lecter zur Seite. Zunächst ahnt niemand, welche grausamen Geheimnisse Lecter hütet…
Wie ist die Serie?
Gewagt, Thomas Harris‘ vierteilige Romanreihe über den intellektuellen Kannibalen Hannibal Lecter nach fünf Filmadaptionen noch weiter auszuschlachten. Aber Schöpfer Bryan Fuller („Heroes“) geht den richtigen Weg: Er erzählt einen Teil aus dem Lecter-Kosmos, den Harris und die Verfilmungen niemals ausformulierten, der aber dennoch tatsächlich interessant ist und die literarische Vorlage in Ehren hält. Wir tauchen mit Fullers „Hannibal“ in die Vorgeschichte des ersten Romans „Roter Drache“ ein. Was der Romanautor am Rande erwähnte, spinnt die Serie weiter und kreiert daraus eine interessante Mischung aus Krimi, Horror und Drama auf der Höhe der Zeit.
Gewagt ist auch, die tragenden Rollen höchst unzuverlässig darzustellen. Mads Mikkelsen („Die Jagd“) ist als Hannibal das Aushängeschild der Serie. Als Däne unter Amis erhält er fast wie von selbst die exotische Aura, die seine Figur braucht. Bekanntlich ist er überdies auch ein hervorragender Schauspieler. Er zeichnet ein ganz eigenes Bild des berühmten Charakters, und doch harmoniert es mit dem Hannibal-Bild, das Anthony Hopkins mit seiner vielfach preisgekrönten Darstellung in „Das Schweigen der Lämmer“ in die Popkultur einbrannte. Mikkelsen fasziniert durch seine kultivierte Art. Er verkörpert eine Figur, die man für ihre Perfektion bewundert, ein ähnlicher Effekt wie bei Dale Cooper in „Twin Peaks“, nur dass „Hannibal“ die Sympathien längst nicht so klar verteilt.
Am gewagtesten sind schließlich die Gewaltdarstellungen. Gerade für eine NBC-Serie hat „Hannibal“ außerordentlich brutale Bilder zu bieten, die sich sogar als elementarer Bestandteil des Konzepts herausstellen. Jede Folge dreht sich um grausig zugerichtete Leichen, die, genau wie die kulinarischen Gerichte des begabten Hobbykochs Lecter, zu brillanten Kunstwerken überhöht werden. „Hannibal“ zehrt von der Ästhetik des Grausamen – ein provokantes wie spannendes Stilmittel. Weit über diese drastischen Bilder hinaus arbeitet die Serie mit einer ganz bestimmten Atmosphäre. Der Grundton ist unaufgeregt, ernst und geradezu deprimierend. Es kann unter Umständen anstrengend sein, sich auf diese Stimmung einzulassen. Auf der anderen Seite weist „Hannibal“ über die erste Staffel hinweg eine beachtlich konstante Grundspannung auf.
Um die Abenteuer und Leiden des Will Graham nachfühlbar zu machen verwendet „Hannibal“ solide bis gute Computereffekte. Die experimentierfreudige Musik von Brian Reitzell („Beginners“) reicht von melancholisch bis angsteinflößend – so, wie die Serie sein soll. Die Bilder sind in einem Wort zu beschreiben, wie die titelgebende Hauptfigur: elegant. Inhaltlich elegant ist dazu, wie „Hannibal“ die einzelnen Fälle der einzelnen Folgen benutzt, um die staffelübergreifende Hauptgeschichte weiterzuerzählen. Nur die Selbstverständlichkeit, mit der in Grahams Revier immer wieder neue Mörder mit auffälligem Faible für Körperschändung auftauchen, entzieht sich der Glaubwürdigkeit.
Leicht fade, dass ein Großteil der ersten Hälfte von Staffel 2 sehr stark an den immer gleichen Schauplatz gebunden ist, doch danach geht es frisch und frei weiter, bis hin zu einem hochtrabenden, am Ende leider nur bedingt befriedigenden Finale. Mittlerweile verstärkt sich der Eindruck einer exzessiv eingesetzten Zeitlupenästhetik. Diese zelebrierte Langsamkeit mit ihren ständigen Traumszenarien und Fokus-Spielen kann faszinierend, ja, hypnotisch, aber – und das ist hier die grundsätzliche Gefahr – auch einlullend sein, zumal die Serie noch dazu sehr redselig ausfällt. Doch das ist Jammern auf hohem Niveau, denn was „Hannibal“ als TV-Programm in puncto Figurenzeichnung und vor allem Handwerk leistet, verdient hohe Anerkennung. Ein irrer Aufwand.
Die Mischung aus abgeschlossenen Mordfällen und folgenübergreifender Handlung macht das Gesamtbild nicht ganz rund, aber immerhin abwechslungsreich. Eine Flut aus optischen Spielereien und intellektuellen Wortgefechten droht, klassische Unterhaltungsfaktoren unter sich zu begraben. Vorsicht. Doch trotz kleiner Unzulänglichkeiten ist „Hannibal“ eine intelligente, teils richtig unheimliche und grandios widerliche Psychothriller-Krimiserie, in fast allen Belangen auf bemerkenswert hohem Niveau.
Wertungen (ø 7.0) [?]
7.0 – Philipp Stroh
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