Sein vor Schein

Sein vor Schein

Balloon Pilot „Balloon Pilot“ (Millaphon)
Mit Genugtuung, ja unverhohlener Freude nimmt man als Freund handwerklich soliden Muckertums zur Kenntnis, dass der jahrelang grassierende Castingirrsinn offenbar angezählt scheint, die Quoten sinken quer über alle Formate und Bohlen, der Teufel in Menschengestalt, macht ein langes Gesicht. Die Hoffnung jedoch, dass nun all die vormals verirrten Seelen Erleuchtung erfahren und in naher Zukunft zu Anhängern feingliedrigen Indierocks bekehrt werden könnten, ist allerdings so trügerisch wie der Wunsch unsinnig.

Hat man vor diesem Hintergrund das Debüt der Band Balloon Pilot angehört, weiß man mit Sicherheit, dass die Macher des kleinen Münchner Labels Millaphon nicht schnödes Kalkül, sondern guter Geschmack zur Vertragsunterschrift bewogen haben muss. Was die fünf jungen Männer, allen voran Sänger und Kreativkopf Matze Brustmann, an Songs auf ihrem Album versammelt haben, ist zwar nicht eben neu – Bands wie Slut oder Notwist haben in früheren Tagen ähnlich musiziert – aber von allererster Güte. Die Qualität der vornehmlich im Downtempo gehaltenen, klassisch und zurückhaltend instrumentierten Stücke beweist sich in der Klarheit und Ruhe, die ihnen zugrunde liegt – keine Aufgeregtheiten, nichts Grelles haftet ihnen an und selbst wenn mal gerockt wird wie beim Eröffnungsstück „Insecure“ oder den späteren „Don’t Call“ und „Prudence“, geschieht das ohne jede aufgesetzte Kraftmeierei. Diese scheinbare Beschränkung, diese Sanftheit und Vorsicht geben den Stücken ihre Glaubwürdigkeit, wie es auch Brustmanns leise Texte tun. Unspektakuläre, versonnene Alltagsdialektik, in fantasievolle Sprache gegossen – nichts will hier mehr scheinen als sein.

Hervorzuheben vielleicht das behutsam angeschlagene „Chasing Games“ – genau hier wird deutlich, dass Balloon Pilot um die Mittel wissen, wie man aus einem durchschnittlichen ein perfekten Song zaubert: leicht variierendes Drumset, sparsame elektronische Einschübe, ein Cello am Schluß – mehr braucht es nicht. Dass Schlagmann Andreas Haberl auch bei besagten Notwist trommelt, glaubt selbst der Laie zu hören – leider, das als winzige Kritik, bleibt er bei gut der Hälfte der Songs zu gut im Hintergrund versteckt. Weiteres Lob an Radi Radojewskis Akkordarbeit, „Bargain Street“ veredelt der Gitarrist ebenso grandios wie das fast schon krawallige „50 Cent“. Wenn Brustmann am Ende davon singt, dass er wie ein angepiekster Ballon durch die Luft taumelt, so ist darin auch eine kleine Portion Understatement verpackt – man hat nicht den Eindruck, dass Balloon Pilot so schnell die Luft für weitere Großtaten auszugehen droht. Gut so. www.balloon-pilot.de


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