"Selig sind die sanft Mutigen"

Der Leipziger Pfarrer Christoph Wonneberger (geb. 1944) predigt den friedlichen Revolutionären, die im Herbst 1989 immer wieder montags auf die Straße gehen

Christoph Wonneberger, Foto: Dirk Vogel Christoph Wonneberger, Foto: Dirk Vogel

Die Leipziger Lukaskirche ist an diesem Montag rappelvoll. Aus der ganzen Stadt sind am 25. September 1989 mutige DDR-Bürger gekommen, um die Andacht von Christoph Wonneberger zu hören. „Unselig sind, die ihren Führungsanspruch mit Gewalt durchsetzen wollen,“ predigt „Wonni“, „das Land wird sie enterben.“ Nicht nur den Stasispitzeln ist klar: Das ist ein Frontalangriff auf das sozialistische Unrechtsregime um Erich Honecker. Aber es ist ein Angriff, der auf Gewalt verzichtet. Es ist ein Aufruf zur Friedlichen Revolution: „Selig sind die sanft Mutigen. Sie werden das Land besitzen.“ Dann gehen der Pfarrer und seine Gemeinde auf die Straße und demonstrieren für ihre Freiheit.

Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1989-1023-022 / Friedrich Gahlbeck / CC-BY-SA 3.0 Immer wieder montags: Die mutigen Leipziger demonstrieren für ihre Freiheit

Christoph Wonneberger ist 1944 im Erzgebirge geboren. Das evangelische Gemeindehaus ist ihm von Anfang an–wohlvertraut, denn schon der Vater ist Pfarrer. Das aber erschwert ihm den Unizugang, den die Staatsführung nur für linientreue Parteisoldaten öffnet. In einer Maschinenschlosserausbildung stellt Wonneberger seinen Sinn fürs Praktische unter Beweis. Das erkennt auch die Staatssicherheit und will ihn als Spitzel anwerben, als er doch noch zur Theologie findet. Obwohl er zunächst zusagt, steigt der junge Pfarrersschüler aus Gewissensgründen wieder aus, ehe er zum Denunzianten wird. Die Stasi lässt ihn fortan nicht mehr aus den Augen. Den Prager Frühling erlebt „Wonni“ als junger Erwachsener direkt in der Goldenen Stadt. Er muss mit ansehen, wie Moskau den Freiheitswunsch der Tschechen mit Panzern und Waffengewalt niederschlägt. Freiheit ist auch für Wonneberger ein großes Thema. Auf der Kanzel und im Pfarrhaus findet er zumindest ein bisschen Freiraum. Er wächst in die Rolle eines unerschrockenen Wortführers hinein, der sich weder von seiner Kirchenleitung, noch von der Stasi einschüchtern lässt. In seiner offenen Gemeindearbeit und auf Flugblättern spricht und schreibt er Klartext. Immer stärker engagiert sich Wonneberger in der DDR für Reformen und bürgerliche Freiheiten. Im Herbst 1989 entwickeln die Friedensgebete und die montäglichen Andachten eine ungeahnte Eigendynamik: Von Woche zu Woche strömen mehr Menschen nach den Gottesdiensten auf die Straßen. Schließlich demonstrieren Hunderttausende friedlich gegen das sozialistische Unrechtsregime. „Wir sind das Volk“, rufen die Menschen – und die Mauer beginnt unter diesen kraftvollen Worten zu bröckeln. Mitten im größten Triumph seines langen Freiheitskampfes aber verschlägt es Christoph Wonneberger die Sprache: Ausgerechnet der wortmächtige Revolutionär kann nach einem Hirnschlag plötzlich nicht mehr sprechen. So wie die DDR zusammenbricht, so stürzt auch Wonnebergers Welt in sich zusammen: Die Kirche schickt ihn wider seinen eigenen Willen in den Vorruhestand und er gerät rasch in Vergessenheit. Schließlich zerbricht auch die Ehe mit Ute, in die Wonneberger lange Zeit wenig Zeit investiert hatte. Aber Wonneberger steckt nicht auf. Langsam, aber stetig kämpft er sich zurück – erst ins Leben, dann ins öffentliche Bewusstsein. Ein Vierteljahrhundert nach dem Mauerfall ist „Wonni“ ein gefragter Zeitzeuge, der gerne seine Geschichte von Mut und Entschlossenheit erzählt.

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