Schwimmgeschichten: Chicago Skyline Swimming im Lake Michigan

Von Eiswuerfelimschuh @eiswuerfelimsch
Manche Trainings, wie das Schwimmtraining in Chicago, übertreffen sich einfach selbst. Der Sport rückt dann fast schon in den Hintergrund. Die Leistung wird nebensächlich. Diese Momente, in denen einzig zählt, den Augenblick zu genießen. Das Ungewöhnliche irgendwie verstehen. Im Herzen einer Großstadt zu trainieren ist immer spannend, oft anders, zuweilen extrem. Sie aber aus der Perspektive einer Schwimmerin zu erleben, war für mich geradezu außergewöhnlich. Ich war in Chicago bereits mehrmals laufen, mit dem Rad unterwegs und auch im Sommer baden. Aber die Schwimmtrainings in dieser Metropole! Vermutlich gehört der Lake Michigan mit seinem Concrete Beach und der Skyline zu den ganz außergewöhnlichen Trainingsrevieren, die ich bis jetzt erlebt habe und von dem ich euch unbedingt berichten muss.

Das Bild vom Trainieren im Schatten der Giganten hat in diesem Sommerurlaub in Chicago eine ganz neue Bedeutung bekommen. Vor einigen Jahren absolvierte ich dort im Rahmen meiner Chicago Marathonvorbereitung einige letzte Laufeinheiten. Dieses Jahr mit Hinblick auf den Chicago Triathlon und die Triple Challenge fehlte das Laufen natürlich genauso wenig. Jedoch war ich zudem mit meinem Fuji beim Radtraining draußen und natürlich im Wasser unterwegs. Als ich mich damals unglaublich winzig vor den Glaspalästen fühlte, wusste ich nicht, wie es vom Wasser aus sein würde.

Die Hochhäuser, die sich direkt am Wasser auftürmen, bekamen noch einmal eine ganz andere Dimension. Man muss Downtown schon ein Stück weit verlassen, um das große Ganze zu sehen. Befindet man sich aber fast mittendrin, verschwimmen die spiegelnden Fassaden zu einer gigantischen Wand.

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DIE STRÄNDE VON WINDY CITY

Egal wo, es sind ab 11 Uhr bis 19 Uhr immer Lifeguards vor Ort. Morgens werden auch zu ihrem Arbeitsbeginn die tagesaktuellen Flaggen den Wetter- und Wellenbedingungen entsprechend ausgehängt. Außerdem kann man dann online beim Chicago Park District einsehen, welche Warnstufen für den Tag bestehen, oder ob man unbedenklich zum Schwimmen gehen kann. Erst dann ist schwimmen offiziell erlaubt. Obwohl die Strände öffentlich zugänglich sind, darf man erst um 11 Uhr ins Wasser. Early Bird Athleten, die zum Schwimmtraining in Chicago bei Morgengrauen aufbrechen, haben ganz schlechte Karten.

Ich war an mehreren Orten schwimmen. Immer mit ganz unterschiedlichen Eindrücken. Es gibt knapp 30 Strände entlang der rund 40km langen Küste von Chicago. Regelmäßig im Mai eröffnet die Badesaison der Metropole, die mit dem Herbst endet. Das eisige, blaugrüne und so klare Wasser faszinierte mich schon vor Jahren bei meinem ersten Besuch. Die Strände sind flach; manche kurz und idyllisch; einige kilometerlang.

Ich war im Süden wie Norden und mittendrin unterwegs. Dazwischen liegen zahlreiche kleine Yachthäfen und unzählige Kilometer Lauf- und Radstrecke. Beim Chicago Triathlon über die Sprintdistanz verschlug es mich ziemlich weit nach Norden an den Foster Beach. Der perfekte Strand für Familien. Die meisten Strände sind gut bewacht durch mehrere Rettungsschwimmer und bieten Annehmlichkeiten wie Umkleiden und WCs. Hier und da befinden sich lange Wellenbrecher an Stränden. Manchmal gibt es auch einen Steg, über den man ins Wasser gelangen kann.

Alles fühlte sich nach Urlaub an, wenn ich nur meine Zehen im Sand vergrub. Auch der starke Wellengang hielt mich natürlich nicht davon ab, immer wieder in das zuweilen eisige Wasser zu gehen. Egal wo, etwas war ziemlich trist. Die Unterwasserwelt. Ich habe noch nie so wenig gesehen. Die Sicht geht weit im klaren und in der Schwimmsaison täglich getesteten Wasser. Aber nur in den seltensten Fällen konnte ich einen Fisch sehen. Aber es soll so viel mehr geben. Denn vor Chicagos Küste liegen mindestens 10 Schiffswracke.

