Seifenblasenwelten

Von Stefan Sasse
Man kann den deutschen Medien vieles vorwerfen. Dass sie zu ungeheurer Sensationslust neigen, mangelhaft recherchieren und, vor allem, einen gewaltigen Grundkonsens teilen, was die Agenda-Politik betrifft. Ich habe schon öfter darauf aufmerksam gemacht, dass die "Gegenöffentlichkeit", die sich inzwischen gebildet hat, diesen Grundkonsens deutlich erschüttert hat (ebenso wie die Vorgänge der Finanzkrise). Inzwischen finden sich deutliche Abweichungen in den meisten gängigen Medien, von den Kolumnen bei SpiegelOnline bis hin zum Feuilleton der FAZ. Ein Phänomen allerdings fehlt der deutschen Medienlandschaft bislang, glücklicherweise, noch vollständig. Es ist das Phänomen Fox News. Der amerikanische TV-Sender ist wohl das erfolgreichste Gegenöffentlichkeits-Projekt, das sich denken lässt. Jahrenlang beschwerten sich die amerikanischen Konservativen über die Parteilichkeit in den Medien, den "liberal bias". Alles an der Medienwelt war ihnen zu liberal, zu weit weg vom "echten Amerika", ganz besonders natürlich Hollywood. Jetzt gibt es einen Fernsehsender, der so unliberal ist, wie es unliberal geht. Es gibt passende Radioshows (Rush Limbaugh oder Glenn Beck). Wer tickt wie die Tea Party, der braucht keine anderen Medien mehr, er wird rundumversorgt. Diese konservative Medien filtern außerdem heraus, welche Elemente der Welt da draußen sicher sind - nicht, dass man in einem aktuellen Hollywoodblockbuster am Ende subversivem liberalem Gedankengut ausgesetzt wird, wie etwa in The Dark Knight Rises wo der Bösewicht ganz klar nur deswegen Bane genannt wurde, damit negative Assoziationen zu Mitt Romneys Firma Bain Capital geweckt werden. 


Filter wie der von Fox News erschaffen eine selbstreferenzielle Seifenblasenwelt. Es gibt keinerlei Notwendigkeit mehr, sich mit irgendetwas zu beschäftigen, das außerhalb der Seifenblase liegt. Auf diese Art und Weise entstehen in sich abgeschlossene, rein ideologische Systeme. In diesem Ausmaß war das nicht möglich, solange man quasi dazu gezwungen war, wenigstens in der Überschrift andere Gedanken zu lesen, während man durch die Zeitung blätterte oder die Tagesschau ansah. Fox News ist die Perversion der Gegenöffentlichkeit, ihre ultimative Konsequenz. Auch andere amerikanische Sender haben sich diesem Trend mehr und mehr unterworfen. MSNBC etwa ist sehr liberal eingestellt, ebenso CNN. Und dass Sendungen wie die "Daily Show" nicht gerade Säulen der republikanischen Partei sind dürfte ebenfalls klar sein. Anstatt aber einen kritischen Geist zu befeuern, sorgt diese Spaltung der Medienlandschaft zwar für klare Freund-Feind-Bilder, leistet aber ansonsten nur Schlimmes. 

Wer in einer Seifenblasenwelt lebt, der kennt die Wahrheit und ist in ihrem Besitz. Alles, was von draußen kommt, ist daher Lüge und falsch. Da jeder intelligent denkende Mensch aber (wie der Seifenblasenbewohner) die Wahrheit ja erkennt, kann es nur zwei Gründe geben, dass die andere Seite Bestand hat: entweder durch das große Brainwashing, das die Hirne vernebelt und sie vom Zugang zur Wahrheit hindert, oder der böswillige und von Geld- und Machtinteressen beherrschte Versuch, eben diese Vernebelung zu erreichen. Es ist die ultimative Verschwörungstheorie. Eine kleine Elite mit böswilligen Absichten, abgekapselt vom Leben der "normalen Menschen" (hier Bertelsmann und Springer, dort "liberal media") nutzt ihre umfangreichen Ressourcen, um schädliche Ideen durchzusetzen. Es ist auf der Basis solch einer Abkapselung in der eigenen Seifenblase, dass die Vorstellung, den Klimawandel gäbe es nicht, überhaupt sprießen kann. Die Ideologie wird in einem Ausmaß verinnerlicht, das jeden Gegenbeweis ausblendet oder im Rahmen der Ideologie rationalisiert. Die Seifenblasenwelten unterscheiden klar in Freund und Feind, und wer nicht dazugehört muss eben entweder zu seinem Glück gezwungen werden oder ist böswillig daran interessiert, die Masse von der Wahrheit abzuhalten. Dass es schlichtweg mehrere unterschiedliche Meinungen gibt, von denen keine die absolute Wahrheit enthält, und dass die Gesellschaft nur im Kompromiss bestehen kann, das ist in den Augen dieser Leute reine Häresie. Für eine Demokratie aber sind solche Gedanken Gift, denn sie lebt nicht vom Kampf der Meinungen, sondern von ihrem Wettstreit. Da ist kein Platz für Feinde.


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