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Damit trat das Thema Bindung in einen deutlichen Zusammenhang mit den energetischen Erfahrungen von Verbindung, die ein Mensch in seiner frühesten Entwicklung macht. Dies gilt insbesondere für die pränatale Phase und das erste Lebensjahr, in denen sich die Mutter-Kind-Bindung und das energetische (ich benutze hier den Begriff »energetisch«, um damit all die sensitiven, instinktiven, intuitiven und gefühlsbezogenen Potentiale zusammenzufassen, die im Vorfeld der Ich-Entwicklung und Wortsprache das Kind kennzeichnen) Wesen des Menschen am deutlichsten darstellen.Gleichzeitig ließen sich nicht nur bei mir selbst, sondern bei allen erwachsenen Menschen eine auffällige übermäßige Identifizierung mit dem Verstand, seinen Urteilen und Konstrukten, beobachten. Dazu trat ein nahezu endemisches Bedürfnis nach den anerkennenden Blicken der anderen, der süchtige Wunsch, sich in inneren oder äußeren Wertsystemen sozial gespiegelt zu sehen. Ich kam also hier mit Fragen nach dem Wesen des Narzissmus, des Egos oder des narzisstischen Egos in Berührung. Ein heißes Eisen.
Was Bindung und ihre Störungsmuster betraf, versuchte das patriarchalische Modell von Therapie vom Olymp des diagnostischen Ego-Verstands herab, Symptome aus der präverbalen Entwicklungsstufe zu behandeln. Einer Phase, in der Verschmelzungserfahrungen, Nur-Körper-Sein, energetische und emotionale Präsenz jenseits der Gedanken und Begriffe, vorherrschen. Kann so etwas funktionieren?
Wie hing das alles zusammen? Eines erkannte ich deutlich: Es galt, sich dem Phänomen des Narzissmus und des Ego-Verstands zu stellen.
Ich beobachtete an mir, dass im Laufe meiner körpertherapeutischen Karriere die Bedürfnisse nach Bestätigung, Erfolg und Anerkennung, nicht ab-, sondern zunahmen. Nach wie vor wollte ich mich »wichtig« fühlen. Vieles davon spiegelte sich im Gradmesser Geld wieder. Die gesellschaftstypische Leistungsorientierung dominierte auffällig mein Denken.
Die freiberufliche Tätigkeit versetzte mich in die Position, das rechte Maß für mein arbeitsmäßiges Engagement zu verlieren, an den Rand der Erschöpfung zu geraten. Ähnliches hatte ich zuvor bei meinen Lehrern beobachten können. Also alles wie im normalen Leben.
Ich kompensierte meine Arbeitswut typischerweise mit steigendem Konsum. Schnellere Autos und andere Männerspielzeuge, häufige Urlaube und Luxus verknüpfte ich mit der Rationalisierung, mir kompensatorisch etwas Gutes zu gönnen. Arbeiten bis zum Rand der Erschöpfung, anschließend das verdiente Geld wieder für einen tollen Urlaub ausgeben, um danach weiter zu ackern, bis spät in die Nacht, ohne freie Wochenenden. Das sollte es gewesen sein? Das also gab sich als die Freiheit, als das Emanzipationsversprechen, die Befreiung, die ich anderen Menschen vermitteln wollte? Wie verlogen war das denn?
Dazu traten, wie ich es aus frühester Jugend kannte, meine politischen und gesellschaftlichen Ambitionen. Überall musste ich dabei sein, mitmischen. Statt Parteipolitik trat Berufspolitik in den Vordergrund: EABP, Forum, Wilhelm-Reich-Gesellschaft, Kongresse, Gaststrainer-Workshops, nicht zu vergessen die publizistische Tätigkeit mit meiner eigenen Zeitschrift »Ströme-Rundbrief für Reichianischer Körperarbeit« und in dem Wilhelm-Reich-Periodikum »Emotion« und dazu noch mein eigener Verlag.
Gedankenkonstrukte und ihre Veräußerung in Wort und Sprache bildeten ein Zentrum meiner Identität. Je mehr ich arbeitete, desto auffälliger wuchs die Neigung, in Konzepten und Interpretationen, die ich mir zurechtgelegt hatte, einen Halt zu finden. Mein Terminkalender plusterte sich auf, ich zog eine perverse Befriedigung daraus. Zehntausende Kilometer jedes Jahr verbrachte ich auf der Autobahn, unterwegs zum nächsten Termin, so besonders fühlte ich mich. Was unterschied mich von einem Versicherungsvertreter, der besessen beruhigende Policen an überängstliche Zeitgenossen verkaufte und atemlos dem Geld hinterherhechelte?
(Fortsetzung folgt)