Viel ist zu lesen über “Smart Homes” und die Stadt von morgen – doch die Energiewende findet auf dem Land statt: Dort steht der Großteil der Erneuerbare-Energien-Anlagen, dort müssen die Verteilnetze “intelligent” werden.
Im Rahmen der Initiative “Smart Country” des Internet & Gesellschaft Collaboratory e.V.hat eine Expertengruppe untersucht, wie die intelligente Energiezukunft auf dem Land aussieht, was ihre Schlüsselfaktoren sind und wo es schon gute Ansätze gibt. Die Ergebnisse stellen wir in dieser Serie vor.
Die Autoren des Berichts sind: Jan Schoenmakers (EWE), Dr. Christian Chudoba(Lumenaza), Torsten Cymanek (Entemo), Andreas Kühl (energynet).
Pragmatische Lösungen für nachhaltige Mobilität
Elektrofahrzeuge,, Foto: pixabay/ atimedia
Die heutige Mobilität basiert überwiegend auf Rohstoffen, die nicht aus der Region stammen und den Anforderungen an ihre Verfügbarkeit, ihren Preis, ihre Auswirkungen auf die Umwelt und ihre Effizienz, nicht mehr genügen. Die Emissionen des Verkehrs sind höher als die der Stromgewinnung – und sinken seit Jahrzehnten praktisch nicht, während die Mobilitätskosten ansteigen.
Alternative Treibstoffe aus der Region können einen Ausstieg aus der Preisspirale bedeuten und die lokale Wirtschaft stärken. Doch welche Antriebe sind unter welchen Bedingungen real einsetzbar?
Elektromobilität – eine Chance gerade bei eigener Stromerzeugung
Sind Elektrofahrzeuge im Vergleich zu herkömmlichen Antrieben noch recht teuer, liegen die Betriebskosten deutlich niedriger. Gerade dort, wo Strom selbst erzeugt wird, kann sich Elektromobilität damit bereits heute lohnen, weil Stromüberschüsse quasi zum Nulltarif bereitstehen. Wer kein Strom-Grundversorger ist, darf nicht nur eigene, sondern auch fremde Fahrzeuge zum Nulltarif mit Ökostrom laden – ein Plus für die Standort-Attraktivität. Auch lässt sich eigener Strom einfach vor Ort kommerzialisieren: unter Berücksichtigung der §5 + § 3 Ziffer 18 Energiewirtschaftsgesetzes kann man vom eigenen Grundstück aus Strom für E-Mobile verkaufen. Grundlage dafür ist ein separater, möglichst intelligenter Stromzähler.
Die Reichweiten sind (noch) gering – doch die Infrastruktur günstig
Heutige neue sowie gebraucht verfügbare E-PKW oder E-Kleintransporter aus bezahlbaren Preisklassen eignen sich für Entfernungen von rund 100 km. Die reale Reichweite liegt zirka 40% geringer, wenn unerfahrene Nutzer, alternde Batterien, der Gebrauch von Klimaanlage und Radio sowie widriges Wetter ihren Tribut fordern. Der Aktionsradius erhöht sich, wenn tagsüber zwischendurch aufgeladen werden kann. Firmen-und Privatfahrzeuge, die eher geplant als spontan genutzt werden, eignen sich daher unter den „Vierrädern“ am ehesten für E-Mobilität. Wo auch zwei Räder genügen, lässt sich mit den sehr preiswerten Pedelecs schnell und sicher persönliche und touristische Mobilität schaffen.
Elektroauto-Ladestation, Foto: pixabay/ willywill1823
Da es mehr Steckdosen als Tankstellen gibt rentieren sich teure Ladesäulen anfangs nur, wenn es ausreichend zahlungswillige Nachfrage nach Schnellladungen (innerhalb von 30min mit 120 Ampere) gibt. Die Kosten lassen sich dabei niedriger halten, wenn die entsprechenden Steckdosen an vorhandene Trafohäuschen angeflanscht werden. Bei Nutzung normaler Steckdosen beträgt die Aufladezeit(8A-16A) zwischen 5-8 Stunden. An Flächen mit vorhandenem Energieleitungen können als günstige Ladestationen einfache Steckdosenkästen (z.B. Haussteckdosen und CEE 16 A) mit Sicherungen, Zählern und Zentralschließanlagen installiert werden.
