Meine Texte gehören mir! Da bin ich Egoist - oder nenne man das dann wie man will. Kleinlich, erpicht, gierig - das ist mir egal. Eigentumsverhältnisse hinterfragen und dann selbst am Eigentum festhalten, wird da mancher sich räuspern. Solche Pharisäer hat man ja gerne. Aber so ist es nun mal, ich schreibe das hier oder anderes anderswo nicht, damit es jeder Hanswurst auch als sein Eigentum betrachten kann, weil er zu meinen glaubt, die Früchte geistiger Arbeit seien lediglich als kollektive Leistung zu sehen - sind sie auch, daher ja lediglich; aber sie sind es nicht nur. In erster Instanz sind sie Eigentum und gehören jemanden - meine Texte gehören eben mir.
Schreiben: eine Kunst, die für lau zu haben sein soll
Es wird sich gemeinhin meist daran gehalten. Man beachtet die Gepflogenheiten des Zitierens, wird als Autor genannt, manchmal verweisen auch Links auf die Quelle und man wird somit als Besitzer des geistigen Produkts kenntlich gemacht. Im Kielwasser der Anti-ACTA-Bewegung finden sich aber auch solche, die geistiges Eigentum grundsätzlich für etwas halten, was im eigentlichen Sinne niemanden gehören sollte. Sie stellen die Eigentumsfrage für Sätze und Absätze, für Texte und Essays. Und wenn solche im Internet landen, dann sollte das Recht des Autors zurücktreten - ganz im Sinne der großen Sache der grenzenlosen Informationsfreiheit. Böll sprach in diesem Zusammenhang mal von Ewigkeitswerten. Dabei hat die Freiheit der Informationen nur sehr marginal mit der Frage nach geistigem Eigentum zu tun.
Informationen sind natürlich in gewissem Sinne auch immaterielle Güter - um die geht es mir aber nicht, die müssen und sollen frei zugänglich sein. Aber was hier, bei diesen Immaterial-Kommunisten, fehlt, ist der Respekt vor den Produkten der schreibenden Gilde. Ich wurde tatsächlich schon von Vorwürfen bedeckt, weil meine Bücher Geld kosten - geistiges Eigentum an Texten gilt für diese Leute überhaupt nichts. Auch bei Musik, die sie unentgeltlich downloaden, ticken sie ähnlich - dabei will ich mich mit den Machenschaften der Musikindustrie nicht gemein machen, denn sie ist immer noch, trotz Gejammer über entgangene Milliarden, ein prosperierender Zweig - das Schreiben aber, das zum Lesen Fabrizierte, es ist eine malade Nische und daher viel schützenswerter.
Und so bezeichnen sich manche als liberale Linke, sind aber materiell eingestellt wie jene, gegen die sie aufstehen - für sie zählt das geschriebene Wort, ein immaterielles Gut, überhaupt nichts. Ihre Hose ließen sie sich nicht stehlen, Texte aber, von deren Verkauf sich Autoren Hosen kaufen sollen, raubten sie schamlos. Schnäppchenmentalität, alles geschenkt haben wollen, das betrifft auch sie. Nicht materiell, da nennen sie es bedenklich Aldisierung - auf immateriellem Felde aber, da sind sie wie die, die sie nicht schätzen.
Wer schreibt, tut nichts
Das sind auch jene Leuchten, die dem schreibenden Zeitgenossen nahelegen wollen, dass die Zeiten des Schreibens nun endgültig passé sind - jetzt heißt es auf die Straße gehen, Plakate hochhalten, Aufrufe formulieren; Setz' deine Kunst, sofern es überhaupt eine ist, für den Kampf ein! Das Talent soll verzweckt werden - es hat keine Gültigkeit als Flankenschutz, als mahnendes Korrektiv oder als Impulsgeber. Der Autor ist für diesen Personenkreis ein intellektueller Nichtsnutz. Und er will sogar noch hin und wieder von seinen Texten leben können. Das empfinden sie als die Krone der Frechheit.
