Sébastian Giot (photo: meyer wanner)
Manchmal kommt es anders – als man denkt. Unter diesem Motto könnte der Konzertabend des 31. März im „Palais de la musique et des congrès“ in Straßburg betitelt werden, denn nur wenige Stunden vor Aufführungsbeginn erlitt die Solistin des geplanten zweiten Konzertes dieses Abends – die Pianistin Mihaela Ursuleasa einen Schwächeanfall.
In aller Eile musste für diesen Konzertteil – sie hätte die Rhapsodie über ein Thema von Paganini, komponiert von Sergej Rachmaninow, spielen sollen – Ersatz gesucht werden. Unmöglich, in wenigen Stunden einen Einspringer für diesen Part zu finden, aber – manchmal liegt das Gute so nah. Der Oboist des Orchesters, Sébastien Giot, erklärte sich spontan bereit, mit Mozarts Konzert für Oboe und Orchester op. 314 auszuhelfen.
Giot, der dieses Konzert schon im Jänner in der Kirche in Obernai zelebriert hatte, zeigte nicht nur, was wahre Nervenstärke ist, sondern welch großartigen Oboisten das OPS beherbergt. Das für das Mozartkonzert verkleinerte Orchester, das mit dem Gastdirigenten Kirill Karabits nur wenig „Aufwärmzeit“ hatte, verließ sich auf seine mit Geoffrey Styles einstudierte Interpretation und begleitete Giot, der spielte, als ginge es um sein Leben, extrem einfühlsam. Nie kam es in Versuchung, die feine französische Oboe Giots zu übertrumpfen, sondern ließ sich ganz im Gegenteil auf den kammermusikalischen Stil des Werkes ganz ein. Ein Unterfangen, das im großen Saal Erasme nicht leicht zu bewerkstelligen ist, aber dennoch gelang. Giot überzeugte das Publikum mit seiner subtilen, singenden Melodieführung, seinem unglaublichen Atemvolumen und seiner fingerbrecherischen Geläufigkeit. Sein jugendliches, frisches Auftreten bezauberte genauso, wie seine musikalische Professionalität, die er diesesmal als Solist vor großem Publikum unter Beweis stellen konnte.
Neben seiner Interpretation gestalteten sich die großen Orchesterwerke dieses Abends, so unerwartet dies klingen mag, als schönes Rahmenprogramm.
Anlässlich des russisch-französischen Freundschaftsjahres, das gerade begangen wird, war ursprünglich – wie bereits angeführt – ein rein russisches Programm vorbereitet gewesen. Im ersten Programmteil, den Polowetzer Tänzen aus der Oper Fürst Igor von Alexander Borodin, kam auch der vielstimige Chor des OPS, gleitet von Catherine Bolzinger, zum Einsatz. Die bekannten Melodien Borodins, der Zeit seines Lebens hauptberuflich als Arzt und Wissenschafter tätig war, markierten die Interpretation von Karabits, die nicht auf Einzelheiten, sondern auf das gesamte Klangvolumen ausgerichtet war. Oft wird dieses Stück am selben Abend aufgrund seiner klanglich schönen Vergleichbarkeit mit der Carmina burana von Carl Orff aufgeführt, die 65 Jahre später entstand. Dies zeigt, wie sehr Borodin mit den fremden Klangfarben im 19. Jahrhundert neue Maßstäbe setzte. Für diesen Abend jedoch wurde als Ausklang die 4. Symphonie Tschaikowskys gewählt. Ein Werk, in dem der gesamte Bläserapparat stark gefordert ist und jener des OPS diese Herausforderung bestens bestand. Diesesmal war dem Publikum wohl mehr als sonst bewusst, wer der Oboe im Klangkörper Leben einhaucht. Karabits dirigierte mit sichtbarem Enthusiasmus und Verve und verstand, dem enthusiastischen Applaus auch zwischen den Sätzen, sowie einer Generalpause, mit einem Lächeln in Richtung Zuhörererschaft die schöne Seite dieser ansonst unüblichen und eher als störend empfundenen Beifallsbekundung anzunehmen.
Ein – auch aufgrund des zahlreichen sehr jungen Publikums – sehr turbulenter Abend mit vielen überraschenden Wendungen, der zeigte, dass auch leise Töne von den Zuhörerinnen und Zuhörern durchaus gewürdigt werden.
Verfasser: Michaela Preiner
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