(Collage: Emma Isacson)
Der gute und der schlechte Sohn. Kurz bevor der Marine Sam Cahill wieder nach Afghanistan in den Krieg zieht, kommt sein Bruder Tommy aus dem Gefängnis. Sam ist ein Spitzenathlet, ein liebender Ehemann und ein fürsorglicher Vater; Tommy hingegen ein Versager. Sam stirbt in Afghanistan. In der Folge kümmert sich Tommy liebevoll um Sams Frau und Kinder. Aus anfänglicher Ablehnung wird zögerliche Zuneigung. Doch plötzlich kehrt Sam zurück. Traumatisiert. Auf der Suche nach einer Form von Normalität brechen unverheilte Wunden auf, und das Familiendesaster nimmt seinen Lauf.
Soweit der Film. Und hier wäre der Text eigentlich zu Ende, denn über Sara und Tristan soll ich nicht mehr schreiben. „Bei mir bringst du kein Wort heraus, aber in deiner Kolumne hängst du den gefühlvollen Typen in die Zeilen. Ich glaube, es ist besser, wir sehen uns eine Weile nicht mehr“, sagte Sara. „Lese ich nächstes Mal in der Kolumne, dass du mit meiner Freundin geschlafen hast?“, sagte Tristan.
„Aber ich habe eure Namen ja geändert!“, verteidigte ich mich. „Ach, wie rücksichtsvoll“, brummte daraufhin Tristan, nahm mir die Bierflasche aus der Hand, leerte sie in einem Zug, drückte sie mir wieder in die Hand und verschwand. Drum: Sara und Tristan sind ab sofort als Kolumnenfiguren gestorben. Sie sind nun wieder Freunde. Echte Freunde. Nur Freunde. Hoffentlich.
Brothers ist ein Remake des dänischen Films Brødre aus dem Jahre 2004. Die Schauspieler sind allesamt etablierte Stars. Tobey Maguire spielt den Vorzeigesohn Sam Cahill und übernimmt Frisur, Jacke und Haltung von Robert De Niro in Taxi Driver. „Talking to me? Are you talking to me?“, hätte Tristan gesagt und wir hätten gelacht. Jake Gyllenhaal mimt den missratenen Sohn und beweist, dass er doch schauspielern kann. Und wie. Natalie Portman ist die viel zu glatte Ehefrau. Ich hätte gesagt: „Sie ist mir zu perfekt. Sie macht alles richtig.“ Und Sara hätte geschmunzelt: „Ausser, dass sie alles richtig macht.“ Sam Shepard ist der Vater, der so stolz auf den einen Sohn ist. „Wisst ihr“, so hätte ich meine Meinung zu Sam Shepard aufgeplustert, „wen ich am allerbesten fand?“
„Ich fühle mich wie nach einer Therapiestunde“, hätte Tristan den Film abgetan. Tatsächlich, der eindrückliche Eklat am Ende kann nur funktionieren, weil die Vorgeschichte den Zuschauer an die Hand nimmt und sicherstellt, dass wir jede Gefühlswendung nachvollziehen. Und um noch die letzten Zweifel zu verjagen, sprechen die Kinder in aller Deutlichkeit aus, wie wir’s bitteschön zu verstehen haben. „Ich hasse altkluge Kinder, besonders in Filmen“, hätte Tristan gesagt.
Sara hätte gefragt: „Habt ihr Rachel Getting Married von Jonathan Demme gesehen?“ Und ich hätte auf Anhieb verstanden, was sie meint. Rachel Getting Married ist ebenfalls ein Familiendrama, aber statt mit einer statischen Kamera eine Theaterbühne aufzuspannen, geht dort die wacklige Handkamera mitten ins Geschehen, bleibt nahe bei den Figuren und überträgt so das Chaos der Gefühle auf uns Zuschauer. Bei Brothers hingegen sehen wir gestelzte Szenen am Familientisch, denen die dramaturgische Absicht von Beginn weg anzumerken ist und die so ein Eintauchen in die Geschichte verunmöglichen.
„Schreib doch über Rachel Getting Married“, hätte mich Sara ermuntert. Und Tristan hätte gehöhnt: „Brothers ist eh ein Scheisstitel, und der Film eines dieser unnötigen Ami-Remakes für Untertitel-Analphabeten.“
Brothers, USA 2009, Regie: Jim Sheridan, Schauspieler: Jake Gyllenhaal, Tobey Maguire, Natalie Portman, Sam Shepard.