Leere Herzen also. Hier sitze ich nun, starre auf Seite 270 und vermag einfach nicht umzublättern. Wozu? Will ich denn wirklich wissen, was auf den letzten 80 Seiten passiert? Eigentlich nicht. Und all die Zeit, die da noch drauf geht! Ermutigt von drei befreundeten BuchhändlerInnen, deren Meinung ich stets sehr schätze, werde ich deshalb hier und jetzt einfach abbrechen. Ich werde nie erfahren, wie die Story endet. Und es stört mich kein bißchen!
Worum geht es bisher? Britta Söldner, Mutter und Ehefrau, betreibt in einer nicht näher beschriebenen Zukunft eine Agentur für Selbstmordattentäter. Menschen mit Suizid-Wunsch vermitteln sie und ihr Kollege Babak an ökologische, religiöse oder politische Organisationen. Man kann sich vor einem Walfängerschiff oder vor einem staatlichen Gebäude in die Luft sprengen – ganz legal. Klingt erstmal spannend.
Doch fühlte ich mich schnell gelangweilt von den zweidimensionalen Figuren. Da ist kein Herz und keine Seele. Diese Figuren leben nicht, ich kann nicht mit ihnen fühlen. Auch hat Juli Zehs Version einer Zukunft in Deutschland mich nicht überzeugen können. In Leere Herzen ist zwar das bedingungslose Grundeinkommen selbstverständliche Realität, der iPod ein Relikt aus alter Zeit und man trinkt chilenischen Cabernet von 2020. Gleichzeitig wird mehrmals Trump erwähnt, als sei er noch im Amt – wann also spielt diese Geschichte? Viel zu sehr fühlte ich mich an einen Alltag in Berlin Mitte und Prenzlauer Berg in der Gegenwart erinnert. Immer wieder hatte ich das Empfinden, eine wütende Juli Zeh schreibe über das Heute, welches sie ein bißchen wie das Morgen aussehen lässt, um uns zu zeigen was aus uns wird, wenn wir so weitermachen und um sagen zu können: Da. So seid ihr. Diese Buch hat mich in keinster Weise berührt oder gar begeistert. Gefühlsmäßig war da gar nichts. Lediglich ein großes Bedauern um meine schöne Zeit.
Marina von literaturleuchtet geht in ihrer Rezension sogar so weit zu sagen, dass in diesem Roman alles flach, konturlos und bieder sei. Danke dafür! Auch ich habe in Leere Herzen alles vermisst, was ich an Unterleuten (Luchterhand. März 2016) so geschätzt habe. Wie gern denke ich zurück an all die wunderbar lebendigen Figuren – an Kron, Bernd Schaller und Jule. Ich war mit ihnen in diesem kleinen Ort in der Prignitz!
Und wie anders erging es mir vor wenigen Tagen mit Atwoods Der Report der Magd (Berlin Verlag. 2017). Ich war so absorbiert von der Story, dass ich meine Wohnung nicht mehr verlassen wollte. Und wenn, dann nicht ohne diese schöne bibliophile rot-schwarzen Ausgabe. Ich musste wissen, wie das endet!
Juli Zeh. Leere Herzen. Luchterhand Verlag. München 2017. 348 Seiten. 20 €