Seder – Finale

Von Qohelet17

Als ich zuletzt im Jänner recht wenig von mir gegeben hatte, war das aufgrund eines „Abenteuerdefizits“. Jetzt im Mai… Eher das Gegenteil. Bei der Arbeit gibt’s viel zu tun und ich hätte gern einmal mehr darüber geschrieben… Jedoch plagte mich in Gedanken die Fertigstellung vom Pessah-Artikel.

Nunja – kommende Woche bin ich nicht mehr im neuen Europa, also wird wieder Stillschweigen herrschen. Deshalb folgen jetzt in etwas kürzerer Form als gewohnt die letzten Geschichten…

Der orthodoxe Gottesdienst ist im Judentum der traditionellste. Was nicht heißt, dass er für „Gojm“ – also Nichtjuden zu empfehlen ist. Es ist alles auf Hebräisch und wer mitkommen will, wird auch mit einem Gebetsbüchlein nicht weit kommen, da die Deutsche Übersetzung zwar interessant ist, aber effektiv nichts bringt, da die Gebete von Synagoge zu Synagoge in unterschiedlicher Reihenfolge gehalten werden können und mitunter hin und wieder übersprungen werden. Dennoch hinterlässt die Orthodoxie einen sehr authentischen Eindruck.

Liberal ist moderner – damit auch für Nichtjuden verständlicher – aber damit zwangsläufig nicht immer traditionell.

Ein Spezialfall ist der Chassidismus, der teilweise Traditionen anders oder stärker auslebt und auch emotionaler ist. Zu Pessah durfte ich meinem ersten Gottesdienst in Chassidisch beiwohnen – bei den allseits beliebten/berühmten/berüchtigten Chabad, die es in alle möglichen Ländern gibt (vorerst noch nicht in arabischen/islamischen Staaten, aber wir werden sehen, was die Zukunft bringt… In Singapur sind sie schon).

Alles hat sehr herzlich begonnen. Ich kam als Fremder in die Synagoge und wurde gleich aufs Herzlichste empfangen. Ein sehr seltsames Gefühl, von Wildfremden mit Umarmung begrüßt zu werden. Den Rabbi hat unser Geplauder scheinbar nicht gestört. „Synagoge“ heißt ja auch „Gemeinde“ – und in Gemeinschaften redet man miteinander. Die braven Christen, die in den Kirchen andächtig gesessen haben waren schon zu früheren Zeiten überrascht, wie es denn in einer „Judenschul’“ zuging („Schul“ ist übrigens das Jiddische Wort für „Synagoge“).

Für meine Freundin war es der erste jüdische Gottesdienst ihres Lebens – um sie nicht zu überfordern sind wir erst kurz vor Ende eingetreten. Im Chassidismus wird wie in der Orthodoxie Hebräisch gebetet – und ich muss zugeben: Auch mich selbst wollte ich damit nicht überfordern.

Ebenfalls wie in der Orthodoxie trennt man zwischen Männlein und Weiblein. Zweitere optisch getrennt von Ersteren. Ich sagte meiner Geliebten noch:“Keine Angst, sooo streng sind die nicht. Die Chabad sind wahrscheinlich noch die liberalsten orthodoxen Chassiden – obwohl sie sehr rituell vorgehen“ Eher verwirrt als erleichtert entließ ich sie in die Frauenabteilung.

Nachher war auch ihr klar: Es geht auch bei den Frauen wie in einer Judenschul zu…

Beginn des Sederabends

Der nächste Teil war dann der Seder, den ich in meinem letzten Artikel schon beschrieben habe. Neben uns saßen ein paar freundliche Israelis, die uns beiden desöfteren erklären mussten, was jetzt zu tun ist. Glücklicherweise lag die Pessah-Haggada auf Hebräisch/Englisch auf den Tischen aus, sicherheitshalber hatte ich aber auch meine eigene dabei. Beim letzten Seder an dem ich teilgenommen habe gab’s für Vergesser und Hoffer nichts zu verstehen, da keine solche „Gebrauchsanweisung“ vorlag. Immerhin ist wirklich ALLES auf Hebräisch.

Die Gesellschaft war sehr angenehm und vom Essen gab es reichlichst. Ein gut gedecktes Buffet und dazu die typischen Mazzot – deren Geschmack verglichen mit dem anderen Essen immer stärker an Papier erinnerte…

Auch hier zeigte sich der chassidische Charakter des Festes: Die Lieder waren mehr an der Zahl und insgesamt auch um einiges fröhlicher. Einen Gutteil konnte auch ich mitsingen, bei anderen zumindest unauffällig mitsummen.

Bolognese Blankenese auf chassidisch

Plötzlich mussten die Männer aufstehen. Bzw. nicht mussten, sondern wurden genötigt, dass sie es sollten. Meine anfänglicher zögerlicher Widerstand brach jedoch in dem Moment, als mich ein älterer Herr im klassischen „Outfit“ – schwarzer Anzug, Bart und Hut – einfach mitzog. Andere leisteten mehr Konter, doch auch diese war nur von kurzer Dauer. Es war relativ schnell klar, was jetzt kommen würde: Jeder würde seine zwei Nachbarn an den Schultern nehmen und anfangen zu singen und zu tanzen.

Wer da nicht mitsingt ist selber Schuld

So etwas abzulehnen erfordert entweder sehr viel Willenskraft oder Wasser statt Blut in den Adern. Nach etwa einer Minute hatten sich alle Männer in einem Kreis versammelt und sangen alte jüdische Lieder.

Unter Anderem: „Hine Ma Tow“ – übersetzt so viel wie „Siehe, es ist gut“ (wenn Brüder vereint zusammensitzen).

Die Frauen ihrerseits mussten sitzen bleiben. Auch bei den liberaleren Chassiden herreschen trotzdem noch orthodoxe Sitten.


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