Mit dem kabellosen Laden ab ca. 2018 werden die Batteriereichweiten der Emobile weniger wichtig – auch ohne große Batterien kommen e-Mobile dann durch häufiges Zwischenladen „nebenbei“ weiter und werden zugleich erschwinglicher, da die höheren Preise derzeit vor Allem an den Batteriekosten liegen. Kommunen sollten dafür bei Tiefbauarbeiten Lehrrohre oder Reserven für die Installation der entsprechenden Technik vorsehen.
Gase und Pflanzenöle – umweltschonend und günstig, aber anspruchsvolle Infrastruktur
Größere Fahrzeuge und solche, die „spontan“ bereitstehen bzw. größere Distanzen überbrücken müssen, sind weiterhin auf Treibstoffe angewiesen, die mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren verwendbar sind. Dabei sollte davon ausgegangen werden, für welche Energieträger bereits Tankstellen vorhanden sind. Denn eigene Infrastruktur zu betreiben rechnet sich aufgrund der hohen Bau- und Unterhaltskosten nur bei großen Fuhrparks wie Nahverkehrsflotten. Kommen eigene Tankstellen in Frage, lohnt sich die Beratung mit mittelständischen Anbietern.
Erdgas ist aufgrund der günstigen Treibstoffpreise eine Möglichkeit, mit überschaubaren Umrüstungskosten bei bestehenden Fahrzeugen Kosten zu sparen. Zudem lässt sich Biogas aus der Region zu Bioerdgas aufbereiten, um auch bei der Mobilität Wertschöpfung vor Ort zu halten. Komprimiertes Erdgas (CNG) ist momentan durch hohen Energiegehalt, gute Preise und geringe Emissionen die beste Wahl. Vielversprechend für die Zukunft ist flüssiges Erdgas(LNG), das bei ca.-163C° nur ein 600stel des Volumens von CNG benötigt und noch einmal deutlich günstiger ist. Zurzeit sind die Fahrzeugtanks noch nicht ausreichend dicht und die Anlagentechnik ist zur CNG-Tankanlage kostspieliger.
Regional erzeugtes Gas als Treibstoff
Verfügt die Region über viele Biogas- oder Power-to-Gas-Anlagen, kann auch Wasserstoff gewonnen und als Treibstoff verwendet werden. Während dieser sehr energiereich ist und besonders effizient eingesetzt werden kann, sind jedoch die Kosten für die Modifikation von Anlagen und Fahrzeugen noch sehr hoch.
Pflanzenöl oder Biodiesel lassen sich in landwirtschaftlich geprägten Regionen besonders günstig vor Ort gewinnen, doch erfordern Modifikationen an Motoren, Schläuchen, Tanks und Tankstellen, da sie aggressiver sind und ein anderes Temperaturverhalten an den Tag legen als ihre Mineralöl-basierten Vettern. Sie erfordern damit kundige Nutzer – sie damit jedoch gerade bei einer lokalen Erzeugung kleinere, ländliche Fuhrparks sehr zuverlässig und günstig betreiben können.
Weiterführende Links
- Projektbeispiel Mendrisio (CH) – Feldversuch und Kompetenzzentrum für nachhaltige Mobilität
- Projektbeispiel innoZ – Elektroauto-Carsharing mit intelligentem Laden von vor Ort erzeugtem Strom
- Projektbeispiel Oldenburg – Bioerdgas-Busflotte
Serie zur Energiewende auf dem Land
Weitere Beiträge werden in den kommenden Wochen jeweils Dienstags hier erscheinen. Wer besonders neugierig ist, kann sich bei der Initiative “Smart Country” bereits in die Texte einlesen, dort sind die Ergebnisse der Expertengruppe im Herbst 2014 erschienen.
Teil 1: Die Energiewende – eine Schönheit vom Lande
Teil 2: Ein verlässlicher Energiemix aus lokalen Ressourcen
Teil 3: Zukunftsfähige, aber nicht überdimensionierte Netze
Teil 4: Eine profitable Abnehmerstruktur für Anlagen und Netze
Teil 5: Energieeffizienz – Chance für Haushalt und Handwerk
Über Andreas Kühl
Energieblogger aus Leidenschaft mit großem Faible vor allem für effiziente Energienutzung im Strom- und Wärmebereich. Aber auch die kostenlose Energie, die uns die Natur zur Verfügung stellt ist faszinierend und Herausforderung zugleich.