Selbst ist die Band

Selbst ist die Band

Super 700 “Under The No Sky” (Motor)
Die Frage muss erlaubt sein: Stammt dieses Album denn tatsächlich von derselben Band, die vor gut drei Jahren mit „Lovebites“ ein zwar lang erwartetes, aber etwas unentschlossenes und zum Teil doch recht dünnes Werk abgeliefert hat? Sind das die Super 700, die vor nicht allzulanger Zeit noch mit Produzentenidolen wie Gordon Raphael und Rob Kirwan hausieren gehen konnten, die sich auf Pressefotos gern den verlebten und harten Charme der Straße attestieren liessen, Ledermontur, Kampfhund, Attitüde rules? Die Antwort: Ein klares Jein. Denn die Familie ist kleiner geworden, von der ursprünglichen Besetzung sind mit Ibadet Ramadani, Michael Haves und Sebastian Schmidt nur noch drei an Bord, neben anderen haben sich auch zwei der Ramadani-Schwestern verabschiedet, Bassist Jan Terstegen dagegen ist neu dabei. Entschlackung könnte man das nennen, Konzentration – ein Aderlass, wie vielleicht vermutet, ist es nicht geworden, denn das aktuelle Album klingt mit weniger Personal um einiges stingenter, reifer und kompakter als der Vorgänger. Und das, obwohl diesmal keine der hochgelobten Koryphäen die Regler im Auge hatte – die vier haben das Album selbst produziert und dies war – je öfter man es anhört, desto klarer wird das – eine gute Entscheidung.
Denn „Under The No Sky“ hat, was „Lovebites“ über weite Strecken vermissen lies: die Ideen, die Ruhe und die Tiefe, der Sound wirkt klarer und kraftvoller als beim zweiten Album. Die Keyboards flogen zugunsten eines schwerblütigen, analogen Klangs nahezu komplett über die Reeling, Piano und Streicher ergänzen das klassische Instrumentarium der meist im Midtempo gehaltenen Stücke. Schon „21st Century Girl“ zu Beginn rollt behäbig an, Ramadanis dunkler, erdiger Gesang harmoniert wundervoll mit dem zeternden Gitarrenlärm ihrer Mitstreiter. Das elegante und locker angezählte „Live With Grace“ setzt einen vorsichtigen Kontrapunkt, es folgen eine Handvoll großartiger Songs, denen man nichts Unrechtes tut, rückt man sie in die Nähe der frühen Goldfrapp zu Zeiten von „Felt Mountain“ und „Seventh Tree“: geheimnisvoll, melancholisch, verwunschen, das kann sich jeder selbst aussuchen, in jedem Falle Songs mit verteufelt eingängigen Melodien. Zur Ergründung des Herzens bei „One Of A Kind“ wagt sich die Band sogar an ein Riff, wie es The Edge nicht besser hätte spielen können, das traumhafte Titelstück kommt mit einem Anflug von Westernromantik daher und – nicht weniger rührend – „When The Evening Comes“ stolpert gekonnt zu einer Reihe von endzeitlichen Ratschlägen: „And when your love is gone, love that was all you have, cook all your favorite meals, salt them with all your tears, …, burn what you have to burn, and when the evening comes, there’ll be no time for rest, put on your favorite shoes for it might be the last“.
Trotz des weitestgehenden Verzichts synthetischer Kulissen ist “Under The No Sky” kein Rockalbum im eigentlichen Sinne geworden – sie können es wohl, tun es aber nicht so oft – das kratzig ungestüme „Dear Wolf“ bleibt hier gemeinsam mit dem Eingangsstück die Ausnahme. Der Fokus bleibt auf die schattige Erhabenheit solcher Stücke wie „Make Rain“ oder „My Bones“ gerichtet, gebremste Emphase, hintergründig, mal gruselig, dann wieder mit ausgelassener Choreinlage („Queen Of Inbetween“) – wie sie’s auch anpacken, es scheint ihnen spielend zu gelingen. Diese Selbstverständlichkeit ist’s, die an „Under The No Sky“ beeindruckt und den Rezensenten zu uneingeschränktem Lob befeuert, wo sich zuvor Häme und Enttäuschung breit gemacht hatten. Gestärkt zurück also im zweiten Anlauf, viele versuchen es, wenigen gelingt es – Respekt dafür. http://www.super700.de/
Unterwegs:
28.03. Berlin, Astra Kulturhaus (mit Cäthe)29.03. Dresden, Scheune (mit Cäthe)30.03. Kiel, Orange Club (mit Cäthe)
18.05. Berlin, Lido19.05. Köln, Luxor20.05. Hamburg, Goldener Salon
23.05. München, Ampere24.05. Stuttgart, Goldmanns

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