Mit solchen Erfahrungen und Fragen im Hinterkopf wartete ich gespannt darauf, ob und wann ich dem Trancephänomen in der Praxis wiederbegegnete.
Bereits einige Wochen später fand eine Klientin den Weg zu mir, die depressive Persönlichkeitsmuster und energetisch-chronische Erschöpfung zeigte. Es ließ sich bei ihr eine spontane Neigung zu Trancezuständen beobachten, die sie gleichzeitig zu blockieren und zu kontrollieren versuchte. Die Halsstarrigkeit in der Körperhaltung sprang ins Auge. Eine deutliche Spaltung zwischen dem kontrollierenden Kopf und einem davon abgetrennten Körperbewusstsein manifestierte sich in ihrem einem, unbeweglichen Halssegment (»halsstarrig«), eine Versteifung, gerichtet gegen jede Art von Nachgeben, Loslassen und Hingabe.
Beim klassischen Vorgehen hätte ich zunächst eine ausreichende energetische Ladung über die Atmung forciert, um über die erhöhte Spannung die muskulären Panzerungen im Nackenbereich effizient zu bearbeiten. Doch welche Alternativen blieben, wenn ein Organismus chronisch unterladen und erschöpft wirkt? Sollte ich erst einmal wochen- oder monatelang versuchen, das Energiesystem zu mobilisieren, um die energetische Ladung deutlich zu erhöhen? Galt es die Atemhemmungen, die die Ladungsprozesse behinderten, mühselig zu bearbeiten und zu überwinden? Oder gab es Alternativen?
An diesem Punkt versuchte ich einen neuartigen, intuitiven Weg: den des Haltgebens. Ein erster Schritt bestand darin, die Tranceneigung umzudeuten als einen natürlichen und zu unterstützenden Impuls. Ich hielt meine Hände unter den Nacken der Klientin, ohne etwas zu tun, ohne Druck auszuüben, zu massieren oder in einer anderen aktiven Weise zu intervenieren. Ich nutzte meine Berührungen nur, um Halt zu vermitteln, da zu sein: die Geburtsstunde des »Seinshalts«. Seine Wirkung erwies sich als phänomenal. Innerhalb weniger Minuten fiel die Klientin in spontane und tiefe Trance. Es machte den Eindruck, als ob die Präsenz meiner haltenden Hände ihr die Erlaubnis gegeben hätte, loszulassen und sich ihren Impulsen hinzugeben.
Ich nahm meine Hände nicht weg, ließ sie dort, wartete. Der Trancezustand dauerte an. Der Atem zeigte die typischen Muster der Entspannungsatmung, die ich auch bei Neugeborenen beobachten konnte: flache, kaum sichtbare Atembewegungen, unterbrochen durch ein-zwei tiefe und ausgiebige Atemzüge.
Nach ca. 20 Minuten kam die Klientin spontan aus diesem Zustand, streckte und reckte sich, sah rosig und entspannt aus, lächelte mich an (was sie bisher nicht getan hatte). Auf mein Nachfragen berichtete sie, sie fühle sich erholt, wohlig und erfrischt, beschrieb also Gefühle, die denen, die ich selbst bei der Cranio-sacralen Therapie erlebt hatte, verblüffend ähnelten.
Wenn die Tranceerfahrungen zeigten, dass sie energetisch kräftigten, den Kontakt erleichterten, statt ihn zu blockieren, sprach alles dafür, dieses Phänomen ausgiebiger zu erforschen. Im Laufe der Zeit lernte ich, dass Unterschiede in der Tiefe der Trance existierten. Gedanken- und Bildmuster traten auf, die gehirndominierte Selbstkontrolle lieferte aufschlussreiche diagnostische Hinweise auf Abwehrmuster, die die Persönlichkeitsstruktur kennzeichneten. Also letztlich auf die Frage, mit welchen Rationalisierungen und Gedankenmustern der Verstand Hingabe zu verhindern pflegt.
Der Seinshalt, den meine Hände vermittelten, indem sie berührten, präsent, liebevoll, unterstützend, und mit der entsprechenden inneren Haltung, ohne zu manipulieren, ohne zu forcieren, all dies erwies sich als zentrales Element zur Induktion einer tiefen Entspannung. Ich fand bald heraus, dass es unterschiedliche Körperregionen gibt, in denen diese Art Halt eindrucksvolle Resultate nach sich zog. Neben dem Nackenbereich zeigte sich dieser Effekt insbesondere im Rücken.
(Fortsetzung folgt)