Die bemerkenswerte Arbeit “A 40″ von Sebastian Mölleken zeigt Landschaften und Stadträume entlang der Hauptschlagader des Ruhrgebiets, der Autobahn 40, ergänzt um Portraits von Menschen, die im Umfeld dieser Verkehrsachse leben und arbeiten. Die Bilder wurden schon mehrfach in Ausstellungen gezeigt, nun ist im Verlag Kettler ein Bildband über das Fotoprojekt veröffentlicht worden.
Über das Fotoprojekt
Es ist oft nur ein ganz kurzer Moment, ein Blick im Vorbeifahren, ein Satz im Radio, eine Zeile in der Zeitung oder ein Bild im Internet, das meine Aufmerksamkeit weckt. Es setzt etwas in Bewegung und lässt mich nicht mehr los. Vielleicht eine angeborene Neugier, die mich antreibt, die in mir den Wunsch weckt, tiefer blicken zu wollen und die dafür sorgt, dass ich mich monatelang mit einem Thema beschäftige.
Ich habe mich bei meiner Arbeit in den letzten Jahren immer wieder gefragt: Wie leben Menschen unter besonderen Bedingungen? Ich war in einem Gefängnis und in einem Asylbewerberheim. Ich habe mich gefragt: Wie leben Menschen an einem Tagebau? Oder eben auch: Wie leben sie entlang einer Autobahn?
Alle Menschen, die ich dabei kennen gelernt und fotografiert habe, hatten etwas gemeinsam: Sie passen ihr Leben jeden Tag an Umstände an, die uns zunächst fremd sind, die wir auf den ersten Blick nicht verstehen können, die uns vielleicht sogar unwirklich, abstoßend, bedrohlich oder skurril erscheinen. Für diese Menschen sind sie aber normal geworden, sie haben sie angenommen und sich damit arrangiert.
Mich interessieren genau diese Menschen und diese Lebensumstände – und wie sie einander prägen.
Zwischen Mensch und Landschaft gibt es dabei eine tiefe Verbundenheit: Die Landschaft prägt den Menschen, der in ihr lebt – gleichzeitig prägt der Mensch die Landschaft. Es ist eine Symbiose, deren Verbundenheit oftmals an ihren Widrigkeiten noch stärker wird.
Der Mensch und seine Umwelt scheinen mir unzertrennlich. Fast immer bestehen daher auch meine Arbeiten aus Portraits und Landschaften im weitesten Sinne.
Dabei ist es egal, an welchem Thema ich arbeite. Ob ich an der A40 stehe und tausende von Autos an mir vorbei rasen oder, ob ich vor einem 250 Meter tiefen Loch stehe, das ein Bagger langsam durch die Landschaft gräbt – die Fragen, die ich mir stelle, bleiben gleich:
Wer lebt hier und wie lebt er hier? Wie sieht seine Umwelt aus und wie wirkt sie auf ihn ein?
Viele Monate lang beschäftigte ich mich mit der „A40“ und mit dem, was ich hinter den Schallschutzwänden fand. Ich nahm jede Ausfahrt, lief die Strecke auf und ab, immer auf der Suche nach dem, was man im Vorbeifahren nicht sieht. Was ich fand, waren teils skurrile Landschaften, die uns zeigen, wie sehr sich der Mensch arrangieren kann und wie er sein Leben an diese Umstände anpasst. Er macht Campingurlaub im Schutze der Schallmauer, er weidet seine Kühe unter der Autobahnbrücke, er geht schwimmen im Dunst des Verkehrs und selbst aus dem Grab blickt manch einer noch Richtung Autobahn.
Die Menschen, die ich traf, fanden das nicht ungewöhnlich. Sie haben sich so sehr daran gewöhnt, dass sie den Lärm gar nicht mehr hören. Ich suchte unter ihnen nach einem Querschnitt durch das Ruhrgebiet und fand die unterschiedlichsten Typen: Vom Kleingärtner in Bochum, über den Studenten in Essen bis hin zum Pferdebauern in Moers waren für mich alle gleich interessant. Aus Landschaften und Portraits entstand so ein Gesamtbild, das für mich das Gefühl einer ganzen Region widerspiegelt.
Im Jahr 2011 erschien die Fotoserie als App im iTunes Store. Dort wurde sie innerhalb von nur 5 Tagen über 10000 mal herunter geladen. Im selben Jahr wurde die Arbeit mit dem Bridges Fotoaward ausgezeichnet.
- Website des Fotografen Sebastian Mölleken
- Website des Verlages Kettler
Das Buch
Im April 2015 erschien die koplette Arbeit „A40“ nun als tatsächliches Buch im Verlag Kettler. Darin enthalten sind neue, bisher unveröffentlichte Motive.
Sebastian Mölleken
A 40
Verlag Kettler
Format 17,1 × 23,8 cm
128 Seiten, fester Einband
ISBN 978-3-86206-476-2
Präsentiert wird das Buch zusammen mit einigen Exponaten im Rahmen der diesjährigen Contemporary Art Ruhr (C.A.R.) vom 29.-31. Mai auf Zollverein.