"Selma" [USA 2014]


David Oyelowos Kopf klappt wie an einer Marionettenschnur gezogen Richtung Boden. Sein eindringlich imitierter Martin Luther King ist ein majestätischer Apologet, ornamentiert von einer Lampe über ihm, einem symbolischen Heiligenschein, ein treufanatischer Verteidigungsstratege geistlicher, pazifistischer Werte, obschon er regelmäßig von neuem die Augenlider wegschauend senkt – und den Kopf niedergeschlagen abwinkelt. "Selma" erzählt einen biografischen Lebensabschnitt Kings, der in Selma, Alabama zu Protestmärschen aufrief, das Wahlrecht für alle Bürger, quasi den Rost an der Brücke, unabhängig der Hautfarbe, durchzusetzen. Eine barmherzig-heroische Geschichte ambitionierter Willensanstrengung für ein amerikanisches Betroffenheitspublikum, vertieft in braun-erdigen Farbtönen und rustikal ausgestattet. Was "Selma" dort vermindert, erhöht die Regisseurin Ava DuVernay an anderer Stelle umso begieriger. Schlussendlich leidet "Selma" wie viele Werke nach allen Regeln der Oscarkitschkunst an politischer Verknappung, wenn der Film King lediglich verblüffend aufdringlich (und enervierend) predigen und Präsident Lyndon B. Johnson lediglich verblüffend aufdringlich einlenken lässt. "Selma" ist dermaßen undifferenziert und schmierig geraten, das sich Oprah Winfrey, sie spielt eine kleine Nebenrolle und wird von weißen Polizeibarbaren verprügelt (sic!), freuen kann. Eine krustenpomadige Zeitlupenästhetik in den (wenigstens: wuchtigen) Gewaltmassenszenen begleitet einen widerwärtig effekt- und mitleiderheischenden, schweren Schrittes sprunghaft stolpernden Film, der sich historisch auf dessen Status-quo-Symbolgehalt reduziert denn auf Nuancen einer gesunden historischen Zurückhaltung.
4 | 10

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