Astrid Lindgren
Ihr Lieben,
heute möchte ich Euch eine Fabel G.E.Lessing erzählen:
„Zwei Krebse“
"Geh doch gerade und vorwärts!" rief die Krebsmutter dem jungen Krebs zu. "Von Herzen gerne, liebe Mutter", antwortete dieser, "nur möchte ich sehen, dass Du es genauso machst." Jedoch vergeblich strengte sich die Mutter an und sichtbar wurde ihre Sucht, zu tadeln.“
Ihr Lieben,
diese kleine Fabel hat in sich zwei wunderbare Wahrheiten:
Wir sollten von unseren Kindern und Enkelkindern niemals etwas verlangen, zu dem sie nicht imstande sind. Wenn wir das tun, sorgen wir dafür, dass sie überfordert werden, sich minderwertig und schuldig fühlen und dann noch mehr versagen und im schlimmsten Fall depressiv werden.
Ich erinnere mich noch daran, als ich 15 Jahre alt war. Körperlich sah ich leider aber eher wie 11 oder 12 Jahre aus. Im Turnunterricht sollten wir am Reck einen Aufschwung machen (ich hoffe, Ihr kennt diese Übung noch), der mir leider aufgrund meiner dünnen Arme und fehlenden Muskeln nicht gelang.
Statt mich dabei zu unterstützen, meine Muskeln zu kräftigen, unterstellte der Lehrer mir Unlust und Unwilligkeit und nachdem meine Versuche mehrfach über mehrere Wochen vergeblich waren, verdrosch mich der Lehrer vor der gesamten Klasse und schrieb einen Brief an meine Mutter, der zu einer weiteren Tracht Prügel nach sich zog.
Das Ergebnis war, dass ich, wenn ich morgens unserem mannshohen Badezimmer-spiegel stand und mich im Spiegel betrachtet, ich mich selbst am meisten hasste und dass ich mir am liebsten selber welche reingehauen hätte.
Ich kann nur dankbar und froh sein, dass Menschen mir Mut gemacht haben, durchzuhalten und mich unterkriegen zu lassen.
Die zweite Wahrheit aus dieser kleinen Fabel, die wir lernen können, ist, dass wir niemals von unseren Kindern etwas fordern sollten, das wir nicht bereit sind selber zu tun.
Ich bin bei meinen Söhnen immer gut damit gefahren, dass ich zu ihnen gesagt habe: „Wenn ich von Euch z.B. Pünktlichkeit verlange, dann verlange ich von Euch nur etwas, das auch ich selbst bereit bin, einzuhalten. Mir war klar, dass ein Vater, der selber ständig unpünktlich ist, wenig glaubhaft wirkt, wenn er von seinen Kindern Pünktlichkeit verlangt.
Aber gerade dieser zweite Punkt zerstört sehr häufig das Verhältnis zwischen Kindern und ihren Eltern, weil viele Eltern nicht bereit sind, das zu tun, was sie von ihren Kindern verlangen.
Gegen Rauchen und Alkohol trinken ist im Grunde nichts einzuwenden, aber wenn wir von unseren pubertierenden Kindern und Enkelkindern Enthaltsamkeit verlangen, dürfen wir uns nicht wundern, dass wir auf unsere Kinder und Enkelkinder dann unglaubwürdig wirken, wenn wir selbst keine Stunde ohne Zigarette und keinen Tag ohne Alkohol auskommen können, um nur zwei klassische Beispiele zu nennen.
Ihr Lieben,
ich wünsche Euch heute einen fröhlichen und vorbildlichen Tag und grüße Euch mit einem freudigen Moin Moin aus Bremen vom Weserstrand