Selektives Gedenken: 17. Juni 1953

Von Modesty

Da heute wieder ein umfassendes Gedenken an die Opfer des 17. Juni 1953 einsetzt, die zweifellos genau so zu bedauern sind wie alle anderen Opfer von Staatsgewalt, derer es in der deutschen Geschichte ja leider mehr als genug gegeben hat, hier ein Verweis auf einen Artikel in der jungen Welt, in dem jener Tunnelblick beschrieben wird, mit dem in Deutschland bestimmter Ereignisse gedacht wird.

Denn es war ja keineswegs so, dass es nur in der DDR Unrecht, Gewalt und Willkür gegeben hätte – auch wenn man diesen Eindruck bekommen könnte, was keineswegs unerwünscht ist. Dabei haben die Staaten des freien Westens während der 50er (und das ja bis heute nicht aufgehört) Jahre auch Millionen von Menschen unterdrückt, ausgebeutet, verfolgt und ermordet – nur meistens nicht im eigenen Land, sondern weit weg, in den damals noch vorhandenen Kolonien. Was die Regierung des sozialistischen Teils von Deutschland scharf verurteilte.

Matthias Krauß erinnert in seinem Artikel Der andere 17. Juni auch noch an einen anderen Arbeiteraufstand, bei dem es zahlreiche Tote gab – unbewaffnete Arbeiter, die von der Polizei gnadenlos zusammengeschossen wurden, weil sie es gewagt hatten, am 1. Mai einen Umzug zu veranstalten, den der sozialdemokratische Polizeipräsident Zörgiebel hatte verbieten wollen.

Warum wird nicht an den Blutmai von 1929 erinnert? Weil es hier mit den Schuldzuweisungen nicht so einfach ist? Schließlich war am 1.Mai 1929 kein “Unrechtsregime” an der Macht, sondern eine demokratisch gewählte Regierung. Die aber genauso arbeiterfeindlich gesinnt war, wie es jede Regierung sein muss, die einen funktionierenden Kapitalismus am Laufen halten will.

Was wäre heutzutage in Berlin los, wenn sich beispielsweise sämtliche Arbeiter auf der inzwischen weltbekannten Großbaustelle BER erheben und durch die Stadt ziehen würden, um gegen ihre miesen Arbeitsbedingungen zu demonstrieren? Grund genug hätten sie gewiss. Und garantiert würde die Polizei aufmarschieren – vermutlich eher nicht, um sich den Protestierenden solidarisch anzuschließen…