Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) fordert Open Access

Von Ibex @Patientensicht

Die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) hat Ende Juni ein Positionspapier zu Open Access verabschiedet und veröffentlicht.

Was ist die Postion der Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) zu Open Access?

Nachfolgend, die wichtigsten Stellen des Positionspapiers der SAMW zu Open Access. Die fetten Hervorhebungen habe ich eingefügt.

Zusammenfassung des Positionspapiers

Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) setzt sich ein für eine enge Verbindung zwischen Praxis und wissenschaftlicher Medizin sowie für den Dialog mit dem gesellschaftlichen Umfeld. Vor diesem Hintergrund unterstützt sie die Umsetzung von Open Access. Ein freier Zugang zu Forschungsergebnissen im Sinne von Open Access ist nach Meinung der SAMW der optimale Weg, um die Informationsversorgung von Forschenden, Medizinalpersonen, Patienten und allgemeiner Öffentlichkeit nachhaltig zu sichern und zu verbessern. Angesichts der neuesten, in diesem Positionspapier geschilderten weltweiten Entwicklungen von Open Access nimmt die Akademie Stellung und fordert Verlage und Wissenschaftsakteure auf, den Übergang zu Open Access zu erleichtern und zu beschleunigen, um den gesellschaftlichen Nutzen der medizinischen Forschung zu maximieren.

Problem

Die Kosten für die Lizenzierung von wissenschaftlichen Zeitschriften und Datenbanken steigen kontinuierlich und setzen die Bibliotheken und deren Träger erheblich unter Druck. Eine vollständige Informationsversorgung in dem Sinne, dass medizinische Institutionen ihren Mitgliedern den Zugriff auf den gegenwärtigen Stand des Wissens nachhaltig gewährleisten können, ist immer weniger finanzierbar.1 Dieser Zustand wird der Bedeutung der medizinischen Forschung und Praxis nicht gerecht.

Hinzu kommt, dass das vorhandene Informationsangebot in der Regel nur Angehörigen von Universitäten und Universitätsspitälern zur Verfügung steht, da nur diese die immensen Kosten für medizinische Informationen tragen können. Medizinalpersonen in nicht-universitären Spitälern, niedergelassene Ärzte sowie Patienten bleiben vom Zugang zu aktuellen Daten und Erkenntnissen weitgehend abgeschnitten.

Ziel

[SAMW hat sich] zum Ziel gesetzt, den Zugang zu Forschungsliteratur für jede wissenschaftlich interessierte Medizinalperson zu ermöglichen, auch ausserhalb des universitären Umfelds. 2

Für die SAMW stellt Open Access derzeit den optimalen Weg dar, um wissenschaftliche Erkenntnisse und Forschungsdaten einem möglichst breiten Leserkreis aus Forschung und interessierter Öffentlichkeit dauerhaft und nachhaltig zur Verfügung zu stellen.

Ein maximaler und produktiver Austausch von Erkenntnissen und Ideen verlangt nach einer möglichst uneingeschränkten Wiederverwendung. Aus diesem Grund publizieren führende Open-Access-Verlage ihre Veröffentlichungen unter der Creative-Commons-Lizenz «Namensnennung» (CC BY), die als einzige den Anforderungen der Berliner Erklärung gerecht wird.

Darüber hinaus sieht sich die SAMW und mit ihr die Forschungsgemeinschaft in der Pflicht, Open Access mit konkreten Massnahmen zu unterstützen.

Eine konkrete Unterstützung ist absolut notwendig, da seit 10 Jahren Open Access in der Schweiz auf Papier existiert, aber leider nur in Form von Absichtserklärungen und nicht als frei zugängliche Forschungspublikationen.

Empfehlungen für Forscher

Die SAMW empfiehlt zudem allen Wissenschaftsakteuren, folgende Massnahmen zu ergreifen und wird in Zukunft entsprechende Bemühungen unterstützen:

  • Wissenschaftler sollen ihre Forschungsergebnisse möglichst rasch über Open-Access-Zeitschriften oder Open-Access-Repositories der wissenschaftlichen Gemeinschaft und der allgemeinen Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.
  • Wissenschaftler sollen erwägen, auf die Publikation von Forschungsergebnissen und auf die Mitarbeit (z.B. als Reviewer oder in Editorial Boards) bei jenen Verlagen zu verzichten, die oben genannte Forderungen nicht erfüllen.

Empfehlungen für Forschungsförderer

  • Forschungseinrichtungen und Förderorganisationen sollen die Praxis der Veröffentlichung nachhaltig beeinflussen, indem sie die freie Bereitstellung von Publikationen und Forschungsdaten über entsprechende Richtlinien fordern, dafür finanzielle Mittel bereitstellen und ein Monitoring zur Einhaltung der Richtlinien einrichten.
  • Forschungseinrichtungen und Bibliotheken sollen die wissenschaftliche Gemeinschaft beim Erwerb des Wissens und der Kompetenzen unterstützen, die für das Verständnis der neuen Publikationsmodelle notwendig sind. Dafür sind Kurse […] notwendig.
  • Forschungseinrichtungen und Förderorganisationen sollen neue Evaluationsmodelle für Forschungsleistungen erarbeiten und testen. Dabei sollen Kriterien wie öffentliche Zugänglichkeit und Weiternutzungsmöglichkeiten von wissenschaftlichen Erkenntnissen stärker gewichtet werden, um den gesellschaftlichen Nutzen von Wissenschaft zu maximieren.