Am Hyde Park Beach im Süden in der Nähe des Museum of Science and Industry gibt es eins in Schwimmdistanz. Es soll sich um ein altes Dampfschiff handeln, das 1914 sank, als es auf ein Riff auflief. An den Rettungsschwimmern führte aber leider kein Weg vorbei, als ich dort war. Zu hoch die Wellen und die Warnstufe gelb. Sowohl dort als auch am Montrose Beach und weiter nördlich kann man abseits der Badegäste surfen, wenn es die Wellen möglich lassen werden. Dafür waren sie nun aber wieder nicht hoch genug. Wobei. Die Wellenbrecher sind nicht ohne Grund da! Einige Tage herrschte sichtlich Schwung im Wasser, der letztlich zum Badeverbot kurz vor dem Chicago Triathlon führte.

SCHWIMMTRAINING IN CHICAGO ENTLANG DER SKYLINE

Vom zentral gelegenen Ohio Beach aus, ganz in der Nähe des bekannten Navy Piers, fühlte ich mich am kleinsten. Ein Strand fast mitten in der Stadt. Nach Osten ist die Sicht frei auf den Lake Michigan und die wunderbaren Sonnenaufgänge, wie ich sie morgens beim Yoga am Strand miterleben konnte. Nach Westen gibt es nichts als Hochhäuser. Erlebt habe ich das so noch nirgends außer in Hong Kong. Dort war ich allerdings nur laufen und nicht wie die Einheimischen morgens noch vor 6 Uhr im Victoria Harbour kreuz die quer schwimmen! Vier Straßen weiter in Chicago tobt auf der Michigan Avenue in jedem Fall jeden Tag mit den Menschenmassen auf Shopping Tour das Leben. Davon bekommt man im Wasser aber nichts mit.

Es stockte mir jedes Mal kurz der Atem, als ich zwischen den Häuserreihen vom Wasser aus das schwarze Gitternetz des John Hancock Centers gen Himmel streben sah.

Ähnlich abgefahren, wie mitten in der Bucht von San Francisco im Morgengrauen die Golden Gate Bridge als Schwimmerin vom Wasser zwischen den Wellen auftauchen zu sehen!

Eine halbe Meile kann man vom Ohio Beach aus Schwimmen, bis man zur Wendemarke kommt, die man nach Möglichkeit nicht überschwemmen sollte! Denn folgt man dem Lake Front Trail parallel und möchte wie ich weiter zum etwas nördlich gelegenen Oak Street Beach um die Ecke, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass man von einem Rettungsschwimmer im Boot mitten auf dem Lake Michigan angehalten wird. Ich hätte es niemals gedacht, aber ja. Glaube es oder nicht!

Man wollte mich tatsächlich aus dem Wasser fischen!

Ich sah vermutlich nicht hilflos aus. Aber einfach um eine Ecke entlang einer meterhohen Kaimauer zu schwimmen, wird scheinbar nicht so gern gesehen. Dort gibt es keinen Schiffsverkehr und auch sonst war ich mir keiner lebensbedrohlichen Situation bewusst. Der Rettungsschwimmer in seinem wippenden Ruderboot war dennoch über mein Schwimmverhalten nicht sonderlich amüsiert. Super nett, aber bestimmt erklärte er mir im Seewind, dass ich höchsten die halbe Meilenmarke anschwimmen darf. Anschließend müsste ich wenden und wieder zurück zum Ohio Beach schwimmen.

Gesagt getan. Ich fragte mich nur, wo man solche Informationen als Schwimmtourist herbekommt. Online fand ich nämlich nichts, obwohl der Park District diesen Abschnitt als wunderbare Trainingsstrecke bezeichnet. Davon mal abgesehen, dass dieser Ort für ein Schwimmtraining für mich außergewöhnlich war, ist noch etwas besonders. In diesem Jahr ist der Wasserpegel des Lake Michigans vieler Orts ungewöhnlich hoch. So auch an Chicagos Stränden, an den Yachthafen,...

Das Hochwasser besteht bereits das ganze Jahr aufgrund der intensiven Regenfälle und des Schmelzwassers im Frühjahr. Auffällig ist das natürlich immer dort, wo Kaimauern den See zur Stadt abgrenzen. Das Wasser schwappt ungehemmt hinüber. Der Beton ist mit einer feinen Schicht Algen bedeckt. So wird jeder Versuch zum Wasser zu gelangen zu einer rutschigen und teilweise gefährlichen Angelegenheit. Insbesondere dann, wenn man nicht vorhatte, ins Wasser zu gehen. Während meiner Schwimmtrainings habe ich so manchen gesehen, die wie auf Schlittschuhen unterwegs zu sein schien.

