An kaum einem anderen Ort zeigen sich die Menschen so ungeschminkt wie im Schwimmbad. Die folgenden Exemplare haben es mir besonders angetan:
- Die kleine Nervensäge: Dieses Kind, das dein Kind auf dem Schulweg fast täglich zum Heulen bringt, das unablässig nach Wegen sucht, ihm eins auszuwischen und keine Mühen scheut, ihm das Leben schwer zu machen. Jetzt aber, während der hochsommerlichen Spielkameradenknappheit, heftet es sich an die Fersen deines Kindes, kaum hat es das Drehkreuz am Schwimmbadeingang passiert. Interessant, wie toll es sich plötzlich mit deinem Kind zu unterhalten weiss. Interessant aber auch, wie es schmollen kann, wenn dein Kind mal keine Lust hat, nach seiner Pfeife zu tanzen und stattdessen Zeit mit seiner Familie verbringt.
- Das Kiosk-Ekel: Egal, wie selten du dich zum Kiosk verirrst, er ist immer dort. Mal beklagt er sich, die Pommes Frites seien zu kalt, mal schimpft er über unerträglich lange Wartezeiten und wenn er ausnahmsweise keinen Grund zum Meckern findet, belästigt er das Personal mit sexistischen Sprüchen. Ein richtiger Schatz also, den man einfach gern haben muss.
- Die Lederhaut: Irgendwann, so etwa in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, hat ihr jemand gesagt, wie unglaublich sexy sonnengebräunte Haut sei und seither verpasst sie keine Gelegenheit, sich in der Sonne zu rösten. Für eine möglichst streifenfreie Bräune muss der Badeanzug knapp bis inexistent sein, Kettenrauchen unterstützt die regelmässige Faltenbildung. Das Schwimmbecken meidet sie ebenso konsequent wie die Warnbroschüren, die ihr nun schon seit gut zwanzig Jahren die Freude am Sonnenbaden vermiesen wollen.
- Die “Ich treibe mich bestimmt nicht im Babybecken rum”-Mama: Sie glaubt doch allen Ernstes, sie könnte sich ersparen, was wir alle über uns haben ergehen lassen müssen: Die quälenden Stunden am seichten Wasser, das nicht allein von der Sonneneinstrahlung so warm werden konnte, wie es ist. Mit Vorliebe planscht sie mit ihrem Baby im Auffangbecken vor der Rutschbahn, natürlich in Begleitung anderer Mamas ihrer Sorte, denn sonst würde sie den aktuellen Tratsch verpassen. Hier ist sie der glücklichste Mensch auf Erden, zumindest solange keines jener grässlichen Schulkinder angerutscht kommt und ihrem kleinen Liebling rücksichtslos Chlorwasser ins Äuglein spritzt.
- La Famiglia: Sie besteht aus Mama, Papa, Nonno, Nonna und Kleinkind, das – mit Schwimmreifen, Schwimmflügel, Schwimmweste und Badenudel ausgestattet -, davon überzeugt werden soll, dass Wasser eine wunderbare Sache ist. Nach etwa einer halben Stunde und zahlreichen “Attenzione!”- und “Bravo!”-Rufen ist endlich der kleine Zeh im Wasser, diese Erfahrung ist aber meist so erschreckend, dass nur eine grosse Portion Pommes Frites mit ganz viel Ketchup den Schock lindern kann. (La Famiglia muss übrigens nicht zwingend aus Europas Süden stammen, ich beschreibe hier lediglich das aktuellste Drama dieser Art, das sich vor meinen Augen abgespielt hat.)
- Der Opa: Er holt nach, was er bei seinen Kindern verpasst hat und zwar mit vollem Einsatz. Mit der Ernsthaftigkeit eines Offiziers unterweist er seine Enkel in der Kunst des Schwimmens, Tauchens und Springens, seine mit kräftiger Stimme vorgetragenen Anweisungen sind im ganzen Schwimmbad zu vernehmen. Wer es wagt, das Exerzieren zu stören, bekommt den Kasernenhofton zu hören.
- Die alternde Statue: Das männliche Pendant zur Lederhaut. Verbringt gleich viel Zeit an der prallen Sonne wie seine Kollegin, ist aber gewöhnlich Nichtraucher und bis in die letzte Faser seines Körpers durchtrainiert. Da liegt er in knapper Badehose an der Sonne, um der Menschheit zu zeigen, dass Alter und Fitness einander nicht ausschliessen. Fragt sich bloss, wo er sich seine gestählten Muskeln holt, wo er sich doch nur bewegt, um sich vom Bauch auf den Rücken und ein paar Stunden später wieder zurück zu drehen.
- Die Poolside-Mama: Um nichts in der Welt würde sie ihren Nachwuchs, der schon längst schwimmen kann, aus den Augen lassen, aber nass werden geht nicht, denn sonst könnte die Frisur leiden, oder der Nagellack oder sonst irgendwas. Also sitzt sie mit Leidensmiene neben dem Schwimmbecken, sorgsam darauf bedacht, nicht einen einzigen Spritzer Wasser abzubekommen, wenn Söhnchen oder Töchterchen ins Wasser hüpft.
- Tussi in the making: Von frühester Kindheit an hat ihr die Mama weis gemacht, dass es im Leben einzig und alleine darauf ankommt, die Aufmerksamkeit eines männlichen Wesens – und sei dieses noch so mittelmässig – zu erheischen und jetzt ist sie endlich kurvig genug, um es ihrer Mama gleichzutun. Falls der knappe Bikini, der provokative Hüftschwung und das Dauerkreischen ihre Wirkung verfehlen, gibt sie schon mal vor, die Wasserströmung habe ihr das Höschen ausgezogen, um endlich die Neugierde eines am Beckenrand lauernden Aufreissers in the making (siehe unten) zu wecken.
- Aufreisser in the making: Von frühester Kindheit hat der Papa ihm weisgemacht, dass es im Leben einzig und alleine darauf ankommt, die Aufmerksamkeit eines weiblichen Wesens – und sei dieses noch so mittelmässig – zu erheischen und jetzt ist er endlich muskulös genug, um es seinem Papa gleichzutun. Falls der gestählte Body, das gockelhafte Getue und die grenzwertigen Sprüche ihre Wirkung verfehlen, muss er manchmal auch ein wenig grabschen, um endlich eine Tussi in the making zu angeln.
- Die Kaffeetante: Keine Ahnung, warum sie im Schwimmbad ist, denn eigentlich tut sie den lieben langen Tag nichts anderes, als mit ihren Freundinnen zu quatschen und Kaffee zu trinken, meistens sogar angezogen. Mit dem Geld, das sie am Schwimmbadkiosk liegen lässt, könnte sie sich locker drei Wochen Luxusferien in der Karibik leisten.