Schwarzer Frost

Von Privatkino

Titel:  Schwarzer Frost
Autor: David Wonschewski
Genre: Belletristik
Seiten: 232 Seiten
Verlag: Periplaneta
ISBN-10: 3940767972
ISBN-13: 978-3940767974

Erste Sätze:
Gleich kommt Lohwald. Um sich mit mir auszusprechen.
Das wäre doch mal gut, hat er gemeint. Wir hätten uns zu oft überworfen in letzter Zeit. Sehr ruhig hat er das gesagt, es klang fast nett. Aber geschaut hat er dabei, als wäre es allein meine Schuld. Ist es aber nicht, sondern nur eine logische Folge. Erst hat er bemerkt, dass er mit seinen cholerischen Anfällen nicht weiterkommt bei mir. Und dann, dass ich seine Arbeit als Radiomoderator nicht sonderlich schätze.

Klappentext:
Ein Musikjournalist steht in seiner Wohnung vor dem Plattenregal und überlegt. Er hat Besuch von seinem Kollegen Lohwald, einem berühmten TV- und Radiomoderator. Langsam wird ihm immer klarer, wie sehr er seinen Gast verabscheut. Er fasst einen Entschluss. Er wird Lohwald töten. Hier und Jetzt.
Dass er das Potential dazu hat, weiß er schon lang. Denn seit jeher fühlt er diese Kälte, die ihn taub werden lässt und ihn jeglicher Menschlichkeit beraubt. Doch dann, als er bereit an der Durchführung seines morbiden Planes feilt, entdeckt er plötzlich etwas an seinem Gast, das ihn verstört…

Inhalt:
Ein namenloser Musikjournalist steht in seiner Wohnung, lässt seine Gedanken schweifen und wartet auf den Besuch seines Kollegen Lohwald, der ein berühmter Radiomoderator ist. Wie konnte es passieren? Er hasst seinen baldigen Gast, verabscheut ihn aus tiefsten Herzen. Je näher er die Situation betrachtet, desto mehr verfestigt sich der Entschluss, Lohwald zu töten. Hier in seiner Wohnung, kurz und schmerzlos. Einen Mord zu begehen braucht Überwindung, doch es ist klar, dass es funktionieren wird, weil der Protagonist vom Schwarzen Frost erfüllt ist, innerlich taub und von einer Kälte erobert, die jede Menschlichkeit vermissen lässt.
Der Plan ist gefasst, doch als sein Gast dann tatsächlich in der Wohnung ist, da ändert sich etwas, die Situation verändert sich, was einfach erschien, wiegt plötzlich Tonnen.

Meine Meinung:
Die Geschichte ist ein einzig langer Monolog, eines Protagonisten, den man vor allem dadurch kennenlernt, dass er sich Gedanken um Selbstmord, Depression und Sinnhaftigkeit des Lebens stellt. Er hat sich abgewandt, schon vollkommen abgeschlossen, Wärme und Freude sind Fremdwörter in seinem Leben und doch wird er sich selbiges nicht nehmen, weil er ein geborener Untergeher ist, wie ihn Bekannte nennen. Er besitzt nicht die Konsequenz wie sein Freund Moritz, der den Freitod in China wählte, man merkt ihn ein wenig Neid an, diesen namenlosen Menschen und doch scheint er sich mit seiner Situation abgefunden zu haben, fabuliert über das Leben, hat für sich die Grenzen zwischen Gut und Böse längst gesprengt.

Das Buch ist in drei Teilen untergliedert: „Vor Lohwald“, „Mit Lohwald“ und „Nach Lohwald“. Lohwald, ein Egomane wie er im Buche steht, sieht sich selbst als Held und Mann, der über all den Dingen steht, genau diese Haltung ist es auch, die unseren Protagonisten dazu treibt, ihn töten zu wollen, diesen Menschen, der sich als Meisterwerk der Schöpfung sieht, gar nichts von dem Schmerz der Welt versteht. Immer mehr steigert er sich in seine Fantasien hinein, seziert jeden Gedanken ins Kleinste und verliert sich in seiner Gedankenwelt. Viele Gedanken werden zigmal wiederholt, was ich zuerst befremdlich fand, konnte mich dann doch überzeugen, obwohl nämlich die Gedanken gleichbleibend sind, die Überlegungen dazu auch nicht große Sprünge machen, so machen die endlosen Wiederholungen doch eine einzigartige Eindringlichkeit, es geht nichts verloren und man merkt selbst, wie sehr der Protagonist mit seinen Gedanken hadert. Er glaubt an nichts mehr, hat sich von sich selbst entfremdet und denkt, das große Wissen für sich gepachtet zu haben. An seine Überzeugungen klammert er sich, steigert sich künstlich immer weiter hinein, lässt nicht los, was ihn zu zerstören droht, sondert kostet die drohende Zerstörung in all seinen Zügen aus.

Denn ich werde mich mühsam weitertasten, Schritt für Schritt durch diese Dunkelheit irren und mich am Ende von meinem eigenen Tod freudig überraschen lassen. Ich habe mir den längsten und qualvollsten aller Freitode ausgesucht, indem ich mich eben nicht erschieße, nicht erhänge und auch nicht zu Tode hungere. Sondern weiterlebe, so lange und so kalt, bis das Leben meiner überdrüssig wird. Freitod durch Lebensvollzug. (Seite 168)

Ich würde von mir behaupten, eine schnelle Leserin zu sein, besonders wenn mich ein Buch gefangen nimmt und obwohl es hier der Fall war, konnte ich mich nur im Schneckentempo fortbewegen, viel zu viele Eindrücke und Satzkonstrukte galt es aufnehmen, anzunehmen. Die Intensität macht auch für mich die Meisterleistung des Buches aus. Ein endloser Monolog, dessen stiller Zuhörer mein sein darf, man sitzt in der Ecke des menschlichen Kopfes und darf den desaströsen Gedanken beiwohnen, solchen, die sonst niemand ausspricht, die die meisten vor der Welt verschließen, hier wird einen der Abgrund offen präsentiert und es ist vielleicht ein bisschen Voyeurismus, weil fremdes Leid die Schwere vom eigenem nimmt.

Fazit:
Gewiss ist, dass ich „Schwarzer Frost“ noch 2-3-mal lesen werde, um seine ganze Komplexität in mir aufnehmen zu können, jede Facette beleuchtet habe, die jetzt noch im Dunklem geblieben ist. Es ist kein Buch für Unterhaltungssüchtige, nein, es ist eines für Personen, die Abgründe liebe, je tiefer desto besser. Eine Reise in die menschliche Psyche, die Licht in die Schattenseiten bringt. Und ohne zu übertreiben, würde man mich hier und heute fragen, welches bis jetzt das beste Buch im Jahr 2013 für mich ist, ohne zu zögern würde ich „Schwarzer Frost“ wählen.