Schweigen ist Goldfisch

Von Privatkino
Titel: Schweigen ist Goldfisch
Originaltitel: Silence is Goldfish
Autor: Annabel Pitcher
Genre: Jugendbuch ab 14 Jahren
Verlag: Fischer Sauerländer
Format: Hardcover, 464 Seiten
ISBN: 978-3737353755


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Inhalt:
Tess fühlt sich verloren, ihrer Wurzeln beraubt. Nachts am Computer ihres Vaters hat sie die Wahrheit über ihre Herkunft erfahren – nämlich dass ihr Vater, eben nicht ihr Vater ist – nur wer es ist, dass weiß sie auch nicht.

Was soll Tess dazu sagen? Sie verliert die Sprache und sich selbst in Gedanken. Schweigend macht sie sich auf die Suche nach ihrem richtigen Vater, nur ihren Plastikgoldfisch, Mister Goldfisch, an der Seite. Langsam verliert sie jeden Halt und kommt zu der Erkenntnis, Schweigen verleiht eine trügerische Macht, Reden ist jedoch viel stärker.

Meine Meinung:
Seit einer kleinen Ewigkeit, steht „Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims“ von Annabel Pitcher in meinem Bücherregal – ungelesen. Mit dem Anfang wurde ich nicht warm, deswegen habe ich es mir für irgendwann später aufbewahrt, so war ich bei „Schweigen ist Goldfisch“ skeptisch, würde mich der Schreibstil wieder nicht packen können? Es war der Inhalt, der mich dazu getrieben hat, doch lesen zu wollen, wieso Tess sich im Schweigen verliert, auch wenn eine Zurückhaltung meiner Emotionen vorhanden war. Nun, wie hat sich die Geschichte zwischen mir und Annabel Pitcher entwickelt?

Manchmal, so hatte ich das Gefühl, war ich Mister Goldfisch, die einzige „Person“, die Tess’s Gedanken hören kann, durch diese erfährt man, was in ihrem Inneren los ist, weil nach einer kurzen Einführungen, breitet sich rasch das Schweigen über den Buchseiten aus. So wenig Worte Tess auch spricht, so viele gehen ihr durch den Kopf. Verloren in sich selbst, ihrer Wurzeln beraubt, versucht sie ihren Platz zu finden, beginnt die Worte und Gesten der anderen Menschen auf die Goldwaage zu legen, versucht ihr Gewicht zu bestimmen und kommt viel zu oft in der Dunkelheit an. Sie verliert sich in Trauer darüber, ein Leben voller Lügen gelebt zu haben und verrennt sich darin, die Wahrheit wissen zu wollen. Mit jedem nicht gesprochenen Wort, fühlt man sich mehr mit ihr verbunden, egal ob man schon einmal mit diesem Thema zu tun hatte, oder nicht. Es ist auch für Tess ganz neu, wie hätte sie ahnen können, dass nichts so ist, wie es scheint. Ihr Schock überträgt sich durch das Papier und landet direkt beim Leser.

Es ist eines dieser Bücher, bei denen man denkst, den Inhalt durchschaut zu haben, nur um am Ende beinahe zu ersticken, weil man die Luft zu lange angehalten hat. Müsste man dem Buch ein Motto geben, es würde „Nichts ist so wie es scheint“ lauten. Man balanciert mit Tess durch eine unstete Zeit und fragt sich bei jedem Wort, wann sie es wohl schafft, es über ihre Lippen zu bringen.

Handelt es sich jetzt hier um trotziges Schweigen, wie oft gedeutet wird, weil man einfach das Umfeld „erpressen“ möchte? Nein, unter all diesen Dingen verbirgt sich eine Krankheit namens Mutismus. Selten wird darüber gesprochen (was für ein Wortwitz) und auch nur ein anderes Jugendbuch fällt mir zu diesem Thema ein – „Die Welt ist kein Ozean“. War dies in meinen Augen noch total unrealistisch und ohne Nährboden, kam „Schweigen ist Goldfisch“ mit so viel Realitätsnähe punkten, dass die Geschichte einen verschluckt, man nicht aufhören kann, bevor man weiß, wie es mit Tess ausgeht oder anfängt, wie man es sieht.

Fazit:
Viele Bücher können es nicht, dieses hier schon: Ich war gefangen, zwischen den Seiten, in den Gedanken von Tess, die bis auf Mister Goldfisch alles zu verlieren droht, allerdings machtlos diesem Verlust gegenübersteht.