Noch im Bett höre ich eine Uhr. Sie tickt. Unaufhörlich. Ist das schneller als sonst? Der Zeigerschlag wird mit jedem Klicken klarer. Es ist Zeit. Es ist Zeit, in die Laufsachen zu springen, den Rucksack aufzusetzen und die Tür hinter mir zuschnappen zu lassen. Leise. Alles schläft noch. Die Straße ist noch recht ruhig. In den Häusern brennt nur hier und da ein Licht. Kaum wahrzunehmen, denn wenn der Himmel klar ist, verschwinden meine müden Augen hinter einer Sonnenbrille.
Wie aus einem Tagtraum weckt mich ein Surren. Meine Laufuhr erinnert mich, dass die Satellitenverbindung steht. Der Rhythmus der Musik lässt mich in Sekunden selbst schrecklich müde meinen Laufrhythmus finden. Gleichmäßig wie das fortwährende Zeigerticken im Bett setze ich einen Fuß vor den anderen; husche quer über schmale Straßen bis sie immer breiter werden und ich an der einen riesigen Kreuzung gar nicht weit vom Startpunkt so oder so zum Stehen komme.
Ich starre das Ampelmännchen an, das einfach nicht weiterlaufen möchte. Ich bewege mich kein Stück und wir spielen das Spiel, wer zuerst blinzelt. Manchmal muss das laufende Ampelmännchen meine Beine richtig anschreien, aus dem Knick zu kommen. Ab und an sind es aber auch meine ungeduldig zappelnden Beine, die mit dem kleinen Roten gern mal ein Wörtchen reden würden, wenn es wieder mal länger dauert. Irgendwann entschließt es sich zum Glück weiterzulaufen.
Die Straßen werden immer voller. Ich beginne erneut im Dickicht der Stadt die Autos zu überholen, die erst noch denken, dass sie sowieso schneller sind, als ich. Wir laufen um die Wette, bis zur nächsten Ampel, die ich einfach überqueren kann, ihren Weg so kreuze, während sie nun mit dampfenden Auspuffen die Lichter beschwören. Bleibe ich im Takt und lasse nicht nach, schaffe ich noch den Bahnübergang, bevor Sekunden nach mir die Schranken runter gehen. Manchmal bin ich aber doch zu langsam und muss minutenlang ausharren. Kein Ampelmännchen, das zurückblinzelt. Stattdessen ein knallrotes Licht, das einfach nur von seinem Andreaskreuz hinab blendet.
Verrückt tänzelnde Fußgänger und verschlafene Radfahrer eiern an mir auf den letzten Metern vor der Schwimmhalle vorbei. Auf dem Parkplatz tobt im Dunkeln das Laben. In Windeseile ist der Eingang des Bades verstopft. Das Kleingeld klimpert. Dauerkarten werden durchgezogen. Drehkreuze piepen. Alles im immer gleichen Takt. Rasant mit der Uhr im Blick wandern meine Sachen in den Kleiderschrank. Ein letzter Schluck aus dem Teebecher, Badekappe und Schwimmbrille auf, kurze Dusche muss natürlich auch noch sein.
Ich plumpse ins Wasser. Schon beginnt die Uhr erneut zu ticken. Sie vibriert jede Minute. Bahn für Bahn lasse ich hinter mir. Mit viel Glück kann ich problemlos überholen, weil die meisten Schwimmer auf die anderen Gäste Rücksicht nehmen. Denn nicht nur für mich tickt die Zeit unaufhörlich runter! Manchmal muss ich aber auch rechts an Mittelspurnutzer vorbei hetzen. Kleine Sprinteinlagen verschaffen mir aber immer etwas Vorsprung, wenn der Zeiger drängelt.
Bin ich motiviert genug oder auch total verschlafen, verfliegt die Zeit einfach so. Ich versuche so viele Bahnen in meine Zeit hinein zu quetschen wie es nur geht. Immer den Trainingsplan im Kopf habend.
Bin ich wach und übellaunig, kann ich zwar die Sekunden wie meinen Pulsschlag in den Ohren wummern hören. Aber jede zweite Bahn wird mit Ach und Krach absolviert. Die Pausen sind dann wie das Schwimmen Quälerei. Ich blicke auf die Uhr und trotz des Tickens vergeht die Zeit einfach nicht. Dann versuche ich winzige Minimalziele zu setzen; mich von Bahn zu Bahn zu motivieren. Eigentlich wird es dann auch irgendwann besser. Diesen Moment sehne ich dann immer unglaublich herbei. Ist diese Schwere im Körper und vor allem im Kopf dann endlich abgefallen, wird es im Hallenbad auch leerer. Dann fällt jeder Meter deutlich leichter.
War ich schnell und fleißig genug, habe ich mir vor einigen Wochen eine kleine Belohnung überlegt. Ich krabbele aus dem kühlen Sportschwimmbecken und tapse rüber in das lauwarme Kinderbecken. So viel Zeit muss sein, egal wie sehr die Uhr quengelt. Die peitscht mich im Anschluss nach ein wenig Ausschwimmen und Muskeln dehnen, schon wieder genug durch die Umkleide. Das dann so lange, bis ich meinen letzten Laufschuh zugeschnürt, mein Stirnband und meine Mütze über die nassen Haare gezogen und meine Laufbrille und Kopfhörer aufgesetzt habe.
Auf dem Rückweg nach dem Schwimmen, sehe ich manchmal auf den Feldern Hasen. Diese großen, diese wilden. Wer schon einmal, wie ich, ein Einhorn gesehen hat, dem fällt natürlich auch beim Anblick eines Hasen, der weiße mit der tickenden Taschenuhr ein. Immer ist man irgendwie spät dran. Dabei muss an Morgen wie diesen alles durchgetaktet sein! Dennoch hört man ständig dieses Ticken seiner viel zu großen Taschenuhr. Erst im Bett. Dann auf der Straße. Dann bei jeder Schwimmbewegung. Dann wieder auf der Straße. Dort wandelt sich jeder Schlag des Sekundenzeigers, der schneller läuft, als er sollte, in einen Laufrhythmus. Schritt für Schritt heißt es tick tack. Wenn ich die Bahnschranken dann aufgehen sehe, an den Fußgängern im Slalom vorbei eile, weiß ich, dass ich richtig bin. Nicht mehr weit und ich kann unter die Dusche springen und ein warmer Grüntee wartet darauf, mit mir den Tag zu beginnen.
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P.S. Mein Zoggs Badeanzug sitzt immer gut, selbst wenn ich mal ins Wasser falle. Genauso wie meine Arena Cobra Ultra Sonnenbrille während mir mein FR920xt den Takt vor gibt.
..‘Din’ ist Gründerin von Eiswuerfel Im Schuh
Als Triathletin & Autorin von Eiswuerfel Im Schuh bin ich zusammen mit meinem Sportfotografen immer auf der Suche nach der nächsten Herausforderung und neuen Bildmotiven. Als Julimädchen liebe ich die Sonne, das Meer und den Sand zwischen den Zehen, genieße aber auch die Ruhe auf meiner Yogamatte oder auf einem Surfbrett. Ich freue mich, mit dir auf Facebook, Twitter, Pinterest, Instagram und Google+ in Kontakt zu bleiben.