Sebastian Edathy und der NSU-Untersuchungsausschuss

Unstrittig ist: der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy hat sich keines strafbaren Vergehens schuldig gemacht. Interessant ist: Mit welchem Aufwand gegen ihn zu Felde gezogen wird, hart an der Kante zum Rechtsbruch. Interessant auch die sexualisierten Verdächtigungen, die an jeden gerichtet werden könnten, der ein Pornoheft kauft. Die Kampagne gegen Christian Wulff startete auch so, und auch in Hannover. Der Hinweis auf Edathy kam aus Kanada, einem der Five-Eyes-Staaten, die uns ausspähen. Gut möglich, dass die NSA weiß, wer wem was wann gesagt hat, eidesstattliche Erklärungen hin oder her. Die NSA weiß wahrscheinlich auch ziemlich viel über die NSU-Mordserie.

Aller Kriminalisierung zum Trotz: Als Leiter des NSU-Untersuchungsausschusses hat sich Sebastian Edathy bereits seinen Platz in den Geschichtsbüchern erarbeitet. Aber: Die NSU-Mordserie ist nicht aufgeklärt. Das wird im derzeit laufenden NSU-Prozess immer wieder offenkundig. Ungeklärt etwa ist die Frage, wieviele Personen zur NSU-Kerngruppe gehörten. Wie die beiden Uwes wirklich umkamen. Wie die Verfassungsschutzämter bei Gründung und Unterhaltung der NSU mitgewirkt haben, etwa das Thüringer und das Hessische. Was „Klein-Adolf“ am Tatort in Kassel zu suchen hatte. Warum die Mordserie nach der Ermordung der Polizistin in Heilbronn endete und wer da am Tatort war.

Bemerkenswert ist, dass die Gerüchte zu Edathy erst im Zuge der Koalitionsverhandlungen gestreut wurden, obwohl dem BKA die Information bereits seit 2012 vorlag, und die ganze Zeit bekannt war, dass sie rechtlich irrelevant ist. Bedenklich, dass die SPD ihren verdienten Mitarbeiter nicht schützte, sondern umgehend absägte. Ob das bei migrationsdeutschen SPD-Mitgliedern, die mitarbeiten wollen, besonders vertrauensbildend wirken wird? Gut möglich, dass die GroKo kein ausgeprägtes Interesse an weiterer Aufklärung der NSU-Sache hat und Edathy möglichst weit weg wünschte. Jedenfalls hat der NSU-Untersuchungsausschuss für die Gliederungen und Mitarbeiter des Innenministeriums kaum Konsequenzen gehabt: „Tiefer Staat“ sticht „Demokratie“.

Hat Edathy nun Kinderpornographie konsumiert oder nicht? Er bestreitet das. Zudem: Hätte ein intelligenter Mensch wie Edathy eine heikle Aufgabe wie die Leitung des NSU-Untersuchungsausschusses übernommen, wenn er sich als moralisch und rechtlich angreifbar gesehen hätte? Hätte er, der Migrationsdeutsche mit dem „dunklen Teint“, eine solch dicke Lippe gegenüber dem „Tiefen Staat“ riskiert? Hätte er dem Herrn Oppermann im November seine Karrierewünsche unterbreitet? In der GroKo wollte er anscheinend Staatsminister im Innenministerium werden – und das fanden manche, die ihm im NSU-Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen mussten, offenbar gar nicht gut.

Eine Lehre können wir jedenfalls schon jetzt aus diesem Skandal ziehen. Wir alle können kriminalisiert werden: NSA-Dossiers können wahrscheinlich zu jedem von uns bei passender Gelegenheit vorgelegt werden. Sexuell sind wir besonders leicht zu kriminalisieren, und das kommt in den meinungsbildenden Medien auch besonders gut an: Dazu muss lediglich die sexuell-normative Matrix etwas verschoben werden. Dann sind Nacktaufnahmen wieder tabu, gar von Jungs, Bein zeigen ist wieder tabu, Füßchen zeigen vielleicht auch. Und Homosexualität beispielsweise ist dann wieder eine Straftat. Wollen wir das?


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