SCHWIMMEN AM CONCRETE BEACH

Dennoch entschied ich mich mehrmals dafür, direkt am sogenannten Concrete Beach in den Lake Michigan zu steigen. Eine ungewöhnliche Location schon an sich. Ein Strand aus Beton. Ganz ohne Sand. Dafür wieder mit Lifeguards und Leitern, die den Schwimmeinstieg erleichtern. Mit meinem Urvertrauen legte ich dort meinen Rucksack mit all meinen Sachen bei anderen Besuchern ab. Wertsachen kamen in die Boje, die ich vergangen Jahr in San Diego in einem entzückenden Triathlon Geschäft kaufte. Die Besitzern sprach deutsch. Genauso eine Überraschung, wie plötzlich in einer kleiner Seitenstraße in einer Kurve den Laden zu entdecken. Es passt ein klein wenig in das wasserdichte Innere von der Boje. Zumindest sind Taschentücher, iPhone und ein Beutelchen mit Ausweis und Geld trocken verstaut. Am liebsten mag ich ja den breiten Gurt und auch wenn es komisch klingt. Die schwarze Plastikschnalle schließt so schön, weil sie so breit ist. Aber zurück nach Chicago.

Eine komische Situation. Alles so ungewöhnlich. Einerseits der See, der wie ein Meer wirkt. Diese Skyline! Während ich mich umzog, sprachen mich jedes Mal wieder andere Schwimmer an. Einer warnte mich vor den rutschigen Algen. Der nächste über die kühlen Wassertemperaturen. Er erzählte mir, wie er bis weit in den Herbst hinein und zeitig im Frühjahr schwimmen geht. Ohne Neo übrigens. Ein anderer freute sich über die herrlichen Wellen, die bald für Badeverbot sorgen sollten. Bis es aber soweit war, stürzte ich mich mit dem gebotenen Respekt vor dem Wellengang in die Fluten. Ich muss aber zugeben, dass ich vorher tatsächlich einen der zahlreichen Lifeguards fragte, ob ich tatsächlich schwimmen gehen könnte. Mit jedem Tag wurden sie stärker, während der Wind immer mehr von seewärts auffrischte und die Temperaturen des Sees von rund 20° auf deutlich darunter sinken ließ.

Windy City machte sich da mal wieder alle Ehre!

Der gleißende Sonnenschein, der sich nicht nur im Lake Michigan spiegelte, sondern auch in den schwarzen, blauen, grünen Fensterscheiben funkelt, stellt besonders Anforderungen an das Schwimm-Equipment. Auf meinem weiß eingestellten Display meines Garmin FR945 sah ich fast keine der Anzeigen. Das musste ich in schwarz umstellen. Unmöglich war es, mit einer nicht getönten Schwimmbrille ins Wasser zu gehen. Außerdem musste es die Brille gut abkönnen, zwischen der warmen Sommertemperaturen draußen und dem kalten Seewasser zu wechseln. OHNE jedes Mal zu beschlagen! Das funktionierte mit der Arena Cobra Tri meist wunderbar. Der Hit ist aber bei der neuen 2019 Edition, dass man innen wie außen einfach gegen das Glas fassen und den "Nebel" wegwischen kann! Die spezielle Beschichtung macht das problemlos möglich.

Mit meinem Neoprenanzug war ich bestens ausgestattet, um mich auch mal länger durch die Wellen zu kämpfen! Meist ganz allein. Der Neo mit seinem Auftrieb, die Rettungsschwimmer und meine eigene kleine Rettungsboje ließen bei mir keinen Zweifel aufkommen, dass ich im sicheren Hafen unterwegs war. Das eine Mal war ich mit einer rasenden Geschwindigkeit vom nördlichen Ende des Concrete Beach Richtung Süden zum Oak Street Beach unterwegs. Ich konnte es kaum glauben, wie schnell mein Forerunner 945 bei dem Wellengang die ersten 500m anzeigte.

Die Strömung drückte mich immer wieder Richtung Betonwand. So schwamm ich etwas weiter raus. Dort waren die Wellen noch wilder und überrollten mich teilweise. Nach links atmen war nicht möglich. Ab und zu hatte ich Schwierigkeiten, mich gerade zu halten. Der Auftrieb des Neoprenzugs sorgte fast dafür, dass ich mich um mich selbst drehte. Hin und wieder schwamm meine Safer Swimmer Boje vor mir. Dann begann eine irritierende Hakelei mit dem Gurt und den Armen...

