Schwarze Tage, schwarze Lungen.

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––äß

Wir sollten unsere Helmlampen ausschalten und Platz machen. Danillo’s leuchtete weiterhin. Ich lehnte mich an die Mauer. Es tropfte auf meinen Helm. Wir waren keine 100 Meter tief im Stollen ›Candelaira‹, als ich schon hier Staub in meinen Lungen spürte. Er war zu fein für die Maske. Wir harrten. Es roch modrig. Ein kühler arroganter Windzug zwang sich an mir vorbei. Im Dunkel begann ein kleines Licht zu wanken, größer und heller werdend – vom Schlurfen und schwerem Atmen getragen. Dann hustete er, es klang nicht gut. ›Wenn sie nicht hier im Berg sterben, dann im Hospital‹ sollte später Danillo sagen. Der Mann, der sich mit einem 30 kg schweren Leinensack auf dem Rücken zum Ausgang quälte, war der Älteste hier im Cerro Rico. 63 Jahre alt war er inzwischen. Verwunderlich, denn ›ein Minenarbeiter wird nicht älter als 45 – mein Onkel selbst starb mit 43 Jahren an schwarzer Lunge. Er sah immer nur das Geld, das Geld, das Geld, aber das Geld hat ihm später, im Krankenhaus, nicht helfen können‹. Danillo war bewegt. Obwohl er sonst ein unglaublich witziger Guide war (Nikolei meinte, dass das ›harte‹ Leben dafür verantwortlich war, verantwortlich für die Ironie, den Sarkasmus in seinem Temperament) schien auf einmal eine völlig andere Person an unserer Seite zu stehen: Seine Stimme verdunkelte sich, wie der Stollen, in denen wir immer tiefer drangen. Leise, ernst, teils mit brüchiger Stimme sprach er nun. Seine Sätze wiederholten sich – so wie das Menschen unbewusst passiert, wenn sie über etwas Schreckliches berichten. Vielleicht wurde er auch so, weil sein Vater noch immer im Stollen ackerte. Er selbst habe zweieinhalb Jahre hier unten gearbeitet, aber sein Vater schimpfte: ›Ich will Dich hier unten nicht sehen! Mach was anderes, mach was mit den Touristen!‹

Gewiss, es ist die Aussicht auf das schnelle Geld, dass schon manchen Jungspund in den Berg gelockt hat. Wie Don Julio, 52 Jahre alt – sein Gesicht aber schrieb ein anderes Alter. Ohne Knieschützer, ohne Handschuhe, schlug er im Takt stöhnend mit Hammer und Pickel auf Granit ein. Geld für modernes Gerät ist nicht da. Es roch nach Schwarzpulver. ›Am morgen hat mein Sohn hier gesprengt.‹ Eine Dynamitstange kostet 20 Bolivianos auf dem Minenarbeiter-Markt. Die Dämpfe sind giftig und mitverantwortlich dafür, dass die Arbeiter ihre Lungen binnen 10 Jahren vollends ruinieren. Die Dämpfe stehen bis zu 24 Stunden in den Stollen, aber jeder dieser Männer hier sucht nach etwas Wohlstand und bekanntlich schläft die Konkurrenz nicht, also lässt man das Warten, und gräbt einfach weiter.

Hier ist Zink. Hier! Das, das was so glitzert. 1 Kilogramm bringt 15 Bolivianos‹. Zu seinem Glück traf er auch auf eine Silberader. 1 Kilo dieses Materials – insofern es von ›guter‹ Qualität ist – bringt bis zu 200 Bolivianos. Ein Minenarbeiter kann es in einem Monat also auf 2000 Bolivianos bringen, selbst ein Doktor hier – im ärmsten Land Südamerikas – verdient ›nur‹ 3000, höchstens 4000 Bolivianos. ›Aber man muss vorsorgen, sparen. An manchen Tagen verdient man beinahe nichts.‹ Ein einfacher Arbeiter verdient durchschnittlich 150 Bolivianos täglich, davon gehen 12% Steuern an die Regierung ab. ›Die Arbeit hier ist hierarchisch strukturiert: Normalerweise arbeitet man nicht alleine. Es gibt so genannte ›Mitglieder‹, die bestimmte Befugnisse und Vorrechte haben. So können sie weitere Arbeiter anheuern oder entlassen – wenn die Erträge es erfordern – sie bestimmen den Kurs der Grabungen, und in der Regel streichen sie auch den meisten Profit ein. Allerdings muss man selbst 5 Jahre einem anderen unterstehen, um diese Position zu erwerben. Man fängt also wie immer und überall klein an.‹ Ich bin erschrocken, als mir Danillo antwortet, dass selbst von den ›Mitgliedern‹ nur 30% eine Versicherung haben. Die ›einfachen‹ Arbeiter können sich keine leisten. ›Aber, es gibt auch gute ›Mitglieder‹, die für ihre Kumpel im Unglücksfall aufkommen.‹

