Schwarz-gelb fällt

Die Union hat mit dem Sparvorschlag vom Montag die FDP nur versucht, ruhig zu stellen und in der Regierung zu halten. Denn eigentlich sind die Gräben groß zwischen den Parteien. Weil teilweise Regierungserfahrung fehlt, andererseits die Partei nach der Kohl-Ära sich ein falsches Profil gegeben hat.

Seit Montag Nachmittag überbieten sich die Medien sowie politischen und zivilgesellschaftlichen Akteure, die Sparpläne der Bundesregierung zu verdammen. Wenn sogar die Tagesschau soweit ist, einen vernichtenden Kommentar nach dem anderen herauszugeben, dann sieht man, dass die Kacke richtig am dampfen ist. Aber mal hübsch langsam.

Wie die meisten, welche die Traumkoalition nicht gewählt haben, habe auch ich nahezu flehend im Oktober darauf gewartet, dass die bürgerlichen Parteien mit ihrer Grausamkeitsliste endlich rausrücken. Was kam, war ein Koalitionsvertrag, der eine milde Absichtserklärung darstellte. Danach folgte die politiklose Zeit bis zum 9. Mai, und kurz darauf haben wir alle schönen Diskussionen über Steuersenkungen zusammen mit der Kanzlerin über Bord geschmissen. Und schließlich hat sich noch  Hals-über-Kopf die CDU der besten Merkelherausforderer entledigt sowie ungefragt steht die Republik vor einem neuen Wahlkampf, welcher diesmal nun endgültig über das Schicksal der Traumkoalition entscheiden soll.

Die FDP deutet es ja schon an: Wenn Wulff nicht zum Bundespräsidenten gewählt wird, wenn die Gesundheitsreform von Rösler nicht kommt, wenn die Union so langsam auf den Geschmack von sozial ausbalancierten Steuererhöhungen bei den Besserverdienern/"Leistungsträgern" kommt - was passiert dann?

Ich würd mal sagen, die Bundesregierung implodiert und die Traumkoalition ist überraschend schnell wieder Geschichte. Aber das muss ich der Kanzlerin nicht erklären. Deshalb haben alle jetzt auf ihren Befehl hin gesagt, "war doch nicht so schlimm gemeint". Dennoch: verantwortungsvoller Umgang lässt noch auf sich warten. Das zeigt spätestens die Präsidentenwahl, ob Koalitionsparteien das jetzt endlich hinkriegen.

Balsam für die FDP-Seele

Die am Montag vorgelegten Sparmaßnahmen signalisieren deshalb nicht ein "wir wissen es besser", sondern ein "wir wollen vorallem uns zusammenhalten". Denn jetzt ist ungewollt wieder Wahlkampf. Wulff muss gewählt werden, sonst hat sich die Traumkoalition bis auf die Knochen blamiert und zerbricht wahrscheinlich unmittelbar danach. Es gilt für Merkel das in erster Linie zu verhindern. Die geplanten Sparmaßnahmen sind deshalb allesamt unsozial und treffen nicht die FDP-Klientel.
Im Gegenteil, die Liberalen werden geschont, damit sie treu und brav weiter mitmachen beim Spiel "Wir verkaufen unsere Prinzipien". Denn das kommt nach der Bundespräsidenten-Wahl. Die taz hat schonmal analysiert, was die geplanten Sparmaßnahmen im Eigentlichen aussagen. Viele Unions-Leute haben es bereits angedeutet: allgemeine Einkommenssteuer-Erhöhungen müssen her, sonst reicht's niemals mit dem Schuldenabbau. Als Neuestes lässt Merkel Schäuble versichern, dass der Spitzensteuersatz unangetastet bleibt, um schnell Einigkeit herzustellen und dem Liberalen Streitmaul eine Beruhigungspille zu verabreichen.

Aber ist sich die FDP  eigentlich im Klaren, wie sie hier verarscht wird? Offen gestanden, mir kann das alles nur Recht sein, aber schön anzusehen ist das nicht. Die Liberalen machen Versprechungen zu Steuersenkungen, welche ohne Rückfragen kassiert werden. Die FDP wird zu faktischen Steuererhöhungen mit dem Sparpaket gedrängt (Flugticketabgabe, Ende der Ausnahme der Ökosteuer für Unternehmen, Brennelementesteuer, Finanzmarktsteuer) und denen fällt nichts anderes ein, als ein unsoziales Gesamtsparpaket zusammen zu schnüren. Die mächtigen Unionsbosse der Arbeitnehmer- und Wirtschaftsvereinigungen wollen wollen jetzt schon nachbessern und Steuererhöhungen (Mehrwertsteuer, Einkommensteuer) reingeschrieben haben. Glaubt die FDP etwa, nach dem 30. Juni sich dagegen noch wehren zu können?

