Sehe ich die kleinen Wunder am Wegrand?

Die aufmerksame Beachtung und Beobachtung der vielen kleinen Momente des Glücks, die jeder Tag mit sich bringt, und auch das absichtliche Suchen von angenehmen Sinnesfreuden sind für mich besonders hilfreiche Wege, um mein Wohlbefinden positiv zu beeinflussen.

Es geht mir dabei um alles, was Spaß macht, was meine Stimmung hebt, mich heiter stimmt, mir belebende Energie verleiht oder was mir Entspannung, innere Ruhe und Gelassenheit bringt. Denn auch wenn die Wirkung dieser einfachen Dinge oft nur vorübergehend ist, sind diese kleinen Freuden für mich doch ganz entscheidende Wegbegleiter.

Deshalb übe ich mich immer wieder darin, jedes kleine “Augenblicksblinken” des Glücks zu erkennen, auch wenn es nur an mir vorüberweht und dann rasch wieder vergeht, wie es in einem Gedicht des von mir sehr geschätzten Hermann Hesse heißt.

Hauhechel-Bläuling - Foto: Jürgen Tesch - leben-lernen-lieben.de - Standort: Taubergießen - Mai 2014

Blauer Schmetterling

Flügelt ein kleiner blauer
Falter vom Wind geweht,
Ein perlmutterner Schauer,
Glitzert, flimmert, vergeht.
So mit Augenblicksblinken,
So im Vorüberwehn
Sah ich das Glück mir winken.
Glitzern, flimmern, vergehn.

Die besondere Kunst besteht darin, dass ich dieses kurze Aufblinken des Glücks auch tatsächlich wahrnehme. Und dieses genaue Hinschauen ist eine Fähigkeit, die wir alle lernen können, wenn wir nach angenehmen Ereignissen in unserem Leben Ausschau halten. Das Schöne daran: Jeder noch so kleine Schritt in diese Richtung ist gut und motiviert zum Weitergehen.

Letzte Woche habe ich mich einer ganz besonderen Herausforderung gestellt und ein kleines Experiment gemacht. Und zwar suchte ich mir für einen Spaziergang bewusst eine Strecke aus, auf der ich normalerweise eher laufe und Rad fahre, oder die ich lediglich nutze um zu einem wirklich lohnenden Ziel zu kommen, von denen es in dieser Gegend – dem Taubergießen – viele gibt. Der Ort, für den ich mich diesmal entschieden hatte, bietet dagegen eher wenige Höhepunkte – dachte ich. Dort angekommen wählte ich ein Wegstück von etwa 300 bis 400 Metern aus. An dieser Strecke gibt es Wiesen, einige Sträucher und ein kurzes Waldstück.

Diese Lebensräume habe ich dann Meter für Meter erforscht. Dabei konnte ich wahre kleine Wunder entdecken und geriet so auch immer mehr in einen meditativen Zustand – Du kannst ihn auch gerne »Flow« nennen, wenn Du Meditation eher mit Stillsitzen und Buddhismus verbindest. Ich war auf jeden Fall völlig auf das konzentriert, was es da zu entdecken gab, und vergaß vollkommen die Zeit. Es störte mich nicht einmal so sehr, dass die durch die Wärme und Luftfeuchtigkeit besonders aktiven Insekten in mir eine geöffnete Gartenwirtschaft sahen. ;-)

Eine selten gekannte Ruhe breitete sich schon nach kurzer Zeit in mir aus. Ein paar Schmetterlinge umschwirrten meinen Kopf und nahmen sogar auf meiner Hand Platz. Offenbar spürten sie meine innere Gelassenheit und die Verbundenheit mit der Natur und dem Leben, die ich in diesem Moment ganz deutlich empfand. Na gut, vielleicht wollten sie auch einfach nur ein wenig Salz von meiner Haut naschen.

Wie auch immer: Ich sah die Dinge plötzlich mit ganz anderen Augen, alles war neu, obwohl ich es schon so oft gesehen hatte. Alles war viel klarer, viel größer, viel bunter. Und ich sah die Dinge aus ungewöhnlichen Blickwinkeln. So legte ich mich in die herrlich nach warmem Gras und Blumen duftende Sommerwiese, sah den Wolken nach und fühlte mich nun selbst wie ein Schmetterling, der an den Nektartöpfen einer Wilden Möhre saugt. Ich lehnte mich mit dem Rücken an eine alte knorrige Eiche und sah steil am Stamm hinauf, eins mit den schwarzen Ameisen, die durch die tief gefurchte Borke ihren Weg nach oben nahmen. Ich stieg auf einen Hochsitz (okay, das sollte man vielleicht nicht tun) und beobachtete das kleine Gebiet, das ich so genau erkundet hatte aus der Vogelperspektive. Und wieder gewann ich völlig andere Eindrücke.

Ich war den ganzen Nachmittag auf diesen wenigen hundert Quadratmetern kreuz und quer unterwegs und habe mehr gesehen als in manchem vierwöchigen Urlaub. Und neben den Augen kamen auch alle anderen Sinne zum Zug. Ich berührte die Pflanzen und spürte ihre Zartheit und ihre Kraft. Ich genoss den süßen Geruch der sich in der Sonne entfaltenden ätherischen Öle der Blüten. Ich hörte das Summen der Insekten und ein im Gegensatz zu den Morgenstunden nur noch zaghaftes Zwitschern der Vögel …

Meine Zeit, die ich mir für diesen Artikel nehmen kann, reicht nicht aus, um all die vielfältigen Eindrücke weniger Stunden auch nur annähernd in Worte zu fassen. Reich beschenkt kam ich nach Hause. Ich kann deshalb nur jedem empfehlen, besinnlicher, langsamer und mit wachen Sinnen durch den Tag zu gehen. Es lohnt sich!

Welche Gewohnheiten mir persönlich dabei helfen, mehr und mehr Achtsamkeit in mein Leben zu bringen, das erzähle ich Dir gerne in meiner 7-teiligen Artikelserie Ein Tag in liebevoller Achtsamkeit.


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