Viel ist zu lesen über “Smart Homes” und die Stadt von morgen – doch die Energiewende findet auf dem Land statt: Dort steht der Großteil der Erneuerbare-Energien-Anlagen, dort müssen die Verteilnetze “intelligent” werden.
Im Rahmen der Initiative “Smart Country” des Internet & Gesellschaft Collaboratory e.V. hat eine Expertengruppe untersucht, wie die intelligente Energiezukunft auf dem Land aussieht, was ihre Schlüsselfaktoren sind und wo es schon gute Ansätze gibt. Die Ergebnisse stellen wir in dieser Serie vor.
Die Autoren des Berichts sind: Jan Schoenmakers (EWE), Dr. Christian Chudoba(Lumenaza), Torsten Cymanek (Entemo), Andreas Kühl (energynet).
Zukunftsfähige, aber nicht überdimensionierte Netze
Lokale zukunftsfähige Stromnetze, Foto: pixabay.com/ digihanger
Eine der größten Herausforderungen der Energiewende ist der Umbau der Verteilnetze. Sie wurden errichtet, um den Strom aus Großkraftwerken, den die Übertragungsnetze zu Anlaufstellen in der Region leiten, vor dort in jedes Haus und jeden Betrieb zu bringen. Heute jedoch müssen sie gleichzeitig den Strom der dezentralen Windparks, Solar- und Biogasanlagen „abholen“ – aus einer Einbahnstraße ist ein Kreisverkehr geworden.
Es führt daher kein Weg daran vorbei, diese Netze auszubauen. Für Kommunen, die Netzbetreiber sind oder einen Netzbetrieb erwägen, liegen hier erhebliche Kostenrisiken, da die Bundesnetzagentur entsprechende Investitionen erst mit einer Verzögerung von mehreren Jahren anerkennt. Doch können mehr als die Hälfte der erwartbaren Milliardenausgaben eingespart werden, wenn man – um in der Analogie der Straße zu bleiben – Verkehrsleitsysteme installiert, statt Spuren hinzuzufügen.
Beispiele sind intelligente Transformatoren, die die Spannung im Ortsnetz automatisch anpassen, wenn aufgrund starken Sonnscheins die lokalen Solaranlagen mehr Strom einspeisen. Ebenso lassen sich Windparks, Biogasanlagen, aber auch Produktionsbetriebe, die mit entsprechender Steuertechnologie ausgestattet sind, in den Regelenergiemarkt einbinden, so dass sie auf Abruf des Netzbetreibers ihre Produktion bzw. ihren Verbrauch erhöhen oder drosseln und so das Netz vor Ort entlasten.
In diesem Sinne sollten auch die Betreiber von Aufdach-Solaranlagen ermutigt werden, ihren Strom mit fernsteuerbaren Hausspeichern zunächst selbst zu nutzen anstatt ihn jederzeit ins Netz einzuspeisen. Solche Speicher können künftig auch zum Laden von Elektroautos genutzt und auch ins Netzmanagement eingebunden werden.
Intelligente Netze – eine Frage der Technik
Um dieses Potenzial zu nutzen, müssen wichtige Netzknotenpunkte sowie größere Energieerzeuger und -verbraucher mit internet-verbundener Mess- und Steuertechnik ausgerüstet werden und die Daten in einer gut abgesicherte, mit leistungsfähigen Rechnern, Servern und Programmen ausgerüsteten Netzleitstelle zusammenlaufen. Je genauer diese die aktuelle „Verkehrslage“ im Netz abbilden kann, desto gezielter kann sie eingreifen, um alternative Routen zu finden oder gezielt einzelne Anlagen hoch- oder herunterzufahren – und damit die bestehende Infrastruktur bestmöglich auszulasten.
Bei solchen Investitionen ist eine enge Beratung mit der Bundesnetzagentur sinnvoll, weil derlei Technik nur zum Teil bei der Regulierung anerkannt wird – auch sollte im Dialog mit anderen Netzbetreibern sichergestellt werden, dass die Schnittstellen und Protokolle zum regionalen und überregionalen Austausch geeignet sind.