Die FDP ist auch nicht mehr das, was sie einmal war

Ich sehe hier im Gegensatz zu SF2000 ein generelles Problem beim Koalitionspartner FDP, weshalb ich nicht glaube, dass die Koalition auf Dauer halten wird. Die FDP von heute ist nicht mehr mit der FDP von 1949 bis 1998 vergleichbar. Vor allem nicht die Bundesspitze. Ich nehme mal ein Beispiel. Ein Verwandter – geringverdienender Arbeiter mit Familie – hat mir gegenüber gesagt, im Herbst FDP gewählt zu haben. Er begründete das folgendermaßen: "Der Westerwelle fordert viel, kriegt dafür immer wieder was auf die Fresse, aber er will auch was machen. Er will, dass sich was ändert. Weil der sagt 'so kann es nicht weitergehen und die FDP ist die einzige Partei, mit der sich das ändern wird. Alle anderen Parteien haben seit 1998 das ja nicht gemacht. Die haben immer nur weitergemacht wie vorher'. Deshalb hab ich FDP gewählt."

Recht hat er, mein Verwandter. Die FDP ist die einzige Partei, die sich mit extremen Forderungen im Bundestag hinstellt und sagt: "so geht das nicht weiter, wir krempeln den Laden um und gehen in eine völlig neue Richtung". Das ist das Selbstverständnis der aktuellen FDP-Parteispitze. Das macht die radikale Rhetorik der Westerwelle-Generation aus. Vor allem in den Jahren der Opposition.
Das Problem dieser Partei ist, dass sie das jetzt nicht so einfach ändern kann. Man muss sich mal anschauen, wer diese Partei führt, der da cool, abwartend und berechnend, aber natürlich auch pragmatisch und kalkulierend seine Regierungsarbeit leistet: das ist Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die das noch aus der alten Kohl-Zeit kennt und Rainer Brüderle, der in Rheinland-Pfalz mal Wirtschaftsminister unter einer CDU- und mal Wirtschaftsminister unter einer SPD-geführten Regierung war. Diese Leute wissen, wie politischer Regierungsbetrieb langfristig und dabei auch langatmig funktioniert. Guido Westerwelle, Christian Lindner, Philipp Rösler, Birgit Homburger und Dirk Niebel dagegen nicht. Sie saßen nie oder nie sehr lange vorher in so schwierigen Kabinetten (es wäre erheblich einfacher für die, wenn die CSU nicht dabei wäre). Deswegen machen die jetzt die viele Zappelei und Enttäuschung. Das sind alles praktische Regierungsanfänger dort. Georg Schramm würde wohl eher den Begriff "Stümper" verwenden.


Die FDP hat ein falsches Profil

Jetzt aber nochmal zum Profil dieser Partei. Die FDP hat ein Unions-Problem. Was die Grünen mit der SPD gelöst haben, nämlich auch sich mal teuer an die CDU verkaufen zu können, das hat die FDP mit der SPD momentan ausgeschlossen. Die Konzentration auf den Koalitionspartner CDU bringt für die beiden nur Stunk mit sich. Würde man dagegen auch mal Koalitonen mit SPD und Grünen in Betracht ziehen und der CDU damit drohen können, würde die FDP viel cooler und erfolgreicher aufgestellt. Moment sieht das eher danach aus, dass nach der "Traumhochzeit" der beiden die Enttäuschungen vorallem bei der FDP unglaublich groß sind. Abgeklärtes, nachhaltiges und vor allem stabiles Regieren sieht anders aus. Das gab es früher mal, bis 1998 auf Bundesebene, aber eben jetzt nicht mehr.

Und da alles schlimmer in der Koalition jetzt mit dem ersten Vorschlag fürs Sparpaket zu kommen scheint, ist meine Prognose einfach, dass – wenn die Parteispitze sich nicht komplett dreht – Schwarz-gelb schon bald zuende ist. Die FDP in NRW hat es grad vorgemacht. Landeschef Pinckwart sagt "ja, machen wir" und sein rechtsliberaler Fraktionschef schüttelt gleichzeitig den Kopf. Eine super Steilvorlage für Rot-Grün die Neuwahlen in NRW einzuleiten. Und die FDP fliegt womöglich sogar aus dem Landtag.

Ich glaube, das sind alles Erbinnen und Erben der Generation Kohl, die im Bewusstsein aufgewachsen sind, mit Ausbildung, Disziplin und Durchsetzungsvermögen das Leben und Politik meistern zu können. Demut, Anstand und Realitätssinn gehörten wohl nicht dazu. Die geistig-moralische Wende verlottert ihre eigenen Kinder.

Das Wetter meint, in Berlin ist aufkommender Wind mit langsamem Temperaturanstieg.

Kommentare


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