Vor mir lag verschwommen die Skyline, die eine sensationelle Orientierung bot. Denn was nicht zu sehen war, war mein Ziel mit dem Oak Street Beach. Die Wellen schränkten die Sicht unglaublich ein. Es war ein ewiges Auf und Ab. Vor allem mit dem rechten Arm schlug ich mehrmals ins Nichts. Mit dem linken kam ich zeitweilig gefühlt gar nicht aus dem Wasser. Mal war mein Oberkörper komplett bedeckt mit Wasser, mal schwebte ich ulkig drüber.

Bis zum Strand war es ein Kilometer. Der Plan sah vor, dass ich natürlich auch wieder zurückschwamm. Kurz vor dem Wasserausstieg am Strand wendete ich also und versuchte recht nah entlang der Uferbefestigung zu bleiben. Ich ahnte was folgte und wollte nicht wie beim Hinweg allzu weit weg sein. Ich kämpfte einige Minuten absolut erfolglos gegen die Wellen an, bis ich einsah, dass es mit meiner verbleibenden Kraft keinen Rückweg geben würde. Also manövrierte ich an Land.

EINE KLEINE SCHWIMMTRAINING ANEKDOTE AM RANDE

Vor Jahren habe ich mal "schwimmen" und "Lake Michigan" gegoogelt. Ich weiß nicht mehr, was ich genau gesucht habe. Aber eine der ersten Fragen, die geklärt werden ist, ob man im Lake Michigan baden kann. So eine Frage hat sich noch nie in meinem Leben gestellt.

Wo ein See. Da kann man schwimmen gehen!

Bis ich vergangenes Jahr nach Florida kam. Ich hatte ein Hotel an einem See gebucht. Extra genau dort, um in Hotelnähe trainieren zu können. Du kannst dir meine Überraschung nicht vorstellen - eigentlich war es eher ein Schock(!) - als ich herausfand, dass man in den meisten Seen Floridas nicht baden kann! Die Gefahr des Atlantiks an der Ostküste durch Haie heißt inmitten von Florida: Alligator! Es war eine furchtbare Qual für all die Tage meines Aufenthalts rund um Orlando immer wieder an Seen vorbei zu kommen und nicht ins Wasser zu können.

Mit etwas Augenzwinkern habe ich hier noch eine kleine Geschichte. Wusstest du, dass an der Ostküste Floridas einer der Strände liegt, an dem die Wahrscheinlichkeit von einem Hai angeknabbert zu werden weltweit mit am höchsten ist? Ich auch nicht! Vergangenes Jahr bin ich dort vor Aufregung, den Atlantik endlich mal wieder vor meinen Füßen zu haben, mit einem weißen Sommerkleid unbedarft hineingesprungen.

Diesen Herbst werde ich in Florida besser vorbereitet sein! Was mich dort hin verschlägt? Das kannst du in meiner Triathlon Training Monatszusammenfassung des dritten Quartals nachlesen. Statt Sommerkleid gibt es dann den Neo mit Shark Attack Mitigation System. Den Arena Neoprenanzug konnte ich vor einigen Wochen im absolut ungefährlichen aber ziemlich eisigen Lake Michigan probe-schwimmen. Wobei! Wie erwähnt hatten es die Wellen dort einige Tage wirklich in sich.

Gibt es eigentlich Haie im Golf von México? Denn dort werde ich für einige Zeit sein. Genauer gesagt in Panama City Beach. Die Sonnenuntergänge sollen unglaublich sein. Besonders freue ich mich auf den Camp Helen State Park und eine jetzt bereits geplante Delphin-Tour. In jedem Fall soll es alle paar Jahrzehnte Sichtungen von Haien geben. Ich bin mir jedoch ziemlich sicher, dass mir auch bei diesem Wettkampf keiner folgen wird. Oder? In jedem Fall hätte ich vermutlich beste Chancen übersehen zu werden mit diesem Blickfang von Neoprenanzug. Denn das zeichnet die Technologie aus. Das Streifendesign ist so angefertigt, dass es von Haien übersehen oder als nicht attraktiv genug für eine nähere Inspektion angesehen wird.

Was war für dich das außergewöhnlichste Trainingsrevier, in dem du bis jetzt unterwegs warst? Für mich gehört das sicher mit dazu und ich würde es unglaublich schön finden, wenn ich das irgendwann dort genau so wiederholen könnte!

Du hast jetzt noch mehr Lust auf Schwimmen bekommen? Dann schaue dich doch in meinen anderen Schwimmgeschichten um.

Alle hier gezeigten Fotos wurden von Oliver erstellt. Die Rechte an diesen Aufnahmen liegen bei ihm und mir. Eine weitere Nutzung ist nur in Absprache mit uns möglich.

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