Was hat diese kleine Analogie jetzt mit der deutschen Innenpolitik zu tun? Jeder Patient hört gerne, dass, obwohl er sich gerade eigentlich nicht gut fühlt, in Wirklichkeit alles in Ordnung ist. Hervorragend! Kann ich nach Hause gehen und muss nichts machen. Das ist die Botschaft der CDU. Alles läuft, alles ist ok, warum mitten im Rennen die Pferde wechseln? Angesichts der nicht enden wollenden Eurokrise scheint Deutschland die Insel der Seligen zu sein. Verglichen mit Griechenland geht es uns immer gut. Angela Merkel verkörpert für viele Deutsche (nicht zu Unrecht) diese Mentalität. Daher auch der immer noch ungebrochen große Erfolg, den die Partei in Umfragen genießt. Die Grünen, Linken, FDP und AfD besetzen jeweils eine Nische. Ihre Meinung zum Patienten ist nicht mehrheitsfähig, aber das ist auch ziemlich egal, weil der Chefarzt sie zwar höflich anhört, ihnen aber niemals die Verantwortung für den Patienten überlassen würde. Sie sehen sich gerne als Dr. House, aber in Wahrheit sind sie nur Dr. Wilson.
Gleichzeitig haben sie aber genügend Groupies, um ihre Existenz fortzuführen, und wenn sich die Situation des Patienten rapide verschlimmert, greift auch der Chefarzt zum Fibrillator (und heftet sich selbst die Meriten an die Brust), während in Zeiten in denen es ohnehin in Ordnung ausschaut auch mal ein Globoli verabreicht wird. Die FDP hat es in diesem Umfeld noch am schwersten, schon allein weil keiner mehr ihr ständiges Genörgle mehr hören kann, dass er zu fett ist und dringend mehr Sport machen muss, besonders, wenn der FDP-Arzt selbst eher Wasser predigt und Wein säuft. Am schlimmsten ist die Situation aber für die SPD. Denn die hat keinerlei Analyse, die in einer Lösung mündet. Letztlich landet sie daher immer bei derselben Analyse wie der CDU-Arzt: man muss alles weiterlaufen lassen und mal schauen. Dafür verabreicht sie gerne mal ein kleines (nicht zu wirksames) Sedativ, wenn der Patient über Schmerzen klagt, und im Delirium dankt der dann der CDU. Ohne eine eigene Analyse aber gibt es keinen Grund, warum man die ständigen Grummler von der SPD (Steinbrück, Steinmeier, Scholz) oder ihren Hofnarren Gabriel irgendwie dem so viel seriöser wirkenden Team von Dr. Schäuble und Dr. Merkel vorziehen sollte.
Man muss sich nur einmal ansehen, welche Lektion Steinbrück in seinem neuen Buch aus dem gescheiterten Wahlkampf 2013 zieht: Mütterrente und Rente mit 63 waren die großen Fehler. Man hätte mit einer stärkeren Botschaft von Blut, Schweiß und Tränen antreten müssen. Selbst wenn Steinbrück mit der Analyse richtig läge (was ich nicht glaube), so wird der Patient im Zweifel trotzdem bei den CDU-Doktoren bleiben, denn die versprechen ihm, dass ihn die gleiche Behandlung kein Stück schmerzen wird. Politik braucht eine Alternative, wenn sie als solche wahrgenommen werden will. Diese Tautologie scheint im Willy-Brandt-Haus vergessen zu sein. Die einzige Strategie der SPD ist es, sich als die bessere CDU zu präsentieren. Aber wozu sollte ich die Kopie wählen, wenn ich das Original haben kann? Gabriel stellt damit immerhin die richtige Prognose für sein eigenes Team: zum Chefarzt befördert wird es auch 2017 nicht.