Schwarmintelligenz

Die Tagesschau hat angesichts der gerade aufblühenden Seitehttp://de.guttenplag.wikia.com allen Ernstes Schwarmintelligenz in Deutschland ausgemacht.

Falls Sie das noch nicht wussten: Auf dieser Seite kann jeder Interessierte Textabschnitte aus der vermeintlichen Doktorarbeit des vermeintlichen Verteidigungsministers ihrem vermeintlichen Original gegenüberstellen - als ich das gestern zum ersten Mal sah, hatte die Seite 52 solcher Einträge, heute morgen sind es 62.  Jede enthält Passagen, die aus diversen wissenschaftlichen Arbeiten entliehen wurden, ohne sie als als entsprechende Anleihen kenntlich zu machen; das fügt sich zu folgender Grafik zusammen, die sich täglich mehr zu einem langen schwarzen Balken entwickelt:

Plagiat_graphic

Von Deppendorf bis Borchers sind auf tagesschau.de zudem Kommentare zu lesen bzw. zu sehen, die verblüffend einstimmig den Verfall des letzten Berliner Polithelden besingen. Dazu wird es natürlich nicht kommen. Aus guten Gründen sehe ich, wenn ich von "Schwarmintelligenz" in Deutschland höre, automatisch diesen Filmausschnitt vor mir:

Und mag es auch kein Problem sein, eine Seite zu finden, auf der sich Leute mit dieser Affäre auseinandersetzen, die Masse ist bereits auf Linie, wie man dort auch in den Kommentaren sehen könnte:

...einfach nur widerlich ist diese Schlammschlacht und alle diejenigen die sich daran beteiligen !! .. und sei's auch nur durch primitive Häme und Schadenfreude. In der Tierwelt gibt es dazu nichts Vergleichbares. Aber der "intelligente" Mensch muss sich hier produzieren. Haben wir in Deutschland nicht andere Sorgen und Nöte?

... oder gleich so ...

Bitte aufhoeren mit diesem Unsinn, Gedenkt den Deutschen Soldaten die in Afghanistan gefallen sind. Oder kuemmert euch um arme und kranke Kinder. Ist ja Widerlich !

Was hier wirkt, ist ein über viele Jahre sorgfältig gesäter und gepflegter Mechanismus, der noch keinen echten Namen hat, aber fast schon eine Doktorarbeit wert wäre: Deutschland hasst seine Akademiker. Warum auch nicht - hat man ja schließlich schon in der Schule mit angefangen, zumindest, bis sich diese Streber dann dank frühzeitiger Trennung nach der vierten Klasse in die höhere Bildungslaufbahn ausklinkten. Wenn man sie dann 6 Jahre später wiedertraf, mittlerweile Azubi oder bereits schwer arbeitender Steuerzahler, saßen die immer noch auf der Schulbank, und 16 Jahre später, als man bereits die erste Arbeitslosigkeit durchgestanden hatte, saßen sie dann in Universitäten - von den Steuern, die man erschuftet. Und wenn die ersten Rückenschäden auftreten, schreiben die an ihren Doktorarbeiten,  und wenn man kurz vor der Frühverrentung steht, fangen die tatsächlich mal an zu arbeiten - vielleicht sogar hierzulande.

Es muss grausam sein, die Typen, die man früher vermöbelt hat, weil sie einfach scheisse sind, in den Autos herumfahren zu sehen, die man sich sein Leben lang nicht leisten wird können, und nicht selten angeln sie sich dann auch noch eine Frau (oder einen Typen), der/die vom Typ her zu diesem Auto passt. Sie sind eine stetige Erinnerung daran, dass man irgendwo auf dem Weg aufgehört hat, cool zu sein, stark zu sein, geil zu sein, und das, obwohl diese Leute so eindeutig weder cool noch stark noch geil sind.  Auch nicht Karl Theodor zu Guttenberg.

Es ist eigentlich fast erstaunlich, dass er es trotz des Doktortitels zu seiner Popularität gebracht hat. Wer jetzt darauf hofft, dass irgendjemand aus der breiten Masse versteht, warum sich Akademiker so über diesen Vorgang aufregen können, beweist damit nur, dass seine sonst bei jeder Gelegenheit demonstrierte Wertschätzung für die Arbeiterklasse einem seltsamen Idealbild entspringt, das nur seine geradezu galaktische Entfernung zu dieser Lebenswelt demonstriert. Die bizzarre Pointe dieser ganzen Affäre dürfte demnach auch sein, dass die Heldenverehrung des Barons entgültig nicht mehr zu erschüttern ist, aber das passt. Verdankt der Mann doch letztlich seinen Stand bei den Deutschen einer nicht enden wollenden Reihe von Affären, Ungereimtheiten und Merkwürdigkeiten, die einer ebenfalls nicht enden wollenden Arie der Springerpresse die Bühne bereiteten.
Ich hätte jedenfalls echte Probleme, irgendeine Leistung dieses Mannes zu bennen. Auch nicht als Wirtschaftsminister. Sie fanden ihn zum Beispiel ganz toll, weil er sämtliche Maßnahmen der großen Koalition zur Krisenbekämpfung unter Beschuß nahm. Folgenlos. Dass seine Gesetzesentwürfe von einer britischen Anwaltskanzlei getippt wurden: Kein Problem.

Jetzt schafft er gerade die doch so beliebte Bundeswehr ab - übrigens eine alte Juso-Forderung, die ich nie unterstützt habe. Er übersieht dabei geradezu störrisch die Gefahren, die mit den neuen Strukturen verbunden sein können, obwohl ihm die Folgen von Abschottung und Ehrenkodex gerade so hervorragend auf der Gorch Fock vorgeführt wurden.

Zusammen mit der Schwarmintelligenz, versteht sich. Da denkt dann keiner mehr an die Kinder. Oder an die Mütter. Wenn sich meine Landsleute erstmal dazu durchgerungen haben, jemanden zu umarmen, dann ist dem mit Vernunft nicht mehr beizukommen. Und das sind nie Akademiker, dazu brauchen sie dann schon Tarnung. Als Baron. Oder als Sängerin, wo wir gerade bei Schwarmintelligenz sind. Haben Sie ja auch ganz doll lieb:

Ich meine, diese Karaoke-Vorstellung zu Kompositionen mit der Qualität von Handyklingeltönen muss Stunden gedauert haben. Trotzdem weiss ich jetzt schon, was die Schwarmintelligenz produzieren wird, wenn dieses offensichtlich stimmlich und sprachlich überforderte Mädchen durchfallen wird: Dann müssen wir aus der EU austreten.

Hoffentlich wird wenigstens das Wetter schön.

Kommentare


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