So stehen sie auf Straßen und glauben, sie seien Helden der Tat, Aktionisten, die die Welt veränderten - sie stehen da und wollen nichts davon wissen, dass es geschriebene Worte waren, die sie dorthin schickten. Nicht Aufrufe, die Ort und Zeit nennen, meine ich damit - Werke der Aufklärer, Texte von Frühsozialisten und Anarchisten, Zeilen von Liberalen - als die noch liberal waren -, deren Wirkungsgeschichte es ihnen erlaubt, hin und wieder als mündige Bürger aufzutreten. Die Philosophen, die die Welt nur verschieden interpretiert hätten; wir erinnern uns vage an diesen berühmten Ausspruch Marxens, der allerdings nicht zwangsläufig meint, dass die Philosophie entbehrlich wäre. Er will nicht sagen, die Philosophen hätten sich nur einen Reim auf die Welt gemacht, daher schnell entphilosophieren und dafür anpacken, machen, verändern, wie Marx riet. Mir scheint, mancher versteht diesen Satz völlig falsch. Wo sagt Marx denn, dass es nicht die Philosophen sein können, die die Welt verändern? Und war es nicht er, immerhin ein Doktor der Philsophie, der sie nachhaltig veränderte?
Neoliberale Kunstfeindlichkeit ist mittlerweile allgemeines Lebensgefühl
Daran wie man mit immateriellen Gütern, mit Kunst und insbesondere mit Literatur umspringt, auch unter kritischen, ja kapitalismuskritischen Menschen, erkennt man, wie tief der Materialismus in die Gemüter gestrickt ist. Niedergeschriebenes geistiges Eigentum scheint offenbar wertlos. Dass der Neoliberalismus die Kultur niederwalzt ist nur eine Seite der Wahrheit - die andere Seite ist, dass auch die Gegner des Neoliberalismus einem Funktionalismus oder Operationalismus unterworfen sind, der für Kulturleistungen literarischer Machart, keinerlei Verwendung findet. Das Schreiben ist auch für sie ein minderwertiger, ja auch schmuddeliger Akt - nichts, was in der Realität Geltung haben könnte. Sie meinen natürlich jene Realität, die sie als solche besehen. Die notierte Realität des Schreibenden - ich weigere mich, Schriftsteller zu schreiben, weil nicht jeder der schreibt, auch schriftstellerisch tätig ist - gilt für sie nicht. Schreiben ist für sie Realitätsferne.
Was in diesem multilateralen Handelsvertrag, der wie alles heute, per Abbreviatur verschlagwortet wurde, zu lesen und schlimmer noch, zu erahnen ist, kann nicht geduldet werden. Nur ist es gleichsam unduldbar, dass es genügend Stimmen gibt, die geistiges Eigentum im Internet - und das ist zwangsläufig auch das geschriebene Wort -, für vogelfrei erklären wollen. Eine durchgeschützte, in alle Winkel per Gesetz bewahrte Welt will niemand, der bei klarem Verstand ist - aber die Arbeit des Autors, sie gilt es zu respektieren, auch wenn mancher im libertären Rausch meint, das Internet sei Menschheitsauftrag und deshalb ein Platz freier Zugriffe. Der Neoliberalismus spricht nicht darüber, wie er Literaten und Musiker, wie er Darsteller und Tänzer, allesamt an ihrer Berufung hungernd, unterstützen, subventionieren, honorieren, relativ sorglos ihr Metier ausüben lassen kann - dass es die Anti-Neoliberalen auch nicht tun, das wirft ein Schlaglicht darauf, wie tief das Gift schon vorgedrungen ist. Wie sehr er die niederen Instinkte instrumentalisiert hat und alte Vorurteile, wie jene gegen Intellektuelle (oder solche, die auch nur so aussehen), neu belebt hat.