Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern…es war im Herbst, irgendwann ganz am Anfang des neuen Jahrtausends…als ich mit zwei, drei Kumpels schon etwas wackelig vor einem Bierwagen stand, wir kaltes, leckeres Bier zischten und uns freuten ein Teil einer riesigen Campusparty der Uni Essen zu sein. Tausende, energiegeladene Menschen, unvergessliche Atmosphäre der Sorglosigkeit, allgegenwärtige Freude, die sich, wie aus einem riesigen Eimer über das riesige Areal ergossen hat. Mit anderen Worten…die Party war echt eine Atombombe! Wie jedes Jahr übrigens! Zu diesem Zeitpunkt deutete nichts darauf hin, dass ich mich gleich in eine Gruppe von total durchgeknallten Typen verliebe, die wie aus dem Nichts die Bühne stürmten und sie erst verließen haben als diese kurz vor dem Einsturz stand! Seeed. Der Name sagte mir damals nicht viel und um ehrlich zu sein, ging mir die Livemusik eigentlich immer am Arsch vorbei wenn ich die Unipartys besuchte. Doch diesmal sollte es anders kommen. Bereits nach paar Minuten drangen wir uns direkt vor die Bühne vor und vergaßen schnell, dass Menschen nach der langwierigen Evolution sich doch anders zu verhalten haben als gewöhnliche Affen im Zoo. Wir hüpften, tanzten (naja, bewegten uns) und wurden zum Teil einer verrückt gewordenen Menge, die so beweglich war wie ein Tsunami, der ganze Landschaften verwüstet. Ich habe nicht mal registriert, dass auf meinen Schultern plötzlich eine völlig fremde Frau saß und ich (trotzt des Gewichtes) in die Luft ging, als hätte mir jemand eine geöffnete Tube mit scharfen Senf in den Arsch gesteckt. Es war genial! Seit dieser Nacht war Seeed für mich DIE GRUPPE! Mir gefielen deren Bühnenshows, die Texte und vor allem deren Gefühl für das Gesungene, das mir deutlich machte, die Jungs hatten Ahnung wovon sie, zum Takt einer außergewöhnlichen Musik, erzählten. Die Straßen, die Stadt als lebendiger Organismus und dazwischen Menschen, die in einem Gemisch aus Dreck und Beton dem Wahnsinn verfielen oder ihm zu entkommen versuchten. Die Texte waren derart authentisch, dass ich die Augen schloss und all dies spüren konnte, was die Band mir, mit der Energie eines Presslufthammers, über die Ohren direkt in den Kopf hinein schob! Eine echte Meisterleistung, die mir immer wieder aufs Neue den Arsch abriss und eigentlich hoffte ich, der Zauber würde ewig dauern und mich wie ein Magnet immer wieder in Richtung von Seeed ziehen doch leider lag ich völlig falsch! Das letzte Album mit unter anderem Augenbling, Deine Zeit und Wunderful Life…in meinen Augen (oder besser gesagt Ohren) ein Fall für den Schrottplatz. Früher streckte ich die Arme heraus und konnte diese Musik anfassen, doch bei diesem Album greife ich in eine düstere Leere! Nichts! Das einzige, was ich spüre ist nur das, wie sich meine Lungen mit Seifenblasen fühlen wenn ich mir die neusten Texte der Band hinein ziehe. Katastrophe. Nach so viel exzellenter Arbeit und teilweise genialen Soloprojekten der Frontmänner der Gruppe kann ich nur hoffen, es wird demnächst wieder besser und ich werde nicht mehr mit unangenehm riechenden Fürzen konfrontiert, die bei mir Übelkeit verursachen und nicht den geilen Geschmack, den ich vor Jahren spürte als ich wie verrückt die Musik vom Seeed in Übermaß konsumiert habe!