Empfehlungen an Verlage

Die Empfehlungen an die Verlage, kurz zusammengefasst, ist: Die obigen Punkte zu ermöglichen und die Open Access-Bestrebungen nicht zu behindern, z.B. durch Knebelverträge, die es den Universitätsbibliotheken nicht einmal erlauben öffentlich über die Kosten zu informieren.

Kommentar

Das Positionspapier der SAMW zu Open Access und damit die Haltung der SAMW ist ein wichtiger Schritt für den freien Zugang von Forschungsresultaten in der Schweiz. Besonders freut es mich, dass die SAMW die Patienten nicht vergessen hat und den Nutzen von Open Access für Personen ausserhalb von Universitäten erkannt hat.

Bemerkenswert ist, dass die SAMW es nicht einfach bei einem „Positionspapier“ bewenden lassen will, sondern konkrete Massnahmen anstrebt. Massnahmen, die das Potential haben zu greifen:

  1. Den nicht kooperativen Verlagen, die (gratis) Mitarbeit der Forscher (als Gutachter und Redaktoren) entziehen. (Denn viel Arbeit verrichten die Forscher gratis zugunsten der Verlage.)
  2. Ändern der Anreize für Forscher, sprich ändern der Bewertungsregeln der Forschung und damit der Forscher selbst (Evaluationsmodelle)

Gute Forscher wollen als gute Forscher erkannt werden. In der Wissenschaft gibt es Bewertungskriterien, z.B. die Publikationen in prestige-trächtigen Fachzeitschriften oder die Zitierhäufigkeit von Artikeln. Die Forscher richten sich nach diesen Kriterien aus um möglichst als gute oder gar hervorragende Forscher zu gelten. Wenn nun diese Kriterien um für die Gesellschaft wichtige Kriterien ergänzt werden, entsteht dadurch für die Allgemeinheit ein grösserer Nutzen. Ein gesellschaftlicher Nutzen ist letztendlich das Ziel der medizinischen Forschung. Die Bewertungskriterien sind ein eigenes spannendes Thema und möchte auf den Tagungsbericht „Braucht es eine neue Wissenschaftskultur?“ der nationalen Akademien verweisen.

Beispielsweise können bei der Evaluation der Fähigkeit des Forschers vor der Vergabe von Forschungsgeldern nur noch die öffentlich frei zugänglichen Publikationen in die Bewertung einbezogen werden. Der weltweit zweitgrösste medizinische Forschungsförderer, der Wellcome Trust, streicht seit 2013 alle nicht frei zugänglichen Publikationen aus dem Leistungsausweis eines Forschers. Dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) habe ich am ersten April ebenfalls eine Änderung der Forschungsbewertungskriterien zugunsten von Open Access angedichtet. Das könnte vielleicht durch die Bestrebungen der SAMW bald Realität werden.

Ich versuche ebenfalls einen konkreten Beitrag zu Open Access zu leisten. Seit 2010 versuche ich bei der MS-Gesellschaft, welche mit jährlich über 1 Million Franken Forschungsunterstützung zu den grösseren Forschungsfördern der Schweiz gehört, eine gemeinnützige Patientenorganisation ist und deren Mitglied ich bin3, Open Access einzuführen. Meine Bestrebungen waren bis jetzt fruchtlos. Verschiedene Gründe haben bisher eine Umsetzung von Open Access bei der MS-Gesellschaft verhindert: Unwissenheit, Trägheit und falscher Überbringer der Idee, um nur einige zu nennen. Die Forschenden müssen noch vom Potential eines freien Zugangs zu ihrer Forschung überzeugt werden. Die SAMW-Position wird beim Aufzeigen der Vorteile von Open Access helfen.

Erwähnen möchte ich den Blogartikel Konkrete Umsetzung von Open Access für gemeinnützige Organisationen, welcher eine einfache Anleitung ist und zeigt, dass die Einführung von Open Access auch für kleine Organisationen gar nicht kompliziert ist. Die Umsetzung ist insbesondere dadurch einfach, da die Schweizer Universitäten mit ihren Universitätsbibliotheken wichtige Vorarbeiten, z.B. mit Open Access-Ablagen (Repositories), geleistet haben. Also, kleiner Aufwand, grosse Wirkung.

Open Access – also der freie Zugang zu hochstehenden medizinischen Forschungspublikationen – ist für mich als MS-Betroffener sehr wichtig. Die Empfehlungen der SAMW sind von grosser Bedeutung. Sehr erfreulich ist, dass das Dokument der SAMW kein „Wischi-Waschi“ ist, sondern eine klare Empfehlung mit konkreten Vorschlägen ist.

Nicht vergessen werden darf, dass Open Access kein Selbstzweck ist, sondern Open Access ist wichtig,

um den gesellschaftlichen Nutzen der medizinischen Forschung zu maximieren.


  1. Siehe dazu das «Memorandum on Journal Pricing» des Faculty Advisory Council der Harvard University vom 17. April 2012. ↩

  2. Mehrjahresprogramm 2012–2016 der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften – Programme pluriannuel 2012–2016 de l’Académie Suisse des Sciences Médicales. Basel: 43 und 55 ↩

  3. Seit Ende 2013 habe ich eine Funktion bei der MS-Gesellschaft übernommen und bin im Wiss. Beirat der MS-Gesellschaft. ↩