Raumplanung als wichtiger Faktor
Gute Netzplanung beginnt bereits beim Ausweisen von Flächen: Wer Energieerzeuger und Verbraucher möglichst nah beieinander hält, vermeidet unnötige Transportwege. Bei sehr abgelegenen Stromverbrauchern, z.B. Haltestellenbeleuchtung, kann eine autarke Technik mit Solarzelle und Batterie die wirtschaftlichere Alternative zum Netzanschluss sein.
Im Wärmebereich ist besonders auf eine große Nähe zwischen Erzeugern und Verbrauchern zu achten – z.B. bei der Planung von Gewerbegebieten –, wenn Nahwärmenetze in Betracht gezogen werden. Lassen sich keine engen lokalen Kreisläufe schaffen – läge zum Beispiel ein Nahwärmenetz am Rande der Wirtschaftlichkeit, und das bei sinkender Bevölkerung – sollte geprüft werden, wo erneuerbare Energien auf konventionelle Infrastruktur zurückgreifen können. So kann Biogas aufbereitet und in ein vorhandenes Erdgasnetz eingespeist werden, anstatt es vor Ort zu verfeuern, Ölheizungen können auch mit Öl aus Speiseresten oder landwirtschaftlichen Abfällen betrieben werden.
Energiespeicher – wichtiges Zukunftsthema
Bei der Planung von Stromnetzen werden künftig auch Batteriespeicher eine wichtigere Rolle spielen – das sollte bei Infrastrukturmaßnahmen berücksichtigt werden. Bereits heute können sich größere Speicher lohnen, wenn aufgrund massiver Schwankungen im örtlichen Netz – zum Beispiel bei großen Windparks im Umkreis einer kleinen Kommune mit geringem Stromverbrauch – der Netzausbau sehr teuer würde und intelligente Steuertechnik alleine nicht ausreicht, um die Schwankungen abzufangen.
Die Wirtschaftlichkeit wird weiter zunehmen, da Speichertechnologien verstärkt gefördert werden und die Technik günstiger wird. Für verschiedene Einsatzszenarien etablieren sich zurzeit folgenden Batterietechnologien: Lithium-Ionen-Speicher für den Kurzzeiteinsatz (Minuten bis Stunden), Natrium-Schwefel Hochtemperaturspeicher für Tageszeiträume und Vanadium-Redox-Flow-Batterien für langfristiges Speichern (Monate).
Eine weitere Möglichkeit besteht im Speichern als Gas (Erdgas, Biomethan, Wasserstoff). Hier lässt sich die vorhandene Erdgasinfrastruktur nutzen – und man ist sehr flexibel in der weiteren Verwendung: sei es als Treibstoff für Fahrzeuge, zum Heizen in Thermen oder zur Stromgewinnung in Generatoren bzw. Turbinen. Derzeit ist die Erzeugung von Wasserstoff oder Methan mit überschüssigem Strom noch teuer – doch sind die Rohstoffe (CO2, z.B. aus Biogasanlagen und viel überschüssiger Strom aus Wind- und Solaranlagen) regional günstig verfügbar, ist eine solche Power to Gas Anlage künftig wirtschaftlich sinnvoll umsetzbar.
Auch für Speicher gilt es, die verschiedenen Technologien durch online-fähige Mess- und Steuertechnik zu kombinieren und aufeinander abgestimmt zu steuern.
Weiterführende externe Links
- Projektbeispiel Lastrup – intelligente Anlagensteuerung zur Netzentlastung
- Projektbeispiel Feldheim – lokales Netzmanagement
- Projektbeispiel Werpeloh – intelligenter Trafo macht Netzausbau unnötig
Serie zur Energiewende auf dem Land
Weitere Beiträge werden in den kommenden Wochen jeweils Dienstags hier erscheinen. Wer besonders neugierig ist, kann sich bei der Initiative “Smart Country” bereits in die Texte einlesen, dort sind die Ergebnisse der Expertengruppe im Herbst 2014 erschienen.
Teil 1: Die Energiewende – eine Schönheit vom Lande
Teil 2: Ein verlässlicher Energiemix aus lokalen Ressourcen
Über Andreas Kühl
Energieblogger aus Leidenschaft mit großem Faible vor allem für effiziente Energienutzung im Strom- und Wärmebereich. Aber auch die kostenlose Energie, die uns die Natur zur Verfügung stellt ist faszinierend und Herausforderung zugleich.