Wir überreichen Don Julio ›Geschenke‹. Diese sind mehr oder weniger obligatorisch. In unserem Fall Handschuhe, Limonade und Kokablätter. Aber von denen hat er genug. Nicht nur in der Tüte – seine Backe ist angeschwollen. Kokablätter vertreiben Hunger und Müdigkeit. Sie sind also essentiell, wenn man eine 24-Schicht hier unten durchhalten will – wenn man überhaupt hier unten durchhalten will. Don Julio ist am Ende seiner langen Schicht. Er hat heute länger gearbeitet, denn morgen ist Karneval in Bolivien und das heißt Fiesta. Drei Tage in der Woche arbeitet er. Was er den Rest der Woche macht? ›Also, freitags, da trinken wir.‹ Faustgroße Steine fallen plötzlich von der Wand. Sie verschütten Don Julios Gedankenfluss. Dann fährt er fort: ›Und sonst … hahaha … Löcher bohren. In meine Frau.‹Danillo und wir lachen (dreimal dürft ihr raten, wer am dreckigsten lacht). Unser Guide fragt, wie viele er denn hat. ›Hm … zwei – eine ist Fünfzig, die andere ist dreißig.‹›Nur zwei?‹ kontert Danillo. Humor ist wichtig, betont Danillo: ›Wenn du Probleme hast, mit deiner Frau, deinen Kindern oder Freunden, dann kannst Du hier zur Ruhe finden, den Stress draußen in der Welt vergessen – aber, trage nie Probleme hier mit rein. Das kann dich umbringen‹

Der Freitag ist den Arbeitern ein heiliger Tag: An diesem Werktag wird Mutter ErdePachamama auf Queacha– an einem Schrein im Stollen für die Mineralien gedankt. Man betet, hinterlegt ihr eine Gabe und trinkt auf sie. Man trink Ceibo: Wir durften auf dem Markt probieren. Zuckerrohrschnaps. 96-prozentig, von klarer Farbe. Ich habe es anfangs, als der erste Tropfen sich in meine Speiseröhre fraß, für Glasreiniger gehalten. Auf dem Etikett der Plastikflasche rangt: ›buen gusto‹ – Ich scheine das falsch zu übersetzen. Mutter Erde ist es auch, die dem weiblichen Geschlecht die Arbeit im Berg untersagt. Sie wäre ›neidisch auf die Frauen und würde dem Berg alle Rohstoffe wieder entziehen‹. Frauen dürfen folglich nur Festen beiwohnen oder Besuche abhalten. Die Bergarbeiter sind in dieser Hinsicht sehr strikt und traditionsbewusst.

Mir läuft der Schweiß von der Stirn. Obwohl wir nur im vierten Untergeschoss sind. Acht gibt es insgesamt, das Letzte ist 480 Meter tief, steht inzwischen jedoch unter Wasser. Temperaturen von bis zu 45° Celsius machen die Arbeit dort zu einer noch unvorstellbaren Quälerei. Die Kuppe des Berges selbst ist erschöpft. Anfangs hatte das Silber noch eine Reinheit vom 96%, aber das war im 16. Jahrhundert und die Spanier waren ›hungrig‹. Heute besitzt das Silber, das man ausbeutet, eine Reinheit von bis 55%. Bolivien hat nicht genug finanzielle Kraft um das Silber zu veredeln oder es gar industriell zu weiterverarbeiten. Also wird es exportiert. Hauptabnehmer sind die (der Regierung verhasste) USA, Japan, England und China, wo das Metall Verwendung in Elektronik-Artikeln findet.

10.000 Minenarbeiter speist der Cerro Rico mit Brot. Potosi hat 170.000 Einwohner. Die Erz-, Zink- und Silbervorkommen noch für fünfzehn bis zwanzig Jahre.Danillo möchte Guide bleiben. Aber er will in die ›Salares‹ – allein ein Jeep fehlt ihm noch. Besser gesagt, das Geld dafür.


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